| # taz.de -- Digitalisierung der Landwirtschaft: Der automatisierte Acker | |
| > Die Digitalisierung hält zunehmend Einzug in die Landwirtschaft. Es | |
| > besteht die Gefahr, dass Landwirte zu Vertragsbauern degradiert werden. | |
| Bild: Ein Drohne über einem Maisfeld verteilt Schlupfwespeneier zur Bekämpfun… | |
| Berlin taz | Dass der deutsche Landwirt im Monat März nicht mehr die Pferde | |
| einspannt, um seine Felder und Wiesen in Stand zu setzen, zu pflügen und zu | |
| säen, ist weithin bekannt. Aber auch das Bild vom Bauer auf dem Traktor | |
| könnte schneller als gedacht der Vergangenheit angehören. Robotertechnik | |
| und datengetriebene, vollautomatisierte Verfahren erobern die Äcker und | |
| Ställe. Auf der „Grünen Woche“ in Berlin können Fortschritte und | |
| Verheißungen der modernen Agrartechnik derzeit inspiziert werden. | |
| „Hightech-Landmaschinen mit Spezialbereifung, die satellitengesteuert über | |
| das Feld navigieren, entlasten die Böden“, verspricht Lea Fließ vom „Forum | |
| Moderne Landwirtschaft“, das in Halle 3.2 einen Maschinenpark für die | |
| Ackerfabrik aufgebaut hat. „Es sind weniger Überfahrten nötig und der | |
| Dünger wird genau dort positioniert, wo er gebraucht wird“, so die | |
| Sprecherin der Lobbyorganisation der Agrarwirtschaft. Messeneuheit ist eine | |
| Sämaschine, die in einem Arbeitsgang den Boden lockert, das Saatgut ablegt | |
| und in verschiedenen Bodentiefen düngt. | |
| Nach einer aktuellen Studie des Branchenverbandes der Digitalwirtschaft | |
| „Bitkom“ nutzt inzwischen fast jeder fünfte Landwirtschaftsbetrieb in | |
| Deutschland digitale Technologien. „In der Landwirtschaft ist ‚Farming 4.0�… | |
| bereits aus seiner Nische heraus“, bestätigt Michael Horper, Vorsitzender | |
| der Verbändeplattform „Landwirtschaft und Verkehr“, getragen von | |
| Raiffeisenverband und Deutschem Bauernverband. | |
| „Die Digitalisierung hat sowohl in der Milchviehhaltung als auch beim | |
| Ackerbau einen hohen Grad an integrierter Nutzung erreicht.“ Drohnen | |
| überwachen das Pflanzenwachstum auf dem Feld, Traktoren werden via Satellit | |
| per GPS gesteuert, Sensoren erfassen die Bodenfeuchtigkeit – in der | |
| Landwirtschaft fallen immer mehr elektronische Daten an. Hauptproblem ist | |
| nicht mehr ihre Sammlung, sondern ihre Verknüpfung. Agrodaten werden zu | |
| einem eigenen Business. | |
| In den USA ist die Entwicklung zur Präzisionslandwirtschaft (Landwirtschaft | |
| mit Satellit und Sensor) bereits fortgeschritten und damit auch der Kampf | |
| um die Daten. „Der Agrarriese Monsanto nutzt Farming 4.0 und degradiert die | |
| Landwirte zu Vertragsbauern“, berichtet der unabhängige Berliner | |
| Branchendienst Herd und Hof. „Die Landwirte wehren sich und haben mit | |
| Farmers Business Network (FBN) ein Gegenstück aufgebaut, das von Google in | |
| diesem Sommer erst aufgekauft wurde“. | |
| Das FBN verfügt über Boden- und Klimadaten von rund 7 Millionen Hektar aus | |
| 17 US-Bundesstaaten, die mit 500 Saatgutsorten von 16 verschiedenen | |
| Feldfrüchten kombiniert werden können. Die Datenbank wächst monatlich um 30 | |
| Prozent. In Deutschland hat der Münchener Agrarhandelskonzern BayWa den | |
| Softwarespezialisten PC Agrar übernommen, mit dessen Programmen rund 30.000 | |
| Bauern ihre Betriebe verwalten. Als Vorteile der digitalen Vernetzung | |
| werden genannt, dass – so Ergebnisse von BayWa-Feldversuchen – 12 Prozent | |
| der Arbeitszeit, 20 bis 60 Prozent der Energie für die Bodenbearbeitung und | |
| 10 Prozent an Pestiziden eingespart werden können. | |
| Auch die Entwicklung der Hardware schreitet rasant voran, getrieben von | |
| wissenschaftlichen Forschungsprojekten. So wurde der Feldroboter „Bonirob“ | |
