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# taz.de -- Zwei Wochen Corona-App: Jede:r Sechste hat sie
> Knapp 15 Millionen Menschen haben die deutsche Corona-App bislang
> runtergeladen. Doch noch läuft nicht alles reibungslos. Eine
> Zwischenbilanz.
Bild: Abstand eingehalten? Die Corona-App meldet, wenn man in der Nähe einer i…
Berlin taz Es sieht aus, als wäre das erste Ziel, das zwar nie offiziell
formuliert wurde, aber trotzdem natürlich im Raum stand, erreicht: Mehr als
15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben sich mittlerweile die App
zur Nachverfolgung von Kontakten Sars-CoV-2-positiver Personen
heruntergeladen.
Die Bundesregierung selbst hatte es immer abgelehnt, ein offizielles Ziel
zu definieren. Unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte
stattdessen, dass jede:r einzelne Nutzer:in mehr einen Beitrag leiste. Wenn
15 Prozent einer Bevölkerung die App nutzen, diese Marke haben
[1][Wissenschaftler:innen der Universität Oxford in Modellen errechnet,]
stelle sich eine Wirkung ein, Infektionsketten würden unterbrochen.
[2][Stand Donnerstag zählte das Robert-Koch-Institut (RKI) 14,4 Millionen
Downloads], gut 17 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Nun ist herunterladen noch nicht gleich nutzen. Und wie viele derer, die
sich die App heruntergeladen haben, sie auch verwenden, und vor allem, wie
viele sich testen lassen und bei einem positiven Test selbst eine
Warnmeldung absetzen, dafür gibt es schon auf Grund der dezentralen
Architektur des Systems keine verlässlichen Daten. Es gibt aber
Anhaltspunkte dafür, dass Nutzer:innen die App nicht nur im Hintergrund
laufen haben und Warnmeldungen ignorieren, sondern sich auch testen lassen
und selber warnen.
Aufschluss geben könnte zum Beispiel die Zahl der über die Hotline
vergebenen Transaktionsnummern. Die können Nutzer:innen anfordern, um ein
positives Testergebnis in die App einzuspeisen. Das RKI gibt allerdings auf
Anfrage an, dazu noch keine Zahlen vorliegen zu haben. Eine grobe Schätzung
erlauben jedoch auch die Diagnoseschlüssel. Das sind täglich neu
generierte, zufällige Zeichenketten, aus denen die App die Kurzschlüssel
erzeugt, die alle paar Minuten mit anderen App-Nutzer:innen im Nahbereich
ausgetauscht werden.
## Am Tag 10 bis 24 gemeldete Infektionen
Die Diagnoseschlüssel, also die langen zufälligen Zeichenketten, werden,
wenn ein:e Nutzer:in sich der App als infiziert meldet, an einen Server
gesendet und einmal täglich mit den Diagnoseschlüsseln anderer positiv
getesteter Personen an alle App-Nutzer:innen verteilt. Daraus können die
Apps dann lokal errechnen, ob es einen Risikokontakt gab.
Die gemeldeten Diagnoseschlüssel sind öffentlich einsehbar. Zwar sind die
meisten Fake-Schlüssel, die aus Datenschutzgründen generiert werden. Doch
lässt sich zumindest sehr grob abschätzen, wie viele Nutzer:innen eine
Infektion über die App bekannt gegeben haben. Sehr anschaulich [3][grafisch
dargestellt] hat das der Chemiker Michael Böhme.
Demnach lag die Zahl der über die App gemeldeten Infektionen
schätzungsweise pro Tag zwischen 10 und 24. Setzt man das in das Verhältnis
zu den insgesamt ans RKI gemeldeten Infektionen, entspricht das für die
vergangenen drei Tage einem Anteil zwischen 4 und 5 Prozent. Natürlich sehr
grob geschätzt, schon alleine deshalb, weil sich hier nicht berücksichtigen
lässt, dass die Meldung auf dem konventionellen [4][Nachverfolgungsweg
vermutlich deutlich länger dauert]. Dennoch zeigt es: Die App hat
Auswirkungen.
Dabei lief ihre Entwicklung keineswegs gradlinig. Dachte
Gesundheitsminister Spahn am Anfang noch über ein Tracking per
Mobilfunk-Standortdaten nach, schwenkte er nach heftiger Kritik von
Datenschützer:innen und IT-Expert:innen auf ein datenschutzfreundlicheres
Modell um, bei dem lediglich Abstände zwischen Geräten gemessen werden. Und
es brauchte weitere Wochen, bis die Bundesregierung von dem Vorhaben einer
zentralen Datenspeicherung abrückte und auf ein dezentrales Modell umstieg.
