# taz.de -- Die Wahrheit: Brunnen voller Bier | |
> Es gibt kein Bier auf Hawaii – und keines auf den Inseln Irlands und | |
> Britanniens. Denn wegen Corona musste alles weggeschüttet werden. | |
Bild: Ire beim Zahnarzt | |
Das schöne Bier! Seit vergangenem Montag dürfen die Pubs in Irland zwar | |
wieder öffnen, wenn sie eine anständige Mahlzeit servieren, aber die | |
Bierfässer haben die lange Zeit der Dürre nicht überstanden. | |
Die Wirte hatten sich rechtzeitig für den St. Patrick’s Day am 17. März mit | |
reichlich Stoff eingedeckt, denn an dem Tag bleibt normalerweise keine | |
irische Kehle trocken. Dann kam zwei Tage vor dem Nationalfeiertag | |
plötzlich der Schließbefehl. Bier hält sich aber nur zwei Wochen, wenn das | |
Fass angebrochen ist. Selbst ein neues Fass muss nach drei bis vier Monaten | |
ausgetrunken sein. | |
Es gibt mehr als 8.000 Wirtshäuser auf der Insel. Jedes bietet im Schnitt | |
zehn Fassbiere an und hat pro Sorte einige Fässer in Reserve. Ein Fass | |
enthält 50 Liter. Das ganze Ausmaß des Grauens kann man sich leicht | |
ausrechnen. | |
Eigentlich wollten die Brauereien die Fässer zurücknehmen, doch dann | |
ordnete die Regierung mehr oder weniger Stubenarrest an, so dass die | |
Brauereilastwagen auf dem Hof bleiben mussten. Millionen Liter des edlen | |
Gesöffs mussten deshalb vernichtet werden. Aber wie? Tausende Freiwillige | |
wollten dabei helfen, aber das kam wegen der Restriktionen nicht in Frage. | |
So musste man das edle Gesöff wegschütten. Ein Teil wurde verwendet, um | |
Felder damit zu düngen – zur Freude der irischen Fauna. Die meisten Tiere | |
sind nämlich genauso scharf auf Bier wie die zweibeinigen Inselbewohner, | |
von denen jeder fast 100 Liter im Jahr trinkt. Mit manchen Tieren, ebenso | |
wie mit manchen Menschen, ist allerdings nicht zu spaßen, wenn sie | |
betrunken sind. Waschbären zum Beispiel. Neulich musste die Polizei | |
eingreifen, weil die maskierten Biester orientierungslos herumtorkelten. | |
Männliche Fruchtfliegen hingegen, so haben Wissenschaftler herausgefunden, | |
ertränken ihren Kummer in Alkohol, wenn sie bei weiblichen Fruchtfliegen | |
abgeblitzt sind. Gilt das denn nur für Fruchtfliegen? | |
In England mussten die Kneipen am 20. März schließen. Inzwischen wurden | |
schier unvorstellbare 70 Millionen Pints, jenes Maß von 0,56 Litern, um das | |
sich im Wirtshaus alles dreht, vernichtet – vermutlich das Beste, was man | |
mit dem englischen Dünnbier machen kann. Selbst den Möwen bekommt die | |
Plörre nicht. Im Südwesten Englands haben diese windigen Vögel die Strände | |
vollgekotzt, nachdem sie die Reste aus weggeworfenen Bierdosen getrunken | |
hatten. Normalerweise ist das Sache der Jugendlichen. | |
Um das Bier in die Kanalisation zu schütten, muss man die Wasserwerke um | |
Erlaubnis bitten. Der Staat verlangt jedoch, dass die Aktion gefilmt wird, | |
um die Menge festzustellen. Erst dann wird die Alkoholsteuer zurückgezahlt. | |
Ein Großteil gerät natürlich ins Grundwasser. Deshalb sieht man jetzt | |
überall in England Menschen, die Brunnen bohren. | |
Als Düngemittel ist englisches Bier sowieso eher ungeeignet. Es enthält so | |
viel Chemie, dass Obst und Gemüse rezeptpflichtig wären. | |
6 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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