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# taz.de -- Aufnahme von Geflüchteten: Innenminister blockiert Länder
> Bundesinnenminister Horst Seehofer bleibt „kaltherzig“ und untersagt nach
> Berlin auch Thüringen, Geflüchtete einzufliegen. Das Land prüft eine
> Klage.
Bild: Seehofer untersagt auch Thüringen, Geflüchtete aufzunehmen
Berlin taz | Wenn der Berliner Senat am Dienstagvormittag seine Sitzung
beginnt, werden ihn Sprechchöre des Bündnisses Seebrücke begleiten. Die
Aktivist*innen haben um 9 Uhr zur Kundgebung auf dem Vorplatz des Roten
Rathauses aufgerufen. Ihre Forderung: Die Landesregierung darf sich
humanitäre Hilfe von der Bundesregierung nicht einfach so verbieten lassen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte [1][erst Berlin] und am
Freitag auch Thüringen untersagt, Sonderkontingente Geflüchteter aus
Griechenland aufzunehmen. Die beiden Länder wollten 300 beziehungsweise 500
Menschen aus überfüllten Lagern aufnehmen.
Die Möglichkeit von landeseigenen Aufnahmeprogrammen ist im
Aufenthaltsgesetz vorgesehen. Dort heißt es allerdings auch, es bedürfe zur
„Wahrung der Bundeseinheitlichkeit“ des „Einvernehmens“ mit dem
Bundesinnenministerium. Genau das aber verweigert Seehofer derzeit.
Stattdessen will er auf eine europäische Lösung warten. „Für nationale
Alleingänge stehe ich nicht zur Verfügung“, erklärte er.
Alexandra Nehmer vom Bündnis Seebrücke hält diese Begründung für eine
Farce. „Seehofer weiß genau, dass auf europäischer Ebene keine angemessene
Hilfe für Geflüchtete in Sicht ist“, sagt sie. Stattdessen nutze er das
Gesetz nun, um den Ländern bereits beschlossene Hilfe zu verbieten und
damit seine Abschottungspolitik fortzusetzen. Sie fordert die Bundesländer
Thüringen und Berlin dazu auf, notfalls zu klagen.
## Ein politisches Signal
Günter Burkhardt kennt die Situation der Geflüchteten in Griechenland. Der
Geschäftsführer von Pro Asyl ist gerade selbst auf Lesbos und nennt die
Entscheidung Seehofers „kaltherzig“. Im [2][Lager Moria], wo derzeit um die
14.000 Menschen ausharren, werde ihm bewusst, wie unzureichend selbst die
Pläne von Thüringen und Berlin seien.
Eine mögliche Klage der Länder gegen den Bund hält er für „ein wichtiges
politisches Signal“. Um den Menschen in den Lagern schnell und effektiv zu
helfen, müssten die 2.100 von den Ländern [3][zugesagten Plätze] jetzt
ausgeschöpft werden. Zusätzlich könnten Bund und Länder 3.000 bis 4.000
Geflüchteten, die Angehörige in Deutschland haben, die Einreise erlauben.
„Wir haben eine starke, aufnahmewillige Zivilgesellschaft in Deutschland,
die das ohne Probleme stemmen kann“, sagt Burkhardt.
Ob es zu einer Klage kommt, ist unklar. „Wir prüfen das derzeit“, sagt Dirk
Adams, grüner Justizminister von Thüringen. Ein möglicher Ansatzpunkt sei
die Frage, ob kleine Aufnahmeprogramme einzelner Länder tatsächlich die
„Bundeseinheitlichkeit“ gefährdeten. „Wir haben dieses Jahr aufgrund der
Coronakrise circa ein Drittel weniger Geflüchtete aufgenommen als in
vorherigen Jahren“, sagt Adams. Thüringen will über drei Jahre verteilt 500
Geflüchtete aufnehmen. Dass dies tatsächlich zu einer „Zersplitterung“ der
deutschen Migrationspolitik führe, hält Adams für fraglich.
Trotzdem hofft Adams weiter auf eine politische Lösung. Die Länder seien
bereit zu helfen. Der juristische Streit sei zwar relevant; „letztendlich
hilft er aber keinem einzigen Geflüchteten“, sagt Adams. Jetzt gelte es,
die Menschen tatsächlich nach Deutschland zu holen.
10 Aug 2020
## LINKS
[1] /Fluechtlinge-in-Moria/!5699524
[2] /Fluechtlingslager-Moria-auf-Lesbos/!5664220
[3] /Aufnahme-von-Schutzsuchenden/!5694910
## AUTOREN
Mitsuo Iwamoto
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Minderjährige Geflüchtete
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