| # taz.de -- Probleme mit Approbationen in Berlin: Steine in den Weg gelegt | |
| > Ein Zahnarzt aus Syrien darf nach drei Jahren Anstellung nicht mehr | |
| > arbeiten. Die Berufserlaubnis gilt nur drei Jahre. Über einen Berliner | |
| > Sonderweg. | |
| Bild: In Berlin ist nicht zu viel Konkurrenz durch außereuropäische Fachkräf… | |
| Berlin taz | „Nach sechs Jahren Studium und mehreren Jahren Arbeit sitze | |
| ich jetzt zu Hause und bekomme Geld vom Jobcenter“, sagt Bashar A. (Name | |
| geändert). „Das war nicht mein Ziel.“ Der Zahnmediziner aus Syrien hat | |
| bereits drei Jahre lang als angestellter Assistenzarzt in Berliner | |
| Zahnarztpraxen gearbeitet – mit einer Berufserlaubnis, die ihm das | |
| [1][Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso)] ausgestellt | |
| hatte. | |
| Doch seit mehreren Monaten ist A. nun arbeitslos – nicht, weil er entlassen | |
| wurde, sondern weil er nicht mehr arbeiten darf. Denn die Berufserlaubnis | |
| ist auf maximal drei Jahre befristet. Und eine Approbation, also die | |
| offizielle Anerkennung als Zahnarzt, will das Lageso dem aus seiner Heimat | |
| Geflüchteten nicht erteilen. | |
| Human- und Zahnmediziner unter den syrischen Geflüchteten, die seit 2014 | |
| nach Berlin kamen, müssen, wie alle Ärzte, die im außereuropäischen Ausland | |
| studiert haben, ihre Ausbildung in Deutschland einer | |
| Gleichwertigkeitsprüfung unterziehen. Das Verfahren dazu ist in jedem | |
| Bundesland anders. In Berlin ist das Lageso die zuständige Behörde, auch | |
| für die Organisation und Durchführung der Kenntnisprüfung, die die | |
| Mediziner*innen ablegen müssen, deren Ausbildung vom Lageso nicht allein | |
| aufgrund ihrer Zeugnisse und anderer Dokumente als gleichwertig anerkannt | |
| wird. | |
| In der Humanmedizin bestünden die meisten Teilnehmer*innen diese Prüfung, | |
| sagt Bassel Allozy. „Im zahnmedizinischen Bereich liegt die Durchfallquote | |
| allerdings bei 80 bis 90 Prozent.“ Es sei aber in beiden Fällen „immer ein | |
| bisschen Glückssache, bei wem man geprüft wird, denn die Prüfung ist nicht | |
| standardisiert“. Allozy stammt selbst aus Syrien, kam aber bereits als | |
| Student nach Deutschland. Heute berät der in Berlin niedergelassene | |
| Psychiater und Psychotherapeut mit seinem Verein Alkawakibi geflüchtete | |
| syrische Mediziner*innen. | |
| ## Mehr als das Vierfache an Kosten | |
| Höchstens drei Mal dürfen Ärzt*innen in Berlin an der Kenntnisprüfung | |
| teilnehmen. Wer dann nicht bestanden hat, hat nur in einem anderem Bundes- | |
| oder EU-Land noch die Chance auf Anerkennung seiner Qualifikation. Während | |
| die Kosten für die Prüfung bei den Humanmediziner*innen 450 Euro betragen, | |
| müssen Zahnärzt*innen jeweils 1.950 Euro bezahlen – mehr als das Vierfache. | |
| Das Lageso erklärt dies mit „dem hohen Aufwand, insbesondere auch | |
| Materialbedarf für die klinisch-praktischen Prüfungsteile“. | |
| Weiter teilt das Amt auf taz-Anfrage mit: „Zwischen dem 01.01.2015 und dem | |
| 31.12.2019 haben nach Auswertung der im Fachverfahren erfassten Daten | |
| insgesamt 387 Ärzte und Ärztinnen mit syrischer Staatsangehörigkeit und | |
| syrischer Ausbildung einen Antrag auf Erteilung einer Approbation | |
| gestellt.“ Für Antragsteller aus diesem Zeitraum seien 213 Approbationen | |
| erteilt worden. Von dem im selben Zeitraum eingegangenen | |
