# taz.de -- Gedenken an Brechmittel-Folter: Warten aufs Mahnmal | |
> 15 Jahre nach dem Tod des Brechmittel-Opfers Laye Alama Condé gibt es | |
> immer noch keinen festen Gedenkort für ihn. 2020 könnte sich das ändern. | |
Bild: Einen mobilen Gedenkort immerhin gibt es schon | |
Bremen taz | In diesem Jahr nun soll er – jetzt also wirklich! – nun, | |
zumindest mal auf den Weg gebracht werden: der dauerhafte Gedenkort zur | |
Erinnerung an Laye-Alama Condé. Der 35-jährige Flüchtling aus Sierra Leone | |
war nach einem zwangsweisen Brechmitteleinsatz der Bremer Polizei vor genau | |
15 Jahren verstorben. | |
Heute wird seiner einmal mehr gedacht, mit einer Kundgebung vor dem | |
Gerhard-Marcks-Haus, auf Einladung des dortigen Direktors Arie Hartog. | |
Sechs Wochen lang wird der von der „Initiative in Gedenken an Laye-Alama | |
Condé“ geschaffene mobile Gedenkort dann dort aufgestellt. In den vergangen | |
Jahren war er bereits vor der Stadtbibliothek, dem Theater und der | |
Schwankhalle platziert. | |
Condé, Zeit seines Lebens nicht vorbestraft, war im Dezember 2004 wegen des | |
Verdachtes auf Drogenhandel vorläufig festgenommen worden. Im | |
Polizeipräsidium fesselte man ihn und verabreichte ihm zwangsweise | |
Brechmittel sowie mehrere Liter Wasser. Die Polizei wollte auf diese Weise | |
an verschluckte Drogenkügelchen gelangen. Auch nachdem Condé das | |
Bewusstsein verlor, wurde die Prozedur fortgesetzt – bis er ins Koma fiel. | |
„Schwerstverbrecher“ müssten nun mal „mit körperlichen Nachteilen“ re… | |
sagte der damalige Innensenator und heutige CDU-Fraktionschef Thomas | |
Röwekamp daraufhin. Wenige Tage später, am 7. Januar 2005, starb Condé an | |
Sauerstoffmangel durch Ertrinken. | |
Zwischen 1991 und 2004 wurde in Bremen nach Angaben der Initiative in mehr | |
als 1.000 Fällen Brechmittel an Menschen in Polizeigewahrsam verabreicht. | |
„Das war Alltag, strafrechtlicher und beweissichernder Alltag“, hatte | |
Alt-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) 2013 dem Landgericht erklärt, und | |
dass es seines Wissen „bis zu dem tragischen Unglücksfall keinerlei | |
Probleme mit dem Einsatz von Brechmitteln“ gegeben habe. Vier Jahre später | |
sagte er dann dem Kundenmagazin einer Versicherung: „Ich fühle mich | |
schuldig, dass ich den Tod dieses Menschen möglich gemacht oder zumindest | |
dieses Verfahren gerechtfertigt habe.“ Das sei „ein Fehler“ gewesen, so | |
Scherf 2017. | |
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Brechmittelvergabe | |
bereits 2006 als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ eingestuft – | |
die Praxis verstieß also gegen das Folterverbot, so die Richter*innen. Das | |
Hanseatische Oberlandesgericht dagegen hatte die „Exkorporation“ 2000 noch | |
ausdrücklich gebilligt, obwohl das Oberlandesgericht Frankfurt in der | |
Vergabe von Brechmitteln schon 1996 einen Verstoß gegen die Menschenwürde | |
und das Persönlichkeitsrecht sah. | |
Die Initiative fordert seit Jahren, dass die Stadt einen dauerhaften | |
Gedenkort einrichtet, der an Condé erinnert. Im [1][Koalitionsvertrag] | |
steht nun, dass sich SPD, Grüne und Linke „für die Errichtung eines | |
Gedenkortes“ aussprechen, „um daran zu mahnen, dass niemand in | |
polizeilicher Obhut nachhaltig zu Schaden oder ums Leben kommen darf.“ Aus | |
Sicht der Grünen-Politikerin Kai Wargalla ist das schon „ein großer | |
Erfolg“ – nun soll ein Antrag in der Stadtbürgerschaft den Senat bitten, | |
den Beirat Mitte bei der Aufstellung eines solchen Mahnmals „zu | |
unterstützen“, sagt Wargalla. Man wolle dem Stadtteilparlament „nicht | |
vorschreiben, was richtig und würdig“ sei. Der Beirat Mitte wiederum wartet | |
erstmal den Bürgerschaftsbeschluss ab, sagt die Ortsamtsleiterin. | |
Die Linke forderte am Montag eine Entscheidung über den Gedenkort | |
„innerhalb eines Jahres“. Seit Jahren schon werde über den Gedenkort | |
diskutiert – ohne Ergebnis. Bei der SPD-Fraktion hat man den Beschluss des | |
Koalitionsvertrages „noch nicht aktuell aufgegriffen“, erklärt deren | |
Kulturpolitiker Arno Gottschalk. Er gehe aber davon aus, dass das im Laufe | |
des Jahres passiert und die Stadt dann auch für die Kosten des Mahnmals | |
aufkommt. Über die richtige Form des Gedenkens sei aber zu diskutieren: | |
Gottschalk findet, dass das „Missbrauchspotenzial“ dieses Denkmals „sehr | |
groß“ ist. | |
Die Initiative freut sich, dass die Notwendigkeit des öffentlichen | |
Gedenkens nun in der Politik angekommen sei. „Viele Menschen wissen, dass | |
sie ein Recht darauf haben, dass dem Tod eines Menschen und der dafür | |
verantwortlichen, menschenrechtswidrigen Politik gedacht wird“, sagte | |
Gundula Oerter, die Sprecherin der Initiative. | |
Der letzte, rot-grüne Senat hatte eingeräumt, dass es [2][„falsche und | |
ethisch kritisch zu bewertende Entscheidungen gegeben“] habe. Zugleich | |
hatte er [3][Forderungen nach Entschädigungen] eine klare Absage erteilt. | |
Juristisch ist der Fall aufgearbeitet: Der Polizeiarzt stand drei Mal wegen | |
fahrlässiger Tötung vor Gericht. Das dritte Verfahren wurde 2013 gegen eine | |
Zahlung von 20.000 Euro an die Mutter des Opfers eingestellt. | |
7 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.spd-land-bremen.de/Binaries/Binary6330/Koalitionsvereinbarung-R… | |
[2] /Brechmittel-Falsche-Entscheidungen/!5482720&s=laye+cond%C3%A9/ | |
[3] /Archiv-Suche/!5506003&s=laye+cond%C3%A9&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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