## Viele offene Fragen
Doch es gibt weiterhin Probleme und offene Fragen: Nutzer:innen meldeten in
den vergangenen Wochen diverse Fehler. Sowohl die iOS- als auch die
Android-App haben seitdem Updates bekommen. Dennoch bleibt etwa die Kritik,
dass sie [5][auf älteren Telefonen nicht läuft] oder dass sie nicht mit
Apps zumindest aus anderen EU-Ländern kompatibel ist.
Dabei war es ja eine der Entwicklungsideen, dass Menschen bei Reisen in
andere Länder ihre Heimat-App weiternutzen können und trotzdem vor Ort bei
einem Risikokontakt gewarnt werden und andere warnen können. Zumindest ist
die deutsche App mittlerweile [6][auch in den App-Stores fast aller
EU-Länder sowie Großbritanniens, Norwegens und der Schweiz verfügbar],
sodass auch Reisende aus diesen Ländern sie in Deutschland benutzen können.
Weitere sollen laut RKI folgen, ebenso wie weitere Sprachen: Bislang gibt
es die App auf Deutsch und Englisch, in Planung sind unter anderem eine
türkische, arabische und russische Version.
Und dann wäre da noch die Sache mit der App-Pflicht. Keine gesetzliche,
sondern eine implizite, wenn etwa Betreiber:innen von Restaurants, Hotels
oder Kinos nur Menschen mit App oder, noch enger gefasst, nur Menschen, die
eine App ohne Risikokontakt vorweisen können, Eintritt gewähren. Eine
Umfrage der taz unter den 16 Verbraucherzentralen ergab: Von zehn Ländern,
aus denen bis Redaktionsschluss Antworten vorlagen, gab es in den gut zwei
Wochen seit Veröffentlichung der App immerhin einen solchen Vorfall.
## Ohne App kein Einlass?
Ein Eventveranstalter habe, so die Beschwerde laut Oliver Buttler von der
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die Installation der App als
Voraussetzung für den Zutritt zu einer Veranstaltung verlangt. Nähere
Informationen habe er noch nicht vorliegen.
Hessen berichtet von einem Fall, in dem ein bayerischer
Campingplatzbetreiber seinen Gästen empfahl, die App zu installieren.
Falls nicht, so geht es aus der „Corona-Platzordnung“ des Betreibers
hervor, müssten die Gäste sämtliche Kontakte von mehr als 15 Minuten und
mit weniger als zwei Metern Abstand schriftlich protokollieren.
Wäre es denn legal, das Vorhandensein einer App als Zugangsvoraussetzung zu
verlangen? „Es gibt derzeit keine gesetzliche Grundlage, die das erlaubt,
gerade deshalb besteht die Gefahr, dass es der ein oder andere einfach
versucht“, sagt Anne Busch-Heizmann, Referentin bei der Digitalen
Gesellschaft.
Der Verband fordert ein gesetzliches Verbot. Ebenfalls müsse geregelt
werden, dass die App mit dem Ende der Pandemie abgeschaltet werde. Und
nicht beispielsweise für die nächste Grippewelle genutzt. „Denn die Debatte
über Nutzen und Kosten so einer Anwendung müssen wir immer wieder neu
führen, da darf es keinen Automatismus geben.“
## Forderung, auf Open Source umzusteigen
Derweil wächst der [7][Druck auf den Gesetzgeber] auch von einer anderen
Seite: Mehrere Initiativen fordern unter dem Motto „Public Money, Public
Code“ schon lange, dass öffentlich finanzierte Software auch Open Source,
also unter einer entsprechenden Lizenz veröffentlicht, sein muss.
Unter anderem der digitalpolitische Verein D64, in dem auch SPD-Vorsitzende
Saskia Esken Mitglied ist, hat diese Forderung nun noch einmal anhand der
Corona-App abgeleitet. Die App müsse diesbezüglich der Maßstab für mit
öffentlichen Mitteln finanzierte Softwareprojekte in der Zukunft sein.
2 Jul 2020
## LINKS
[1] https://www.research.ox.ac.uk/Article/2020-04-16-digital-contact-tracing-ca…
[2] https://twitter.com/rki_de/status/1278617371905798144/photo/1
[3] https://micb25.github.io/dka/
[4] /Gesundheitsamt-in-der-Coronakrise/!5687813
[5] /Kompatibilitaet-von-Corona-App/!5693581
[6] https://github.com/corona-warn-app/cwa-backlog/issues/9
[7] /Debatte-um-die-Corona-App/!5681031
## AUTOREN
Svenja Bergt
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