# taz.de -- Studie über Corona-App: Wie gut schützt sie wirklich? | |
> Laut einer Studie weist die Corona-App Mängel im Nahverkehr auf. Das | |
> heißt aber noch lange nicht, dass das Warten auf die Anwendung umsonst | |
> war. | |
Bild: So geht Infektionsprävention: Maske auf und ein Waggon nur für sich | |
Montagmorgen, Viertel nach acht, in der U-Bahn. Es ist voll. Also nicht so | |
voll, dass sich nicht noch ein paar Dutzend Menschen dazuquetschen könnten. | |
Aber so voll, dass sich anderthalb Meter Abstand nicht einmal dann | |
einhalten ließe, wenn man eine der Haltestangen in Richtung Decke erklimmen | |
würde. Glücklich, wer jetzt die Corona-Tracing-App installiert hat und so | |
gewarnt werden kann, falls in diesem Wagen eine Sars-CoV-2-infizierte | |
Person mitfährt, die ebenfalls die App nutzt. Oder? | |
Eine aktuelle [1][irische Studie] lässt hier Zweifel aufkommen. Die | |
Wissenschaftler:innen vom Dubliner Trinity College untersuchten, wie gut | |
die Technologie zur Abstandsmessung, [2][die auch in der deutschen App | |
verwendet wird, in einer Straßenbahn funktioniert]. Straßenbahnen sind für | |
die Signalmessung kompliziert. Sitze sind mal quer, mal längs, mal im | |
Halbkreis angebracht, unterbrochen von Knautschzonen für die Kurven. Die | |
Forscher:innen schickten sieben Proband:innen mit Pixel-2-Smartphones in | |
eine Dubliner Tram und maßen, ob die Abstandsmessung dann zu Alarmen | |
führte, wenn sie es sollte, nämlich bei Abständen von unter 2 Metern, 15 | |
Minuten lang. | |
Das Fazit der Studie: Bei Anwendung der Regeln, die in der Schweizer und | |
der deutschen App implementiert seien, habe man keine Abstandsalarme | |
feststellen können. Daher steht die Frage im Raum: Wird mit diesem Befund | |
die App als Mittel der Pandemiebekämpfung weitgehend obsolet? | |
Denn der öffentliche Nahverkehr ist das Szenario, in dem eine Tracing-App | |
ihre Stärken voll ausspielen könnte. Ein Raum, in dem Abstände in der Regel | |
nicht eingehalten werden können, in dem man seine Mitreisenden nicht kennt | |
und die Belüftung verbesserungswürdig ist. Klar, eine Party in einem Club | |
fände das Virus noch besser, aber erstens ist momentan die U-Bahn mehr | |
Party, und zweitens sind Gästelisten sogar im Club realistischer als | |
nachmittags um fünf Uhr in einer vollen Bahn. | |
## Das Szenario ICE | |
Das Robert-Koch-Institut (RKI) und der deutsche Softwarehersteller SAP | |
teilen auf Anfrage der taz mit, die Ergebnisse der irischen Studie könnten | |
„so nicht nachvollzogen werden“. Denn das Fraunhofer-Institut für | |
Integrierte Schaltungen (IIK) habe die Abstandsmessung in verschiedenen | |
Szenarien – Party, Supermarkt, ICE – getestet, und laut RKI seien 80 | |
Prozent der Begegnungen richtig erfasst worden. Zudem werde in | |
geschlossenen Räumen etwas großzügiger gemessen. „Damit wird in Kauf | |
genommen, dass gegebenenfalls zu viele Nutzerinnen und Nutzer der | |
Corona-Warn-App gewarnt werden“, so das RKI. | |
Allerdings ist für den Kontext der Studie (Sitze in einer Metallkiste) ja | |
primär das Szenario ICE relevant. Fotos der Fraunhofer-Messungen deuten | |
darauf hin, dass nicht in einem wirklichen ICE getestet wurde, sondern die | |
Sitze in einer Halle nachgestellt wurden. SAP konnte diese Frage nicht | |
beantworten. | |
Die irische Studie jedenfalls ist noch nicht peer-reviewed, also noch nicht | |
von anderen Wissenschaftler:innen überprüft. Doch was bedeutet es, wenn | |
sich die Ergebnisse als korrekt herausstellen und die App zwar im | |
Supermarkt, beim Friseur oder im Park ihre Funktion erfüllt, aber nicht im | |
Zug? | |
Zweierlei. Erstens: Die App trägt zumindest etwas zur Pandemiebekämpfung | |
bei, das zeigt etwa die Zahl [3][1.679. So viele TANs] wurden zum Stichtag | |
16. August 2020 seit dem Start der App per Hotline ausgegeben für alle, die | |
ihr positives Testergebnis über die App melden wollen, aber dafür keinen | |
Code vom Labor bekommen haben oder wollten. Dazu kommt also die Zahl der | |
positiv getesteten Nutzer:innen, die ihren Code direkt über die App vom | |
Labor erhalten haben. Ob das jetzt viel ist oder wenig angesichts dessen, | |
dass jede dieser Personen ein:e Superspreader:in sein könnte oder nicht | |
– das alles ist unmöglich zu sagen. | |
Zweitens: Gerade im öffentlichen Nahverkehr ist es politisch wichtig, auf | |
andere Instrumente zu setzen: Takt und Wagenzahl erhöhen, Maskenpflicht | |
durchsetzen, vielleicht auch bessere Lüftungsanlagen, kostenlose Mieträder | |
zur Verfügung stellen oder Anreize für das Fahren in Nebenzeiten. Die | |
Pandemie wird noch eine Weile dauern. Es lohnt sich also, nachhaltige | |
Lösungen zu entwickeln. | |
19 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.scss.tcd.ie/Doug.Leith/pubs/luas.pdf | |
[2] /Corona-App-versagt-in-Bus-und-Bahn/!5702754/ | |
[3] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/WarnApp/Kennza… | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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