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# taz.de -- Kriminalität in den USA: In den Städten fließt Blut
> Die Zahl der Tötungsdelikte steigt in den meisten Großstädten der USA in
> diesem Jahr deutlich an. Ein Grund dafür könnte die Corona-Pandemie sein.
Bild: Keine Seltenheit in Chicago: Polizeiermittlungen nach einer Schießerei
WASHINGTON taz | In den frühen Morgenstunden des 29. Juni lag der
vierjährige LeGend Taliferro schlafend in seinem Bett. Aus dem Nichts
fielen Schüsse. Der Junge wurde getroffen und verstarb kurze Zeit später im
Krankenhaus an den Folgen der Schussverletzung.
„Vergangene Nacht brachte eine Familie ihr vierjähriges Kind zum letzten
Mal ins Bett“, sagte Kansas Citys Polizeichef Rick Smith nach der
Gewalttat. „So etwas sollte in unserer Stadt niemals passieren. Dieser
tragische Tod sollte jeden in unserer Gemeinschaft zum Handeln anregen.“
Mit gerade einmal vier Jahren ist Taliferro das bisher jüngste Mordopfer in
Kansas City in diesem Jahr. Die Stadt im US-Bundesstaat Missouri ist auf
dem besten Weg, einen neuen Negativrekord aufzustellen. Über 100
Tötungsdelikte zählte die Stadt in den ersten sechs Monaten des Jahres und
damit bereits 40 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2019.
Aber Kansas City ist kein Einzelfall in den Vereinigten Staaten. Auch in
Atlanta, Chicago, New Orleans oder Washington steigt die Zahl der
Schießereien und Gewalttaten. Unter den Opfern finden sich auch immer
wieder Kinder und Jugendliche.
## Chicago wird eine blutige Stadt
Im New Yorker Stadtteil Brooklyn starb vor etwas mehr als einer Woche ein
einjähriger Junge in seinem Kinderwagen. Unbekannte Täter eröffneten ohne
Vorwarnung das Feuer auf eine Menschengruppe, die sich in der Nähe eines
Spielplatzes zum Grillen getroffen hatten.
Eine Recherche der New York Times zeigte kürzlich, dass sich eine Reihe von
US-amerikanischen Städten mit steigenden Mordzahlen konfrontiert sehen. Die
Zeitung analysierte 25 Städte mit mindestens 250.000 Einwohnern. Das
Ergebnis ist ein Anstieg von 16,1 Prozent über alle untersuchten Städte
hinweg. Nur in fünf der 25 Städte war die Zahl der Tötungsdelikte
rückläufig.
„Aus der windigen Stadt [„Windy City“, der Spitzname von Chicago] wird die
blutige Stadt“, sagte Pfarrer Michael L. Pfleger gegenüber der New York
Times nach einem Wochenende [1][mit vielen Toten und Verwundeten in
Chicago]. „Ich habe noch nie Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Wut in
einem solchen Ausmaß erlebt.“
Mehr als 330 Menschen wurden in der drittgrößten Stadt der USA im ersten
Halbjahr ermordet. Das sind fast doppelt so viele wie in New York (176
Tötungsdelikte). Und das, obwohl Chicagos Einwohnerzahl nur etwa einem
Drittel der New Yorks entspricht.
Was steckt hinter dieser besorgniserregenden Entwicklung? Zunächst einmal
gilt es festzuhalten, dass [2][Kriminalitätsraten] in den Sommermonaten
immer etwas ansteigen. Dies haben diverse Untersuchungen gezeigt. Aber
dieser Sommer ist anders: Es gibt die Lockdownmaßnahmen der Coronapandemie
samt ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Und die
verändern auch die Kriminalitätsstatistiken.
## Niemand kennt Gründe für Gewalt
Laut einer [3][kürzlich veröffentlichten Studie] bedeuten
Lockdown-Lockerungen nicht nur eine langsame Rückkehr zu alter Normalität,
sondern sie bieten auch Gelegenheiten für Verbrecher und Gewalttäter.
Richard Rosenfeld, Kriminologe an der University of Missouri – St. Louis
und Co-Autor der Studie, sagt gegenüber CNN, es gebe klare Hinweise, dass
die steigende Zahl von Gewalttaten teilweise mit der Wiedereröffnung von
Restaurants und Geschäften zusammenhängt.
Ein weiterer Faktor könnte der Vertrauensverlust in staatliche
Institutionen wie die Polizei sein, besonders nach dem gewaltsamen Tod
George Floyds durch einen Polizisten in Minneapolis. Auch die
[4][anhaltenden Proteste gegen Rassismus und Polizeibrutalität] könnten zu
mehr Gewalt führen. In den Jahren 2015 und 2016 stieg die Mordrate in den
USA an, als viele Amerikaner auf die Straße gingen, so die Studie.
„Die Wahrheit ist, wir wissen es nicht“, sagte Phillip Atiba Goff,
Geschäftsführer für das Center for Policing Equity, im Gespräch mit der New
York Times.
Für US-Präsident Donald Trump hingegen ist klar, wer Schuld am Anstieg der
Gewalt hat – für ihn sind es die demokratischen Bürgermeister und
Gouverneure, die nicht hart genug durchgreifen, sowie deren Rufe nach
Kürzungen von polizeilichen Finanzmitteln. Dies habe zu „einer Explosion
von Schießereien, Totschlag, Mord und schrecklichen Gewaltverbrechen
geführt“, sagte Trump am Mittwoch. „Dieses Blutvergießen muss enden. Dies…
Blutvergießen wird enden.“
24 Jul 2020
## LINKS
[1] /Streit-ueber-Bundestruppen-in-den-USA/!5703576
[2] /Polizeiliche-Kriminalitaetsstatistik-2019/!5673862
[3] https://craftmediabucket.s3.amazonaws.com/uploads/COVID-19-Homicide_061520_…
[4] /Die-neue-Buergerrechtsbewegung-in-den-USA/!5696434
## AUTOREN
Hansjürgen Mai
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USA
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