# taz.de -- Mahnmal für Laye Condé: Bremen gedenkt der Brechmittelopfer | |
> Bremen nähert sich einem Gedenkort für Laye-Alama Condé, der 2004 in | |
> Obhut der Polizei gestorben ist. Rot-Grün-Rot fordert jetzt konkrete | |
> Planungen. | |
Bild: Für den Tod des 35-jährigen Laye-Alama Condé wurde nie jemand zur Rech… | |
BREMEN taz | Gefordert wird es schon seit vielen Jahren, festgeschrieben | |
ist es seit letztem Jahr im rot-grün-roten [1][Koalitionsvertrag], 60.000 | |
Euro [2][Haushaltsmittel] sind vor Kurzem dafür bereitgestellt worden – und | |
nun ist endlich auch eine konkrete Parlamentsvorlage aufgesetzt, um in | |
Bremen einen Gedenkort zur Erinnerung an den durch Brechmittelfolter | |
gestorbenen [3][Laye-Alama Condé] zu schaffen. | |
Über 15 Jahre ist es nun schon her, dass der aus Sierra Leone stammende | |
Condé durch das zwangsweise Verabreichen eines Brechmittels in Gewahrsam | |
der Bremer Polizei gestorben ist. Der 35-Jährige war am 27. Dezember 2004 | |
an der Sielwallkreuzung im Bremer Steintorviertel festgenommen worden, weil | |
PolizistInnen ihn des Drogenhandels verdächtigten. | |
Condé wurde in das Polizeipräsidium gebracht und dort an Armen und Beinen | |
fixiert. Mit einer Nasensonde wurden ihm unter Zwang Brechmittel und | |
mehrere Liter Wasser eingeflößt. Dieses Verfahren sollte ihn zur | |
„Exkorporation“, also zum Erbrechen verschluckter Drogen bewegen. | |
Die Prozedur wurde auch dann noch fortgesetzt, als Condé schon das | |
Bewusstsein verloren hatte. Er fiel ins Koma und starb wenig später, am 7. | |
Januar 2005. „Tod durch Ertrinken“, diagnostizierten die Ärzte – das | |
Wasser, das ihm eingeflößt wurde, war in seine Lunge gelaufen. 2006 stufte | |
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die zwangsweise Vergabe von | |
Brechmitteln als Folter ein. | |
## Spätes Schuldeingeständnis | |
„Schwerstverbrecher“, sagte kurz vor Condés Tod Bremens damaliger | |
Innensenator und heutiger CDU-Fraktionschef [4][Thomas Röwekamp], müssten | |
nun mal „mit körperlichen Nachteilen“ rechnen. Und 2013 sagte Bremens | |
Alt-Bürgermeister [5][Henning Scherf (SPD)], der 1992 als Justizsenator die | |
rechtliche Grundlage für die Brechmittel-Praxis geschaffen hatte: „Das war | |
Alltag, strafrechtlicher und beweissichernder Alltag.“ | |
Vor drei Jahren äußerte er schließlich späte [6][Reue]: „Ich fühle mich | |
schuldig, dass ich den Tod dieses Menschen möglich gemacht oder zumindest | |
dieses Verfahren gerechtfertigt habe“, sagte er. Das sei „ein Fehler“ | |
gewesen. | |
Der für Condés Tod verantwortliche Polizeiarzt stand dreimal vor Gericht. | |
Zweimal sprach ihn das Landgericht Bremen frei, beide Urteile kassierte der | |
Bundesgerichtshof (BGH) wieder ein. Den zweiten Freispruch bezeichnete er | |
als „fast grotesk falsch“. | |
Dass der Arzt, so die Begründung, die Prozedur fortgesetzt habe, obwohl | |
Condé bereits einige der verschluckten Drogen erbrochen hatte, sei | |
menschenunwürdig gewesen. Außerdem seien die Risiken des | |
Brechmitteleinsatzes damals bereits bekannt gewesen. | |
In der Tat: 2001 war in Hamburg der Nigerianer Achidi John an den Folgen | |
der gleichen Prozedur gestorben und auch in Bremen hatten bereits vor | |
Condés Tod drei Festgenommene während der Brechmittelvergabe notärztlich | |
versorgt werden müssen. [7][Das dritte Verfahren] gegen den Polizeiarzt | |
wurde im Jahr 2013 eingestellt. | |
Auch politisch wurde [8][niemand zur Verantwortung] gezogen: Sowohl Condés | |
Angehörige als auch Bremer BürgerInnen forderten nach Condés Tod den | |
Rücktritt des Innensenators und erstatteten Anzeige gegen ihn, wegen übler | |
