| # taz.de -- Corona-Auswirkungen auf die Tierwelt: „Krähen fallen jetzt beson… | |
| > Beflügelt der Corona-Lockdown die Tierwelt in Berlin? Wildtierexperte | |
| > Derk Ehlert erklärt, warum viele Menschen die Umwelt anders wahrnehmen. | |
| Bild: Sind gefühlt gerade überall: die Krähen | |
| taz: Herr Ehlert, bei uns in der Redaktion kursiert das Gerücht, man könne | |
| derzeit andere Vögel hören als vor Corona. Kann das sein? | |
| Derk Ehlert: Da sind Sie nicht allein. In der gesamten Coronazeit haben | |
| sich deutlich mehr Menschen bei mir gemeldet als sonst: Auch meine Kollegen | |
| von Naturschutzvereinen und der Försterei haben – wie ich – doppelt bis | |
| dreimal so viele Anrufe bekommen. Allerdings ging es nicht nur um Vögel, | |
| sondern generell um Naturbesonderheiten. | |
| Was war der Hintergrund? | |
| Im Lockdown haben viele die Umwelt anders wahrgenommen und mehr | |
| Beobachtungen gemacht. Zur Nachtigall, dem Kuckuck, den Sperlingen und | |
| Zaunkönigen gab es etwa deutlich mehr Meldungen, obgleich sich objektiv | |
| wenig verändert hat. Es leben genauso viele Zaunkönige in Berlin wie schon | |
| 2019. | |
| Das heißt, es hat sich bloß die eigene Wahrnehmung geschärft? | |
| Ganz genau. Es wurde natürlich aus verschiedenen Städten gemeldet, | |
| [1][Tiere würden sich die Stadt zurückerobern]: etwa Gänsegeier in Madrid | |
| oder Kojoten in New York. Das sind aber keine durch Corona bedingten | |
| Neuigkeiten. Tiere nutzen die Stadt nur anders, wenn wir Menschen uns | |
| anderes verhalten. | |
| Auch in Berlin? | |
| Hier war das bei den Füchsen spürbar. Sie suchen sich für die Reproduktion | |
| ruhige Orte, am liebsten Schulen. Die Jungtiere haben dort gespielt, mit | |
| dem Unterschied, dass dieses Frühjahr kein Schulbetrieb stattfand. Als der | |
| dann wieder anlief, haben mich elf Schulen angerufen und von Problemen mit | |
| jungen Füchsen berichtet. Wenn Menschen den Raum wieder nutzen, relativiert | |
| sich das in wenigen Tagen. Das ist der einzige Effekt, den ich in Berlin | |
| feststellen konnte. Bei den Vögeln hat sich also nichts verändert. | |
| Aber es sind doch vermehrt Krähen in der Stadt! Oder ist das auch ein Fall | |
| veränderter Wahrnehmung? | |
| Das hängt mit bestimmten Momentaufnahmen der Jungenaufzucht im Frühjahr | |
| zusammen. Im Augenblick fallen die Krähen besonders auf, weil die Jungen | |
| flügge sind und in großen Trupps überall umhervagabundieren. Wenn Sie noch | |
| zwei Wochen abwarten und die Nebelkrähen größere Strecken fliegen, werden | |
| sie deutlich weniger. Dann treten plötzlich andere Arten in den | |
| Vordergrund. Auch die Krähenbestände haben in den letzten Jahren nicht | |
| signifikant zugenommen. | |
| Gibt es eine generelle Tendenz bei der Veränderung der Vogelpopulation? | |
| Der wesentliche Trend ist, dass Gebäudebrüter abnehmen, Schwalben und | |
| Mauersegler etwa. Das liegt vor allem daran, dass es an Brutplätzen | |
| mangelt. Die Häuser werden saniert und wärmegedämmt, dabei gehen die | |
| Brutplätze verloren. Dazu kommt der große Nahrungsmangel. Es hilft nichts, | |
| einen schönen Brutkasten am Haus zu haben, wenn die Vögel nichts mehr zu | |
| fressen finden. Der größte Artenschwund findet aber nicht in der Stadt | |
| statt; der ist eher in der freien Landschaft zu sehen. Durch den Einsatz | |
| von Bioziden in der Agrarlandschaft ist der Anteil vieler Vogel- und | |
| Insektenarten dramatisch geschrumpft. Die Elstern haben darum Landflucht | |
| betrieben und leben vermehrt in Städten. Obwohl sie räuberisch sind, haben | |
| sie es aber nicht geschafft, dort Einfluss auf den Singvogelbestand zu | |
| nehmen. | |
| Was können wir Stadtbewohner*innen für die Vögel tun? | |
| Wer ein Nest an seinem Haus entdeckt, kann es kartieren und den | |
| Naturschutzvereinen oder dem Vermieter melden. Bei einer Sanierung können | |
| die Nester dann erhalten werden. Auch das achtsame Bepflanzen des Balkons | |
| hilft: Stauden bieten Bienen Nahrung, Geranien sind zwar schön, aber ohne | |
| Mehrwert für Insekten. Auch der Scheibenanflug ist ein Problem: Täglich | |
| stirbt dadurch eine Viertelmillion Vögel in Europa. Da kann man mit Folien | |
| entgegenwirken. Diese nehmen nur 5 Prozent des Lichts, der Vogelwelt helfen | |
| sie aber enorm. | |
| 22 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jannis Hartmann | |
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