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# taz.de -- Iren buchen Zahnarzttermine im Süden: Die Dentaltouristen
> Reisen ist für viele die Hoffnung am Coronahorizont. Einige Iren haben
> dafür einen Trick gefunden – und fliegen jetzt auf die Kanaren.
Bild: Ire beim Zahnarzt
Auf zum Zahnarzt! Man gönnt sich in diesen komischen Zeiten ja sonst
nichts. Tausende Iren haben während der Restriktionen wegen der Pandemie
ihre Liebe zur professionellen Zahnpflege entdeckt – solange die
Zahnarztpraxis nicht in Dublin, sondern auf Teneriffa liegt.
Eigentlich herrscht Reiseverbot in Irland, man darf lediglich aus
beruflichen oder medizinischen Gründen ins Ausland fliegen. Das hat dazu
geführt, dass die Zahnärzte auf den Kanaren ausgelastet sind. Jedenfalls
theoretisch. Täglich buchen bis zu 15 Irinnen und Iren einen Arzttermin,
um sich bei der Ausreise auf die dringende Notwendigkeit für den Flug
berufen zu können. Auf Teneriffa angekommen, sind die Zahnschmerzen
plötzlich weg. Nur die wenigsten Reisenden tauchen dann tatsächlich beim
spanischen Zahnarzt auf.
Die Daheimgebliebenen sind wütend auf die Dentaltouristen. Alles hatte mit
einem Beitrag in der Radiosendung „Liveline“ des Moderators Joe Duffy
angefangen. Er sprach [1][mit einem Frank aus dem westirischen Galway und
einer Una aus Limerick im Südwesten der Insel.]
Beide sind im Rentenalter und erklärten, dass sie trotz des Reiseverbots
nach Teneriffa geflogen seien, weil sie sich dort sicherer als zu Hause
fühlen. Una sagte, sie verbringe jedes Frühjahr auf den Kanaren, und bei
einem Angebot von 19,99 Euro pro Flugstrecke habe sie nicht widerstehen
können. Frank fügte hinzu: „Du leidest nicht unter Stress, das Wetter ist
gut, Kneipen und Friseure haben offen.“
## Die „Frank-und-Una-Strafe“
Die Regierung erwägt, die Strafen für Auslandsreisende auf 2.000 Euro zu
erhöhen. Die Maßnahme heißt inoffiziell die „Frank-und-Una-Strafe“.
Das Argument, dass man sich im Ausland sicherer fühle, ist allerdings
nachzuvollziehen. Nachdem die Dubliner Regierung zu Beginn der Pandemie
noch zügig reagiert hatte, herrscht seit dem Regierungswechsel im Juni
Chaos. Fast täglich werden Maßnahmen wie zum Beispiel die Rekrutierung von
Impfpersonal oder die Quarantäne bei der Einreise nach Irland angekündigt,
als ob das Virus erst gestern ausgebrochen sei.
Je länger die Restriktionen andauern, desto mehr sehnt man sich nach
Urlaub. Schon in den 1980er Jahren fanden Forscher heraus, dass die Menge
an Stresshormonen im Körper sinkt, wenn man frei hat. Wer selten verreist,
stirbt früher. Regelmäßiger Urlaub verringert das Herzinfarktrisiko bei
Männern um 32, bei Frauen um 50 Prozent, so hat eine US-amerikanische
Langzeitstudie ergeben.
Als Kind hatte das Wort „Urlaub“ für mich einen magischen Klang. Das Beste
daran war, dass ich schon ein paar Tage vor Ferienbeginn aus der Schule
genommen wurde. Mein Vater wollte dadurch den Staus auf der Autobahn ein
Schnippchen schlagen und Stress minimieren. Der fing allerdings schon bei
der Ausreise aus Berlin an. Man wusste nie, wie lange es an der DDR-Grenze
dauern würde.
## Rausch gleich Urlaub
Meistens fuhren wir nach Bayern. Das südlichste Land, das ich als Kind
kennenlernte, war Österreich. Das war Ausland, immerhin, auch wenn es sich
weder durch Sprache noch durch das Angebot in den Geschäften unterschied.
Selbst die Bild-Zeitung gab es überall, sodass man in der Prä-Internet-Zeit
über die Fußballergebnisse informiert war.
Und Reisen soll ja bilden, man lernt neue Kulturen und Länder kennen. Bei
den Franks und Unas, die auf die Kanaren reisen, spielt jedoch Alkohol eine
zentrale Rolle, wenn es um die Bewertung der Ferienreise geht: Je
billiger der abendliche Rausch, [2][desto schöner der Urlaub]. Der
Megakater am nächsten Morgen ist das Erlebnis, von dem man den Freunden
nach der Rückkehr erzählt. Und mit viel Alkohol lassen sich ja auch
Zahnschmerzen betäuben.
18 Feb 2021
## LINKS
[1] https://www.irishexaminer.com/news/arid-40220813.html
[2] /Coronavirus-in-Irland/!5672088
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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Kolumne Die Wahrheit
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