# taz.de -- Gesetzentwurf gegen Drohungen: Listen mit Suggestiv-Charakter | |
> Die Große Koalition will die Veröffentlichung von Feindeslisten | |
> bestrafen. Ein erster Gesetzentwurf zeigt, wie heikel das Vorhaben ist. | |
Bild: Von ihr fehlt noch ein Vorschlag zur Strafnorm bei Feindeslisten: Justizm… | |
KARLSRUHE taz | Die Große Koalition will im Herbst erneut das Strafrecht | |
verschärfen. Erstmals soll es dann unter Strafe gestellt werden, sogenannte | |
„Feindeslisten“ zu veröffentlichen. Das Vorhaben ist zwar keine Reaktion | |
auf die Drohbriefe vom sogenannten [1][“NSU 2.0“], doch die derzeitige | |
Stimmung dürfte für weitere Strafrechtsverschärfungen günstig sein. | |
Als „Feindeslisten“ oder „Todeslisten“ werden bisher vor allem Namens- … | |
Adresssammlungen bezeichnet, die [2][von Rechtsextremisten angelegt werden] | |
und deren politische Gegner erfassen. Die NSU-Terroristen hatten eine | |
solche Liste verfasst, ebenso der Ex-Bundeswehr-Soldat Franco A., der im | |
Herbst wegen Terrorvorbereitungen vor Gericht stehen wird. Auch die | |
Nordkreuz-Gruppe, die sich in Mecklenburg-Vorpommern auf einen „Tag X“ | |
vorbereitete, sammelte Adressen von vermeintlichen Feinden. | |
Ein spezielles strafrechtliches Verbot forderte als Erstes das | |
Bundeskriminalamt (BKA) im Oktober 2019. Auch Innenminister Horst Seehofer | |
(CSU) unterstützte die Forderung. In den [3][Gesetzentwurf gegen | |
Hasskriminalität] vom März dieses Jahres wurde dann aber keine | |
entsprechende Strafnorm aufgenommen. Vielmehr wurde seitens der | |
Bundesregierung zunächst behauptet, die verschärfte Bestrafung der | |
Bedrohung erfasse auch Feindeslisten. Das stimmte aber nicht, da die | |
Aufstellung einer Feindesliste nicht zwingend die Androhung von Straftaten | |
enthält. | |
Die CDU/CSU drängte deshalb koalitionsintern, doch noch einen speziellen | |
Tatbestand gegen Feindeslisten einzuführen. Die SPD zeigte sich | |
grundsätzlich offen, warnte aber vor Schnellschüssen. So wurde das Gesetz | |
gegen Hasskriminalität Mitte Juni ohne eine entsprechende Norm beschlossen. | |
Hauptinhalt war die Einführung einer Anzeigepflicht für soziale Netzwerke. | |
Diese müssen ab nächstem Jahr strafbare Hasspostings nicht nur löschen, | |
sondern auch dem BKA melden. | |
## Interne Listen bleiben legal | |
Der Vorschlag der CDU/CSU für eine Strafnorm gegen Feindeslisten umfasst | |
vier Tatbestandsmerkmale: Erstens müssen personenbezogene Daten | |
zusammengetragen werden. Zweitens müssen diese veröffentlicht werden. | |
Drittens muss dies geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Und | |
viertens muss die Liste subjektiv dazu bestimmt sein, die Bereitschaft von | |
anderen zu fördern, gegen die in der Liste genannten Personen Straftaten zu | |
begehen. | |
Damit würden allerdings keine Feindeslisten erfasst, die Extremisten nur | |
intern anfertigen und aufbewahren. Der Union geht es um die öffentliche | |
Einschüchterung, wie zum Beispiel durch die im Internet kursierende Liste | |
#WirKriegenEuchAlle. | |
Die Straftaten, die durch die Liste ausgelöst oder gefördert werden sollen, | |
müssen nach dem Entwurf keine Gewalttaten sein, es würden schon | |
Beleidigungen genügen. | |
Auch eine ausdrückliche Aufforderung, Straftaten zu begehen, soll nicht | |
erforderlich sein; denn dafür gibt es bereits andere Strafnormen. Die | |
Förderung von Straftaten muss also irgendwie anders suggestiv bewirkt | |
werden. Dies ist sicher der heikelste Punkt des Gesetzentwurfs. Hier | |
müssten Ermittler und Gerichte künftig Absichten in einen Text hineinlesen, | |
die eben nicht explizit genannt werden. | |
Die rechtspolitischen Sprecher Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) und Johannes | |
Fechner (SPD) sind sich einig, dass die neue Strafnorm nicht die | |
Pressefreiheit und auch nicht die Tätigkeit von NGOs einschränken soll. | |
Nicht jede Liste mit Rassisten oder Umweltsündern solle künftig bestraft | |
werden. Die Abgrenzung wird aber schwierig sein. | |
Die Koalition will im September konkrete Verhandlungen über die neue | |
Strafnorm aufnehmen. Bis dahin soll auch das Bundesjustizministerium einen | |
Vorschlag vorlegen. | |
30 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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