Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Kultivierte Kommunikation am Arsch
> Warum nicht den Champagner auf Latein bestellen? Eine
> universalgelehrtenaffine Sprache könnte den Alltag sehr viel klingender
> gestalten.
Der Weg zur Universalgelehrten ist lang und steinig. Um möglichen
Kommunikationspartnern gegenüber mein Ziel zu verdeutlichen, habe ich jetzt
jedoch ein paar neue, meiner Ansicht nach besonders kultiviert klingende
Begriffe in den aktiven Wortschatz aufgenommen.
Zum Beispiel reserviere ich für zwei Freundinnen und mich in der Pizzeria
nicht mehr „einen Tisch für drei “, sondern antworte auf die Frage, wie
viele Personen speisen wollen: „Jenni selbdritt.“
Selbdritt, wir designierten Universalgelehrten wissen das, bedeutet „zu
dritt“ und stammt aus der christlichen Ikonografie, auf den „Anna
selbdritt“-Gemälden ist Anna, die Mutter Marias, zu dritt beziehungsweise
mit zwei weiteren Personen zu sehen – ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn.
(Der Berliner Band Stereo Total würde die Textzeile „Ich liebe Liebe
selbdritt“ ebenfalls vorzüglich stehen.)
Überdies benutze ich verstärkt Fremdwörter, auch wenn das auf den ersten
Blick deplatziert, kontraindiziert oder inadäquat erscheinen mag – sie
klingen notabene schlichtweg ingeniöser.
Inhaltlich halte ich mich in Diskussionen eh verstärkt an
universalgelehrtenaffine Sujets, etwa die Frage nach der Authentizität von
Luthers Tintenfleck, den der Theologieprofessor bei einem Wurf mit seinem
Tintenfass nach dem Teufel, der ihn im Winter 1521/1522 auf der Wartburg
heimsuchte, verursacht haben soll: Der Fleck ist natürlich echt, denn dass
ein Tintenfass bei einer Kollision mit Hörnern zerbricht, ist nur logisch.
Gern bringe ich auch Theorien über den oder die Hersteller der
Himmelsscheibe von Nebra zu Papier (meine Ansicht differiert zu der in der
Wissenschaft üblichen, der bestattete Fürst des Grabhügels von Bornhöck sei
der Herr der Himmelsscheibe – ich kann nämlich beweisen, dass sie von einem
Aunjetitzer Kind mit einem kleinen steinernen Spielklotz in die Platte
gekloppt wurde, bei einer bronzezeittypischen Version von „Punkt, Punkt,
Komma, Strich“).
Mit Aplomb werfe ich zudem in letzter Zeit en passant Gallizismen in die
Welt, vor allem das Wort „Champagner“ (für „Getränk“) nutzte ich tant…
fois, eigentlich toujours. Ich glaube nämlich, dass quod licet iovi, non
licet bovi, und Latein kann ja heutzutage eh jeder Comicfreak.
Aus meiner Handtasche lugt zusätzlich neuerdings meist eine (zu seinem 100.
Geburtstag als süße Taschenbuchversion erschienene) Ausgabe von Hans
Blumenbergs Schrift „Paradigmen zu einer Metaphorologie“ heraus, ich habe
das Büchlein ordentlich mit Eselsohren versehen, damit es gelesen wirkt.
Und unter meine Mails habe ich ein neues Aperçu gesetzt, das die
Intentionen unterstreicht: Früher stand da: „Seltsam? Aber so steht es
geschrieben.“ Heute zitiere ich Oscar Wilde: „Oft führe ich lange
Selbstgespräche, und ich bin so gescheit, dass ich von dem, was ich sage,
manchmal kein einziges Wort verstehe.“ Ich bin aber nicht ganz sicher, ob
ich das richtig verstanden habe.
7 Aug 2020
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Sprache
Kommunikation
Alltag
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Claude Monet
Kolumne Die Wahrheit
Automobilbranche
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Der Enkelstrick
Alle Welt warnt vor dem Enkeltrick, dabei muss die finstere Energie der
Kinder nur umgeleitet werden in eine grandiose Geschäftsidee…
Die Wahrheit: Nase pudern, ohne einzuatmen
In der Werbung finden derzeit seltsam widersprüchliche Dinge statt. Manche
Marken möchten sich unbedingt in Verruf bringen.
Die Wahrheit: Es saugt und bläst der Milliardär
Was macht eigentlich der Erfinder des beutellosen Staubsaugers in seinem
Hochhaus-Apartment, wenn die Kinder mal den Schlüssel vergessen haben?
Die Wahrheit: Kunst ohne Kontaktlinsen
Claude Monet war wohl doch nicht der Ernstler, als der er gern dargestellt
wird. Der Impressionist war eher eine wundervolle Hurratüte.
Die Wahrheit: Bedenke die Getränkegeschenke
Was schenkt man einer Dame von Welt, die eh schon alles hat? Ein Gläschen
in Ehren, denn das kann auch sie nicht verwehren.
Die Wahrheit: Die Welt braucht das Rückwärtsauto
Die Zeit steht still. Wer noch ein bisschen an der Dimensionsschraube
drehen möchte, kann sich bald in ein neues Gefährt setzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.