# taz.de -- Antidopinggesetz der USA: Streit unter Saubermachern | |
> Die USA planen ein Gesetz, mit dem auch Funktionäre aus dem Ausland | |
> verfolgt werden können. Gedroht wird auch der Weltantidopingagentur. | |
Bild: Gewichtheben, ein behelligter Sport mit unbehelligten Funktionären, hier… | |
Die Antidopingwelt ist in Aufruhr. Die USA wollen die finanzielle | |
Unterstützung der Weltantidopingagentur Wada einstellen oder zumindest | |
kürzen. Parallel liegt dem US-Kongress ein scharfes Antidopinggesetz zur | |
Abstimmung vor. Es würde US-Ermittlern auch den Einsatz gegen Hintermänner | |
und Dopingnetzwerker aus dem Ausland ermöglichen. Die Wada wiederum, | |
oberste Antidopinginstitution in globalem Maßstab, ist gegen das Gesetz. | |
Verrückt. | |
Aufklärung kann [1][Travis Tygart] bringen. Der Chef der | |
US-Antidopingagentur Usada ist so etwas wie der meistdekorierte | |
Antidopingjäger. Seine Ermittler brachten den Radler [2][Lance Armstrong] | |
zur Strecke, hoben das Balco-Labor aus, das Dopingpräparate für die | |
Leichtathletikstars um Marion Jones herstellte. Auch die Machenschaften im | |
Nike Oregon Project der Lang- und Mittelstreckenläufer wurden aufgedeckt. | |
Tygart selbst ist nicht glücklich über die angedrohten Kürzungen. „Wir alle | |
wollen mehr Geld, niemand will weniger“, sagte er der taz. „Aber wir wollen | |
nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen weitermachen“, betonte er auch. | |
Tygart wirft der Wada ein zu langsames Reformtempo vor. Als entscheidende | |
Kritikpunkte nennt er: „unzureichende Athletenbeteiligung, Unabhängigkeit | |
und Transparenz“. Das hatte auch ein Bericht des Büros für Nationale | |
Drogenkontrollpolitik der US-Regierung (ONDCP) angemahnt. | |
Die Wada wehrte die Kritik ab. Gegenüber der taz betonte ein Wada-Sprecher, | |
dass die Reformen im beschlossenen Tempo vorangingen: „Ein | |
Athletenvertreter sitzt bereits stimmberechtigt im Exekutivkomitee der | |
Wada. In jedem anderen Komitee sitzt mindestens ein Athletenvertreter.“ Das | |
ist ein Fortschritt. In der Vergangenheit hatten Athletensprecher und | |
-sprecherinnen immer wieder Frustration über mangelndem Einfluss geäußert. | |
Die kanadische Skilangläuferin Beckie Scott, vier Jahre lang Vorsitzende | |
der Wada-Athletenkommission, verabschiedete sich im vergangenen Jahr mit | |
einem Appell für mehr Transparenz und mehr Gehör auch von kritischen | |
Stimmen. Um Reformen in dieser Richtung weiter voranzutreiben, drohen die | |
Washingtoner Drogenjäger des ONDCP mit der Kürzung der jährlich 2,7 | |
Millionen Dollar Zuwendung an die Wada. Man kann darüber streiten, ob | |
Subventionsentzug das beste Mittel zur Beschleunigung von Reformen ist. Das | |
ist aber zumindest der Hintergrund dieses Streits. | |
Zweiter Streitpunkt ist der „Rodchenkov Act“. Der Gesetzentwurf, benannt | |
nach dem Kronzeugen im russischen Dopingskandal [3][Grigori Rodtschenkow] | |
sieht Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren und Geldstrafen bis zu 1 | |
Million Dollar für Hintermänner im Doping vor. Usada-Chef Tygart erläutert | |
den Wert des Gesetzes mit dem jüngsten Skandal im Gewichtheben. Der Ungar | |
Tamás Aján führte 45 Jahre lang den Internationalen Gewichtheberverband, | |
erst als Generalsekretär, dann als Präsident. „Wie der McLaren-Report | |
herausfand, unterschlug Ajan 10 Millionen Dollar und vertuschte 40 | |
Dopingfälle. Dann geht er einfach in den Ruhestand, ohne dass er sich für | |
seine Taten verantworten muss.“ Diese Art Straflosigkeit für Funktionäre | |
könne das neue Gesetz beenden. | |
## Ende der Straflosigkeit für korrupte Funktionäre | |
Der Fall Ajan hat eine noch pikantere Komponente. Der als | |
Dopingvertuscher aktive Sportfunktionär war Mitgründer der Wada und saß von | |
1999 bis 2017 in deren Stiftungsrat. Tygart vergleicht diese Konstellation | |
gern mit „dem Fuchs, der den Hühnerstall bewacht“. | |
Die Wada kritisiert, dass der US-Gesetzentwurf die internationale | |
Antidopinggesetzgebung in ein Chaos brächte. Tatsächlich würden sich Teile | |
von nationaler und internationaler Gesetzgebung überlagern. | |
Die Vorteile, die der Rodchenkov Act bietet, liegen ebenfalls auf der Hand: | |
ein Ende der Straflosigkeit für korrupte Sportfunktionäre. Die Nationale | |
Antidopingagentur Deutschlands (Nada) lehnt deshalb das Gesetz nicht | |
pauschal ab, sondern mahnt zur Kooperation. „Welche möglicherweise | |
gravierenden Auswirkungen dieser ausgedehnte Anwendungsbereich für andere | |
Länder haben kann, ist derzeit nicht absehbar. | |
Im Sinne einer international möglichst einheitlichen Antidoping-Arbeit ist | |
es aus unserer Sicht deshalb wichtig, die Rechtsfolgen des sogenannten | |
Rodchenkov Acts vor Inkrafttreten des Gesetzes in den internationalen | |
Antidoping-Gremien, wie dem Europarats und der Wada, umfassend und | |
transparent zu erörtern und mögliche Kooperationsmodelle, zum Beispiel | |
zwischen den USA und Europa, frühzeitig festzulegen“, teilt die Nada mit. | |
Da ist sie als nationalen Organisation offensichtlich weiter, als die | |
internationale Dachorganisation. Es gibt also noch einiges aufzuräumen im | |
Antidopingbusiness. Die Zeit drängt. Der Rodchenkov Act soll in diesem Jahr | |
verabschiedet werden. | |
17 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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