| # taz.de -- Die Achtung der Menschenwürde: Menschen und Müll | |
| > In einer taz-Kolumne wurden Polizeibeamte mit Abfall gleichgesetzt. Dass | |
| > dies nicht geht, muss auch in Zukunft der kleinste gemeinsame Nenner | |
| > sein. | |
| Bild: Müll ohne Menschen. Gott sei Dank | |
| Dieser Text ist Teil einer innerredaktionellen Debatte über [1][die Kolumne | |
| „All cops are berufsunfähig“ von Hengameh Yaghoobifarah]. Es werden | |
| weitere, konträre Texte folgen, die das gesamte Spektrum der Diskussion | |
| abbilden. | |
| Am vergangenen Montag ist [2][in der taz ein Text veröffentlicht] worden, | |
| in dem empfohlen wurde, Polizeibeamte unter bestimmten Umständen auf einer | |
| Mülldeponie unterzubringen. Weil sie sich nämlich auf der Halde, „wo sie | |
| wirklich nur von Abfall umgeben sind“, bestimmt auch „selber am wohlsten“ | |
| fühlen dürften. „Unter ihresgleichen.“ | |
| Es wäre wunderbar, wenn sich jetzt niemand dazu berufen fühlte, mir | |
| nachzuweisen, dass ich oben irgendwo ein sinnentstellendes Komma gesetzt | |
| habe. Oder aus anderen Gründen die Aussage der Kollegin nicht korrekt | |
| wiedergegeben hätte. Bitte. Genug davon. | |
| Journalismus, wie seriös oder unseriös auch immer, hat stets ein Ziel: von | |
| einem möglichst breiten Teil des Publikums verstanden zu werden. Es geht in | |
| unserem Beruf nicht um Textexegese, und wir befinden uns nicht in einem | |
| germanistischen Proseminar. | |
| Sie wusste, was sie schrieb | |
| Deshalb fasse ich zusammen: Polizeibeamte wurden in dem Manuskript, um das | |
| es hier geht, mit Abfall gleichgesetzt. Ich denke, die Autorin wollte genau | |
| das sagen. Es wäre herablassend, ihr zu unterstellen, dass sie ahnungslos | |
| über ein Feld von Tretminen tanzte. | |
| Sie wusste, was sie schrieb. Und sie hat die Menschenwürde verletzt. Was | |
| denn sonst? | |
| Je erbitterter Kontroversen ausgetragen werden, desto wichtiger ist es, | |
| dass sich die Beteiligten wenigstens darüber verständigen können, worin die | |
| gemeinsame Grundlage besteht. | |
| Wie oft ich mich auch über die taz geärgert habe: Am kleinsten gemeinsamen | |
| Nenner habe ich bisher nie gezweifelt. Nämlich dem Vorrang der | |
| Menschenwürde. | |
| Die böseste, verletzendste Diskussion, an die ich mich erinnere, ging um | |
| die Frage, ob internationale Militäreinsätze gegebenenfalls unter Preisgabe | |
| des Völkerrechts befürwortet werden sollten. Ich war und bin dagegen. Aber | |
| nicht einmal auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung habe ich geglaubt, | |
| dass diejenigen, die eine andere Position einnahmen als ich, etwas anderes | |
| als vor allem die Menschenrechte im Blick hatten. Ach, Erich | |
| [3][Rathfelder]. Lass uns uns mal wieder treffen. | |
| Das war ernst damals. Sehr ernst. Und dennoch von wechselseitigem Respekt | |
| geprägt. Die Kolumne von Anfang dieser Woche, in der eine Berufsgruppe mit | |
| Abfall gleichgesetzt wird, wirkt auf mich unernst, kokett, provokant. Ich | |
| spüre keine Verzweiflung, sondern ich meine, Clickbaiting zu erkennen. Was | |
| für eine kleine Münze. | |
| Kann es wirklich wahr sein, dass wir uns innerhalb unserer Zeitung allen | |
| Meinungsverschiedenheiten zum Trotz nicht mehr darauf verständigen können, | |
| was unter Menschenwürde zu verstehen ist – und wie wir auf deren Verletzung | |
| reagieren sollten? | |
| Die internen Diskussionen offenbaren Gräben, über die wir reden müssen. | |
| Dringend. Wer die Kolumne verteidigt, tut dies im Regelfall unter Verweis | |
| auf eine Opferrolle. Zusammengefasst: Ihr privilegierten Weißen habt ja | |
| keine Ahnung. Ihr wisst nicht, wie es sich anfühlt, aufgrund äußerer | |
| Merkmale diskriminiert zu werden, lebenslang benachteiligt zu sein. Und | |
| deshalb eine – ja, auch unsachliche – Wut zu empfinden.Stimmt. Das wissen | |
| wir nicht. Aber das rechtfertigt nicht jeden Tabubruch. Die Achtung der | |
| Menschenwürde ist nicht verhandelbar, egal, wer sie verletzt. | |
| Deshalb werde ich die Kolumne, um die es hier geht, auch nicht brav nach | |
| außen hin verteidigen und nur intern kritisieren. Das wäre falsch | |
| verstandene Solidarität. Den Korpsgeist, der andere Organisationen | |
| auszeichnet, halte ich im Hinblick auf die taz nicht für erstrebenswert. | |
| Dafür – oh ja, wirklich: dafür – ist die Zeitung nicht gegründet worden. | |
| Redaktioneller Hinweis: Da die Autorin nicht wusste, wie Hengameh | |
| Yaghoobifarah sich im Hinblick auf Geschlecht einordnet, hat sie in diesem | |
| Text falsch gegendert. Sie bedauert das, ist aber der Ansicht, dass eine | |
| nachträgliche Änderung, und sei sie auch in bester Absicht und im kleinsten | |
| Detail, verlässlichen Debatten über Texte die Grundlage entzieht. | |
| Hengameh Yaghoobifarah ist non-binär. Dieser Sammelbegriff umfasst alle | |
| Gender, die nicht in die binären Kategorien Mann und Frau passen. | |
| 21 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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