Nachrede und wegen fahrlässiger Tötung. Beide Verfahren stellte die | |
Staatsanwaltschaft ein. Auch ein Misstrauensantrag der Grünen scheiterte. | |
Acht Abgeordnete der damaligen großen Koalition aus SPD und CDU stimmten | |
mit den Grünen und der FDP gegen Röwekamp, der bis 2007 als Innensenator im | |
Amt blieb. | |
Seit vielen Jahren schon fordert die [9][„Initiative in Gedenken an | |
Laye-Alama Condé“] auch wegen all dieser Skandale einen Gedenkort für | |
Condé, auch stellvertretend für die rund 1.000 Menschen, die zwischen 1991 | |
und 2004 in Bremer Polizeigewahrsam Brechmittel schlucken mussten. | |
Ein selbst entworfenes mobiles Mahnmal der Initiative soll sowohl die | |
Erinnerung an die Brechmittel-Opfer wach halten als auch die Forderung nach | |
einem festen Gedenkort. Dieses Ansinnen wurde durchaus kontrovers | |
aufgenommen: Während die Grünen und die damals noch zur Opposition gehörige | |
Linke sich dafür aussprachen, [10][sträubten sich weite Teile der SPD] | |
gegen ein Denkmal für einen mutmaßlichen Drogendealer. | |
## Gedenkort im Koalitionsvetrag | |
Aber seit letztem Jahr steht nun auch im Koalitionsvertrag, dass sich SPD, | |
Grüne und Linke „für die Errichtung eines Gedenkortes“ aussprechen, „um | |
daran zu mahnen, dass niemand in polizeilicher Obhut nachhaltig zu Schaden | |
oder ums Leben kommen darf.“ 60.000 Euro Haushaltsmittel wurden dafür | |
bewilligt und jetzt hat Rot-Grün-Rot einen Bürgerschaftsantrag gestellt: | |
„Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, einen Vorschlag für | |
einen Standort zu machen und in Abstimmung mit dem zuständigen | |
Stadtteilbeirat, dem Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum und der | |
Deputation für Kultur zeitnah und gemeinsam mit allen Beteiligten eine | |
würdige Lösung zu finden“, heißt es in der Vorlage. Der Senat, so der | |
Antrag weiter, soll dann innerhalb von sechs Monaten der Deputation für | |
Kultur über die Ergebnisse berichten. | |
Das bedeutet: Der Gedenkort kommt nicht, wie im Januar von der | |
Linksfraktion gefordert, noch in diesem Jahr. Denn erst nach der | |
Sommerpause wird nach Auskunft von Kai Wargalla (Die Grünen) der Antrag in | |
der Bürgerschaft beschlossen. Sie ist dennoch froh, dass es nach | |
jahrelangen Debatten nun endlich konkret vorangeht: „Der Gedenkort ist | |
wichtig, um immer wieder daran zu erinnern, dass die Würde des Menschen | |
unantastbar ist – und zwar ohne Ausnahme“, sagt sie und: „Wir tragen die | |
Verantwortung dafür, dass es keine staatliche Folter geben darf.“ | |
Wie das Mahnmal aussehen und wo es stehen soll, ist noch unklar. „Aber klar | |
ist, dass es in der Mitte Bremens stehen soll und nicht, wie ursprünglich | |
einmal angedacht, am Polizeipräsidium in der Vahr“, sagt die | |
Bürgerschaftsabgeordnete Wargalla. Sie hoffe nun, dass die Realisierung des | |
Gedenkortes im kommenden Jahr umgesetzt wird – mehr als 16 Jahre nach dem | |
Tod Laye-Alama Condés. | |
3 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Alle-kriegen-mehr/!5606363/ | |
[2] /Ein-Prozent-Bewegung/!5690035/ | |
[3] /Gedenken-an-Brechmittel-Folter/!5650389&s=Laye+Cond%C3%A9/ | |
[4] https://www.wikiwand.com/de/Thomas_R%C3%B6wekamp | |
[5] /Bremer-Recht/!5055656/ | |
[6] /Fehler-eingestanden/!5368709/ | |
[7] /Bremer-Brechmittel-Prozess/!5055796/ | |
[8] /Kommentar-Brechmittel-Prozess/!5055794/ | |
[9] https://brechmittelfolter-bremen.de/ | |
[10] /Brechmittel-Opfer-Laye-Conde/!5263404/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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