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# taz.de -- Entmachtung von Volkswagen-Chef Diess: Königsdrama in Wolfsburg
> Betriebsrat, Aufsichtsrat, Öffentlichkeit – VW-Chef Diess hat viele Leute
> gegen sich aufgebracht. Dabei hat der Konzern auch so schon genug
> Probleme.
Bild: Internationale Autoausstellung in Frankfurt 2019: VW-Konzernchef Diess pr…
Hannover taz | Volkswagen hat derzeit wirklich eine lange Liste von
Problemen: Da wäre zunächst der immer noch nicht verarbeitete Abgasskandal.
Gefolgt von Softwareproblemen beim neuen Golf 8, die dazu führen, dass
Produktion wie auch Auslieferung weit hinter dem Plan zurückbleiben. Und
auch beim milliardenschweren Prestigeprojekt, dem [1][Elektromodell ID.3,
gefertigt in Zwickau], läuft es nicht rund. Zu diesen Werksproblemen kommen
noch der coronabedingte weltweite Absatzeinbruch, sowie die Aufregung um
einen rassistischen Werbespot auf Instagram.
Doch was tut der Konzern in dieser Situation? Das, was er eindeutig am
besten kann: Ein Königsdrama von shakespearschen Ausmaßen aufführen.
Konzernchef [2][Herbert Diess] muss die Verantwortung für die Hauptmarke
abgeben, die übernimmt künftig COO Ralf Brandstätter. Die offizielle
Sprachregelung lautet: Diess soll mehr Freiraum für strategische Aufgaben
erhalten.
In Wirklichkeit steckt hinter der Entmachtung ein Konflikt zwischen Diess
und dem einflussreichen Aufsichtsrat. Den hatte Diess düpiert, als er vor
mehr als 3.000 Führungskräften des Konzerns Durchstechereien an die Presse
geißelte. „Sie sind auch ein Zeichen fehlender Integrität und Compliance.
Das sind Straftaten, die im Aufsichtsratspräsidium passieren und dort
offensichtlich zugeordnet werden können“, soll Diess gesagt haben. Offenbar
aus Ärger darüber, dass das Manager Magazin darüber berichtet hatte, er
selbst habe eine Vertragsverlängerung für sich ins Spiel gebracht.
Im Aufsichtsrat sitzen neben Vertretern der Eigentümerfamilien Piëch und
Porsche, der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister des Landes
Niedersachsen, der IG-Metall-Chef sowie hohe Betriebsräte – und damit
Menschen, die nur mäßig amüsiert sind, wenn man sie öffentlich quasi als
Kriminelle bezeichnet. Es wird kolportiert, dass man sogar über Diess
Ablösung nachgedacht habe – soweit ging es dann aber doch nicht. Diess
entschuldigte sich öffentlich und ausgiebig – und musste eine erhebliche
Beschneidung seines Machtbereichs hinnehmen. Nicht wenige Kommentatoren
betrachten ihn nun als Konzernchef auf Abruf.
## Streit mit dem Betriebsratschef
Über die Hintergründe kursieren verschiedene Legenden: Die
Diess-freundliche Seite verweist auf seine Verdienste bei der
Modernisierung des behäbigen Konzerns. Elektromobilität und Digitalisierung
sind seine Schlüsselthemen – Konflikte mit der mächtigen
Arbeitnehmervertretung seien dabei unumgänglich.
Tatsächlich kam es schon bald nach Diess Amtsantritt 2018 zu
Auseinandersetzungen mit Betriebsratschef Bernd Osterloh. Im aktuellen
Konflikt trat die IG Metall Ende Mai mit einem Brandbrief an die
Öffentlichkeit, in dem sie das schlechte Bild VWs in der Öffentlichkeit
beklagte und forderte, jemand müsse Verantwortung übernehmen für „das
Produktdesaster unserer aktuellen Modellpalette“. Eine eindeutige
Konzernstrategie sei nicht erkennbar, hieß es in dem Brief außerdem.
Diess-Freunde interpretieren die Vorgänge deshalb als Arbeitnehmerrevolte
gegen einen Chef, der zu viel Veränderungen forderte.
Die weniger Diess-freundliche Seite verweist auf Kommunikations- und
Führungsdefizite und wirft ihm mangelndes politisches Gespür vor. Intern
höre er zu wenig zu und lasse Probleme zu lange schleifen, heißt es. Auch
extern machte Diess zuletzt keine gute Figur. Im Skandal um das
rassistische Instagramvideo hat er zu lange geschwiegen. Ein
„Tagesthemen“-Interview sorgte für Unmut, weil er einerseits Staatsgelder
forderte und andererseits Dividendenzahlungen verteidigte.
## Kapitalseite hält an Diess fest
Dass sich im Konjunkturpaket nun keine Kaufprämie wiederfindet, wird ein
Stück weit auch Diess angekreidet. Zudem soll er die Probleme beim Golf 8
zu lange schön geredet haben, statt energisch gegenzusteuern. Inwieweit
sein Nachfolger Ralf Brandstätter, der als Co-Geschäftsführer ja bisher
auch für die Fahrzeuge mit dem VW-Emblem zuständig war, einen besseren Job
macht, bleibt abzuwarten.
Welche Seite sich schlussendlich auch durchsetzen wird, es wird Einfluss
auf die gesamte Konzernausrichtung haben. Diess Wendung hin zu mehr
Elektromobilität und Digitalisierung ist bei Weitem noch nicht
abgeschlossen. Und auch die Führungsstrukturen bei VW bleiben eine
Dauerbaustelle. „Das Unternehmen muss jetzt in ruhigeres Fahrwasser
kommen“, ließ der Porsche/Piech-Clan verlauten. Die Kapitalseite hält
vorläufig weiter an Diess fest.
Ins Hintertreffen geraten ist bei all dem Drama die interne Aufarbeitung
des [3][rassistischen Instagram-Videos]. Der Spot soll schon Anfang Mai auf
dem Twitter-Account des VW-Vertriebsvorstandes Jürgen Stackmann aufgetaucht
sein, wurde dort aber wieder gelöscht. Wer ihn dann doch noch freigegeben
hat, will die Konzernrevision nun klären. Davon wird abhängen, wer sonst
noch bei VW seinen Posten räumen muss.
10 Jun 2020
## LINKS
[1] /VW-Zwickau-stellt-auf-E-Autos-um/!5617566
[2] /Aktivistin-und-VW-Chef-im-Streitgespraech/!5622446
[3] /Demo-gegen-Rassismus-und-Volkswagen/!5684354
## AUTOREN
Nadine Conti
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