| Approbationsanträgen syrischer Zahnärzt*innen wurden demnach bislang | |
| positiv 22 beschieden: 17 Prozent gegenüber 55 Prozent bei den | |
| Humanmediziner*innen. | |
| Hier gehe es eben „nicht um Gleichwertigkeit ausländischer Qualifikationen, | |
| sondern um deutsche Arbeitsmarktpolitik“, sagt einer, der selbst im Auftrag | |
| des Senats Geflüchtete bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse berät und | |
| deshalb namentlich nicht in der Zeitung stehen will. Bei den Zahnärzten sei | |
| schlicht der Fachkräftemangel nicht so groß wie bei Humanmedizinern, die in | |
| deutschen Krankenhäusern dringend gebracht würden. | |
| In dieselbe Richtung denkt Bassel Allozy: „Wir vermuten, dass die Kammern | |
| nicht so viele neue Zahnärzte auf den Markt lassen wollen“, sagt er. Anders | |
| als bei Humanmedizinern könne bei den Zahnärzten jeder eine Praxis | |
| eröffnen, der eine Zulassung bekäme: „Und wenn viele neue Kollegen diese | |
| Möglichkeit nutzten, stiege die Konkurrenz.“ | |
| ## Zahnärztekammer mit Situation nicht glücklich | |
| Eine Nachfrage bei der Berliner Zahnärztekammer bestätigt dies allerdings | |
| nicht. Auch dort sei man mit der Situation nicht glücklich, zuständiges Amt | |
| sei jedoch das Lageso, erklärt deren Vizepräsident Michael Dreyer | |
| schriftlich: „Die Zahnärztekammer Berlin ist mit der geringen | |
| Bestehensquote bei der Gleichwertigkeitsprüfung nicht zufrieden, hat aber | |
| weder Einfluss auf das Prüfgeschehen, noch auf dessen Kosten oder auf die | |
| Wartezeiten im Rahmen des allein vom Lageso durchgeführten Verfahrens.“ | |
| Berlin sei das einzige Bundesland, bei dem die Durchführung der | |
| Gleichwertigkeitsprüfung der fachlichen Überprüfung durch die | |
| Zahnärztekammer ausgegliedert worden sei. Man bedauere das, so Dreyer, sei | |
| aber mit Versuchen, das zu ändern, „bisher nicht erfolgreich“. 84 | |
| Stellenangebote für Zahnärzt*innen in Berlin standen Ende Juli auf der | |
| Webseite der Kammer 58 Suchenden gegenüber. | |
| Bashar A. will sich nun auf die Kenntnisprüfung vorbereiten, obwohl er | |
| Angst hat, dass er, wie er es von vielen anderen gehört hat, auch erst beim | |
| dritten Versuch bestehen wird: „Dann verliere ich wieder viel Zeit!“ | |
| Prüfungstermine gibt es nur zwei Mal im Jahr. Seinen Traum, noch eine | |
| Facharztausbildung zu machen, sieht der mittlerweile Anfang 30-Jährige | |
| deshalb schwinden. | |
| Doch erneut flüchten, diesmal vor dem Lageso, kommt für ihn nicht infrage: | |
| „Ich habe Stellenangebote hier“, sagt er. Die Praxis, in der er zuletzt | |
| arbeitete, würde ihn gerne weiter beschäftigen, sagt A., eine Klinik habe | |
| ihm die gewünschte Facharztausbildung angeboten. | |
| Und in einem anderen arabischen Land arbeiten, wie A. es nach seiner Flucht | |
| aus Syrien kurz getan hat, könnte er mittlerweile auch nicht mehr: „Zwar | |
| würde meine Ausbildung dort anerkannt, aber mein syrischer Pass ist | |
| abgelaufen.“ Den kann er als anerkannter Flüchtling nicht verlängern | |
| lassen. Und auf den deutschen Pass, den A. als Berufstätiger bereits hätte | |
| beantragen können, hat er als Arbeitsloser keine Chance mehr: ein Zahnarzt | |
| in der Sackgasse. | |
| 8 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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