# taz.de -- Neues Album von Sam Prekop: Strukturierendes Satzzeichen | |
> Auf seinem neuen Album „Comma“ verschränkt US-Künstler Sam Prekop | |
> Popsongs mit eleganten modularen Synthesizer-Skulpturen. | |
Bild: Lights, Camera, Action: US-Musiker Sam Prekop | |
Zufall ist ein Element, dem improvisierende Musiker_innen eher | |
zurückhaltend gegenüberstehen. Vielmehr bedeutet die Konzentration auf den | |
Moment, dass sie Entscheidungen treffen: Wann sie spielen oder sich | |
gegenseitig zuhören, welchen Klang sie mit welchen Mitteln erzeugen wollen. | |
Ein ausgeprägtes Zeitempfinden gehört dazu. Was aber, wenn ein Instrument | |
nicht so tönt, wie beabsichtigt und seine Spielzüge nicht restlos | |
vorhersehbar ist? | |
Für die Verbindung von Improvisation und Zufallsoperationen, die | |
elektronischen Instrumenten eigen sind, finden nur wenige Ausdrucksformen, | |
die auch künstlerisch überzeugen. Eine herausragende Ausnahme ist der | |
US-Komponist und Musiker [1][George Lewis], der schon seit langer Zeit kein | |
Problem damit hat, seine akustischen Instrumente von Computerprogrammen | |
steuern zu lassen. Die Offenheit für solche Experimente findet man eher in | |
der zeitgenössischen Musik als bei Jazzmusiker_innen. | |
In Chicago, woher Lewis stammt, ist das seit jeher anders. Deshalb hält | |
auch [2][Sam Prekop] nicht viel von Genrezuschreibungen. Geboren 1964 in | |
London, ist Prekop in Chicago aufgewachsen. Pilsen, das Stadtviertel, in | |
dem er heute lebt, wurde seit dem 19. Jahrhundert von europäischen | |
Einwanderern und US-Amerikaner_innen aus Lateinamerika geprägt. Prekop ist | |
Gründungsmitglied, Gitarrist und Sänger der Indie-Popband [3][The Sea and | |
Cake], deren Mitglieder seit Mitte der 1990er auch in Postrock, Jazz und | |
experimenteller Zusammenhängen frei flottieren. | |
## Vorwärts rollende Grooves | |
Seit Ende der Neunziger veröffentlicht Prekop auch Solo-Alben. Auf seinem | |
Debüt von 1999 spielt er Klavier und Gitarre und singt seine | |
Eigenkompositionen mit zarter Stimme, gebettet auf vorwärts rollenden | |
Grooves. Diesen Ansatz hat er auf dem zweiten Album, eingespielt mit dem | |
gleichen Personal, perfektioniert. Jeder Song entfaltet eine eigene | |
Stimmung, mit eleganten Referenzen an Soul, Bossa Nova und einem Hauch von | |
Dancefloor, stets getragen von Chad Taylors Schlagzeug und Josh Abrams’ | |
Bass, die das rhythmische Rückgrat zugleich prägnant und gelassen | |
ausfüllen. | |
Wie schon bei Alben von The Sea and Cake speiste John McEntire hier | |
Synthesizer ein und mixte das Album. Deshalb begann auch Prekop Anfang der | |
2000er Jahre, mit modularen Synthesizern zu experimentieren und legte 2010 | |
schließlich sein erstes Synth-Album „Old Punch Card“ vor. Darin verlässt … | |
die Songstruktur und lässt stattdessen die Klänge bestimmen, welchen Raum | |
sie zur Entfaltung brauchen. | |
Zufall ist dabei kein Störmoment – weil er dem Instrument innewohnt, ist | |
Prekop eher Arrangeur denn Komponist und stellt sich selbst als Rad in | |
dieses Getriebe. Auf „The Republic“ wiederum tritt Prekop deutlicher als | |
Lenker in Erscheinung. Einen Teil der Stücke kreierte er für eine | |
Videoinstallation des Künstlers David Hartt, der andere manifestiert | |
bestimmte Klänge in serieller Form. | |
## Treibende Druckwellen | |
Auf seinem neuen Werk, „Comma“, ist nun alles zurück: die Brüche und | |
Kontraste, die Verspieltheit vom Kinderlied bis zur Ambient-Hymne, die | |
irrlichternden Schichten, die treibenden Druckwellen. Als Singer-Songwriter | |
gelingt es Prekop, das Vergnügen am Ausloten von Vorder- und Hintergrund, | |
an Melodien als Trigger für Emotionen in die elektronische Sphäre zu | |
übertragen. Und zwar, ohne den Zufallsfaktor des Instruments einzuebnen, | |
sondern als Handreichung zur Improvisation zu nutzen. | |
Entscheidend für die Wahrnehmung der einzelnen Stücke als Songs ist auch | |
die Verwendung von Drum Machines: als rhythmische Grundierung, | |
komplementären Puls zu ungerichteten Signalen oder als ihr Verstärker. Sie | |
simulieren kein Schlagzeug, sondern unterstreichen die Artverwandtschaft | |
mit dem Synthesizer in ihrer Daseinsform als Apparate. Das Titelstück | |
„Comma“ ist ein schneller Ritt durch unregelmäßige Rhythmen, die verschob… | |
aufeinandertreffen und so Spannung erzeugen für die pochenden Geräusche und | |
Klangflächen. Ein Stück wie „Park Line“ macht sich gut für eine Radfahrt | |
bei hohem Tempo, mit „The New Last“ klingt eine durchtanzte Nacht im | |
Morgengrauen aus. | |
Die Verkettung repetitiver Strukturen wie in [4][„Circle Line“] und | |
„Approaching“ erinnert an Laurie Spiegel. Wie viel der Elektronikpionierin | |
in Sam Prekop steckt, mögen Exegeten bitte an anderer Stelle aufzeigen. | |
Auch wenn Prekops neues Album als in sich stimmiges [5][Werk] über | |
Lautsprecher oder Kopfhörer bestens rezipiert werden kann, ist betrüblich | |
zu wissen, dass der technische Aufwand einem Live-Konzert entgegensteht. | |
Nur selten können Zuschauer_innen Prekops Modularisierung von Liedern im | |
Zeichen der Improvisation in einer Bühnensituation nachvollziehen. | |
Bleibt noch der Hinweis, dass Prekop, Absolvent des Art Institute of | |
Chicago, eher eine Verbindung zwischen seiner Musik und seiner Malerei | |
zieht als zu seiner Fotografie. Weshalb die Beschreibung der Musik als | |
Klanglandschaften auch Sinn macht, deren farbliche Ausgestaltung und | |
Pinselführung den Hörenden aber selbst überlassen bleibt. | |
Das titelimmanente Komma dürfte also kein Zufall sein: Als Werk steht das | |
neue Album für sich, aber in der Laufbahn Prekops für eine Etappe, der | |
hoffentlich weitere folgen. | |
10 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Auftakt-fuer-das-Jazzfest-Berlin/!5247398/ | |
[2] /Experimente-am-Synthesizer/!5203202/ | |
[3] /Neues-Album-von-The-Sea-And-Cake/!5072719/ | |
[4] https://samprekop.bandcamp.com/track/circle-line | |
[5] /The-Sea-and-Cake-mit-Album-und-Tour/!5509524/ | |
## AUTOREN | |
Franziska Buhre | |
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