| von der Hochschule Osnabrück entwickelt und wird jetzt vom Bosch-Konzern | |
| zur Marktreife vorangetrieben. Der 500 Kilogramm schwere Metallkoloss | |
| ähnelt Kampfmaschinen aus der „Star Wars“-Saga, doch seine Feinde sind | |
| Unkräuter, die er mit intelligenter Optik identifiziert und beseitigt. | |
| Ähnlich wie in der „Fabrik 4.0“ in der industriellen Produktion ist aber | |
| auch auf dem Acker noch mit einigen Kinderkrankheiten der | |
| Maschinenintelligenz zu kämpfen, etwa die sichere Unterscheidung, ob der | |
| vermeintliche Unkraut-Trieb nicht doch zu einer Möhre gehört, die es zu | |
| schützen gilt. | |
| ## Wachstum und Fruchtreife werden überwacht | |
| Am Leibniz-Institut für Agrartechnik Bornim (ATB) bei Potsdam wird am | |
| Obstbau der nächsten Generation geforscht. In Halle 23a stellen die | |
| ATB-Forscher neuartige sensorgestützte Verfahren für den sogenannten | |
| Präzisionsobstbau (“Precision Fruticulture“) vor , mit denen von | |
| Einzelbäumen wichtige Zustandsdaten wie Wachstum und Fruchtreife erfasst | |
| werden. | |
| Genutzt werden diese unter anderem zur „Blütenausdünnung“, mit der ein | |
| besserer Ertrag der Apfelbäume erreicht werden soll. „Eine Kamera am | |
| Schlepper erfasst die Blütendichte der einzelnen Bäume“, schildert die | |
| Professorin Cornelia Weltzien, die seit einigen Monaten die Abteilung | |
| Technik im Pflanzenbau am ATB leitet, das Verfahren. „Mithilfe dieser | |
| Information wird eine rotierende Spindel gesteuert, welche die überzähligen | |
| Blüten abschlägt ohne den Baum zu schädigen, ein ebenso wirksames wie | |
| umweltfreundliches Verfahren.“ | |
| Der Hintergrund: Ohne diese Blütenausdünnung wird bei Spätfrost die | |
| Fruchtbildung massiv geschädigt. „Der Baum trägt dann keine oder nur sehr | |
| wenige Früchte, im Folgejahr dagegen sehr viele, aber kleine Früchte“, so | |
| ATB-Forscherin Weltzien. „Ganze Obstanlagen können so in einen zweijährigen | |
| Ertragsrhythmus kommen“, was mit der Aktion verhindert werden soll. | |
| ## Der Bauer als Feuerwehrmann | |
| In welche Zukunft Digitalisierung und Roboterisierung die Landwirtschaft | |
| führen wird, können Betroffene wie auch wissenschaftliche Experten nur | |
| schemenhaft umreißen. „Die Rolle des Menschen bei der Steuerung hoch | |
| automatisierter Agrartechnik ist zwiespältig“, konstatiert das Büro für | |
| Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einem Bericht. „ | |
| Einerseits wird er zum passiven Anlagenüberwacher degradiert, andererseits | |
| richten sich an ihn hohe Erwartungen, wenn kritische Situationen oder | |
| Störfälle auftreten“. | |
| In einer Befragung gab ein Bauer zu Protokoll: „Mit einem Melkroboter muss | |
| man immer der Feuerwehrmann sein, wenn Probleme auftauchen, und dafür | |
| sorgen, dass diese rasch behoben werden können.“ | |
| Auch Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im Europaparlament, sieht | |
| neben Vorteilen mögliche kritische Folgewirkungen: „Die Beobachtung des | |
| Pflanzenzustands von einer Maschine erledigen zu lassen fördert nicht | |
| unbedingt den bewussten und nachhaltigen Umgang mit dem Agrarökosystem | |
| durch den Landwirt selbst“. Ähnlich äußerte sich Thomas Blaha, Vorsitzender | |
| der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, in dieser Woche in einer | |
| Diskussion in Berlin. Zwar könnten Melkroboter durchaus schonender mit den | |
| Milchkühen umgehen. Es fehle aber „die emotionale Beziehung des Menschen | |
| zum Tier“, die im Sinne des Tierwohls von hoher und noch zu wenig | |
| beachteter Bedeutung sei. | |
| 16 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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