# taz.de -- Neues Buch von Gustav Horn: Wirtschaft gegen rechts | |
> Der Ökonom Gustav Horn will einem gefühlten Kontrollverlust | |
> „gegensteuern“. So auch der Titel seines neuen Buches. | |
Bild: Rät zu einer Renaissance des Lokalen: Autor Gustav Horn | |
Gustav Horn selbst nennt seine Schrift ein „Buch des Übergangs. Politisch, | |
wirtschaftlich und persönlich“. Als Chef des gewerkschaftsnahen Instituts | |
für Makroökonomie war er bis 2019 einer der präsentesten | |
Wirtschaftsforscher Deutschlands. Nun engagiert er sich als Lokalpolitiker | |
im brandenburgischen Bad Belzig und sitzt im SPD-Bundesvorstand. Mit seinem | |
Buch „Gegensteuern. Für eine neue Wirtschaftspolitik gegen Rechts“ | |
unternimmt Horn den doppelten Versuch, ein konsistentes Konzept gegen den | |
Rechtspopulismus zu entwickeln und dieses in das Programm der SPD für die | |
Bundestagswahl 2021 einzuspeisen. | |
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Horn versteht sich gut mit dem | |
[1][SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans], weshalb der Ökonom seit März | |
2020 auch den neuen wirtschaftspolitischen Beirat leitet, der die | |
Parteispitze berät. | |
In „Gegensteuern“ beschreibt Horn, Jahrgang 1954, den Neoliberalismus als | |
eine wesentliche Ursache für das Erstarken der Rechtspopulisten nicht nur | |
in Deutschland. „Das Gefühl, zurückgelassen zu werden, ist realistisch.“ | |
Die Angst vor dem Wandel sei verständlich, wenn man die Politik seit den | |
1980er Jahren und ihre Ergebnisse betrachte: die neue „asymmetrische“ | |
Machtverteilung zugunsten der Unternehmen und zulasten der Bürger*innen, | |
eine Globalisierung, die die Gestaltungsmöglichkeiten der Staaten | |
geschwächt habe, und die zunehmende Schere zwischen Reich und Arm. | |
Dem will Horn eine Wirtschaftspolitik entgegensetzen, die „den | |
Kontrollverlust überwindet“. „Neo-Etatismus“ nennt der Autor seinen Ansa… | |
Er fordert die Politik auf zu demonstrieren, dass der Staat etwas bewirken | |
und die Lebensqualität der Bürger*innen verbessern kann. Vor allem auf drei | |
Feldern will er dieses Programm umsetzen. | |
Damit das Gefühl der Heimatlosigkeit und Entwurzelung nicht weiter um sich | |
greift, rät er erstens zu einer Renaissance des Lokalen. Als aktiver | |
Lokalpolitiker fordert er mehr Befugnisse für Gemeinde- und | |
Stadtparlamente. Das Planungsrecht will er vereinfachen, damit die Anliegen | |
der örtlichen Bevölkerung schneller realisiert werden. | |
Mehr Bürgerbeteiligung ermöglichen | |
Die Landesmedienanstalten sollen privaten Lokaljournalismus öffentlich | |
fördern, damit der demokratische Diskurs nicht zum Erliegen kommt. Arme | |
Städte will Horn entschulden und den Kommunen insgesamt einen größeren | |
Anteil an den Steuereinnahmen zur Verfügung stellen. | |
Zweitens plädiert er für ein „kommunikatives Band zur Zivilgesellschaft“. | |
Mehr Bürgerbeteiligung auch digitaler Art soll die Mitwirkung in | |
Diskussions- und Entscheidungsprozessen der Parteien und Verwaltungen | |
ermöglichen. Schließlich fordert der Autor eine deutliche proeuropäische | |
Politik. Weil die Nationalstaaten angesichts der Globalisierung überfordert | |
seien, müsse neue soziale Sicherheit auf europäischer Ebene organisiert | |
werden. Etwa durch eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung der EU-Staaten | |
und eine ausgeweitete Kompetenz der Europäischen Zentralbank, die im Falle | |
von Wirtschaftskrisen den Mitgliedern ausreichend Geld zur Verfügung | |
stellen muss. | |
Mit dem Motiv des gefühlten Kontrollverlusts hat der Autor eine wichtige | |
Ursache für den Aufstieg der Rechten benannt, wobei er die wirtschaftlichen | |
und sozialen Wurzeln dieses Phänomens wohl überbewertet. Andere Quellen | |
kommen in der Analyse zu kurz, etwa die mangelnde Verarbeitung des | |
Nationalsozialismus in der DDR oder die grundsätzliche Ablehnung moderner | |
Lebenswelten und Bedürfnisse – neuer sexueller Orientierungen, Ökologie, | |
ethnischer Vielfalt. | |
Die Angst vor der Entgrenzung, die AfD-Wähler*innen umtreibt, ist tiefer | |
und breiter verwurzelt, um ihr mit einem primär wirtschaftspolitischen | |
Entwurf erfolgreich zu begegnen. Einen guten Aufschlag stellt das Buch | |
trotzdem dar. | |
31 Jul 2020 | |
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[1] /Kampf-um-den-SPD-Vorsitz/!5638590 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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