| # taz.de -- Lukaschenko-Gegnerin über Proteste: „Weibliche Energie“ | |
| > Weltweit organisieren Auslandsbelaruss*innen Solidaritätsveranstaltungen. | |
| > Anna Shkor hat die Berliner Demonstrationen mit organisiert. | |
| Bild: Demonstration gegen die Polizeigewalt in Belarus auf dem Postdamer Platz … | |
| taz: Frau Shkor, Sie gehen mit anderen Belaruss*innen in Berlin auf die | |
| Straße. Warum ist es für Sie wichtig, Solidarität mit der Protestbewegung | |
| in Belarus zu zeigen? | |
| Anna Shkor: Wir wollen als [1][Protestierende in Berlin und Deutschland] | |
| darüber informieren, was wirklich in Belarus passiert, wir wollen die | |
| politischen Akteur*innen auf die Situation aufmerksam machen und wir wollen | |
| die Vorgänge richtig darstellen. Wir haben ja schon vor den Wahlen in | |
| Belarus angefangen zu protestieren. Wir wollten erreichen, dass unsere | |
| Wähler*innenstimmen korrekt gezählt werden. Als wir sahen, dass dies nicht | |
| passierte, und wir immer mehr Nachrichten über die Gewalt gegen die | |
| Demonstranten erhielten, war unser erster Gedanke, nach Belarus zu gehen | |
| und da zu protestieren. Dann aber wurde uns klar, dass hier in Deutschland | |
| unser Protest besser durchdringen würde. Die Solidaritätsproteste sind | |
| allerdings nur die Spitze des Eisbergs. | |
| Was unterscheidet diese Proteste denn von den Protesten nach den vorherigen | |
| Präsidentschaftswahlen in Belarus 2010? | |
| Erstens gibt es keine einzige Belaruss*in, die nicht von dem, was gerade | |
| passiert, betroffen ist. Sie oder er ist entweder selbst ein Opfer der | |
| dortigen Polizeigewalt oder [2][kennt eine Person, die verhaftet, | |
| verprügelt oder von der Polizei verletzt wurde]. Als ich nach den | |
| Präsidentschaftswahlen 2010 an den Protesten in Belarus teilnahm, hatte ich | |
| das Gefühl, dass, obwohl Lukaschenko höchstwahrscheinlich nicht so viele | |
| Stimmen bekam, wie es amtlich verkündet wurde, er immer noch tatsächlich | |
| gewonnen hatte. Dieses Mal sind sich die Leute einfach komplett sicher, | |
| dass er nicht gewonnen hat. Aber der größte Unterschied zu vielen Protesten | |
| momentan weltweit ist aus meiner Sicht, dass die Protestierenden bis jetzt | |
| keinerlei Gewalt zeigen. Es gibt zum Beispiel keine verbrannten Autos in | |
| Belarus, keine Pogrome. Dies ist ein wirklich friedlicher Protest. Deshalb | |
| sind wir zum Beispiel stark dagegen, dass dieser Protest jetzt im Land mit | |
| dem ukrainischen Maidan von 2013 und 2014 verglichen wird. | |
| Wenn man sich nun die Bilder von den momentanen Protesten genau ansieht, | |
| kann man das Gefühl bekommen, dass sie ein stark weibliches Gesicht haben. | |
| Die Frauen sind in der Protestbewegung zurzeit besonders sichtbar. | |
| Präsident Lukaschenko nennt Frauen Schafe und sagt im Ernst, dass nur ein | |
| Mann Präsident von Belarus sein kann. Natürlich sind die Frauen damit nicht | |
| einverstanden. Aber ich finde nicht, dass der Protest ein weibliches | |
| Gesicht hat. Ich denke, er hat eher weibliche Energie. Weil es um die | |
| Abwesenheit von Gewalt geht. | |
| Würden Sie das, was jetzt seit einiger Zeit in Belarus passiert, als eine | |
| Revolution bezeichnen? | |
| Für mich hat das Wort Revolution etwas mit Krieg zu tun. Während einer | |
| Revolution sind beide Seiten gewalttätig. Das ist hier nicht der Fall. | |
| Menschen aus postsowjetischen Ländern, die in Westeuropa leben, werden oft | |
| kritisiert, wenn sie von dort gegen Regierungen in ihren Heimatländern | |
| protestieren. „Warum protestiert ihr, ihr seid doch in einem sicheren Land | |
| und kehrt doch wahrscheinlich sowieso nicht mehr nach Hause zurück“, | |
| bekommen Sie dann zu hören. Was entgegnen Sie? | |
| Sowohl die Deutschen als auch die Belaruss*innen haben mich oft gefragt, | |
| ob ich zurückkehren will. Ich habe immer gesagt: Ich möchte etwas hier in | |
| Deutschland lernen und das dann in Belarus umsetzen. Wenn ich ganz ehrlich | |
| bin, glaubte ich erst mal nicht, dass es so kommen wird. Mir wurde im Laufe | |
| der letzten Jahre klar, dass das belarussische Regime das nicht zulassen | |
| würde. Jetzt aber, in diesen bewegten Tagen, habe ich die Hoffnung, dass | |
| mein Plan tatsächlich funktionieren könnte. Wir Belaruss*innen wollen die | |
| gleiche Lebensqualität wie in Deutschland. Wir wünschen uns Kommunikation | |
| mit der Polizei. Wir wollen Freiheit und Demokratie für unser Land. Ich | |
| will in meinem Heimatland leben. Ich will zurück nach Belarus. Das entgegne | |
| ich. | |
| 17 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Laletina | |
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