# taz.de -- Karnevalen der Kulturen nur im Stream: Das waren noch Zeiten! | |
> Es ist schon merkwürdig, sich den Karneval der Kulturen im Fernsehen | |
> anzusehen, findet unser Autor. Fast vermisst er die Trommelmusik vor | |
> seinem Haus. | |
Bild: Dieses Jahr ist nichts wie sonst: Kein Karneval, kein Müll aufräumen | |
BERLIN taz | Als Blücherplatzanwohner ist man ein wenig gespalten – | |
einerseits vermisst man den Karneval der Kulturen, das Lager vor der | |
Haustür, die Musik, das ganz Tohuwabohu, andererseits ist man aber auch | |
froh, denn das zieht sich ja immer fast eine Woche hin und kann auch sehr | |
nerven. Vom Aufbauen am Donnerstag bis zum Abbauen ab Montagnachmittag. | |
Am schlimmsten am Karneval der Kulturen, dem wichtigsten touristischem und | |
identitätspolitischen der Stadt, ist das ewig gleiche entsetzliche Lied | |
gewesen, das hunderte Male während des Aufbaus ab Donnerstagnachmittag kurz | |
angespielt wurde, um die Bühnenlautsprecher richtig einzustellen; am besten | |
war eigentlich immer die Abwesenheit von Verkehr in der stillen Nacht von | |
Donnerstag auf Freitag. | |
Mit Corona ist es hier ein bisschen ruhiger geworden und der 25. Karneval | |
der Kulturen ist schon lange abgesagt. Um die multikulturellen Werte des | |
Karnevals auch weiterhin hoch zu halten, gab es statt Umzug und Remmidemmi | |
am Sonntagnachmittag einen zweistündigen Stream des RBB mit Bildern aus 24 | |
Jahren Karneval der Kulturen und eingeschobenen Live-Interviewschnipseln | |
vom Südstern. Der Karneval ist gesichert; soviel scheint klar. | |
Komisch, sich das als langjähriger Besucher anzugucken. Zwar war man auf | |
fast allen Karnevals der Kulturen gewesen, hatte aber die einzelnen Wagen | |
nie so sehr beachtet. Man war eher ziellos und angedichtet mit Freunden | |
durch die Menge gelaufen; wie die meisten anderen hatte man sich nicht sehr | |
für die einzelnen Wagen interessiert, die man nun im Fernsehen bewundern | |
kann, wie sie von den Tribünen mit den Jurys am Südstern zwischen 1996 und | |
2019 paradieren. | |
Die Kindergruppe „Abenteuer Tanz“, eine Nachhaltigkeitsperformance, die | |
Tanzgruppe „Love Korea“ mit ihren schönen weissen Kostümen, Cosplay-Teens. | |
Eine Sambagruppe aus Herne tritt mit Flüchtlingen aus Syrien auf, Mexikaner | |
reissen eine symbolische Mauer ein, „tolle Bilder, alle liegen sich in den | |
Armen“ sagt der Moderator und es folgt eine berührende Performance über das | |
Leben von Amadeus Antonio. | |
Die Umzüge Ende der 1990er Jahre, als der Karneval noch durch kleinere | |
Straßen zog und in Vielem an die guten Zeiten der Loveparade und auch die | |
Hanfparade erinnerte. Das Jahr, in dem André Erckmann, der vor zwei Jahren | |
gestorbene Eve & Rave-Aktivist, von einem kleinen Truck Hanfsamen ins | |
Publikum geworfen hatte. Das Jahr, als wir mittags in der Sonne in | |
Urbanstraße auf dem Wagen des Hauses der Kulturen der Welt gekifft hatten | |
und abends in der mongolischen Jurte gesessen hatten. | |
Der Karneval der Kulturen, den man als Besucher erlebt, ist ein anderer, | |
als der, den die Fernsehbilder zeigen. Was im Fernsehen Zentrum ist, ist im | |
Erleben der Besucher Peripherie. | |
Und weil 24 Jahre lang Pfingsten immer Karneval der Kulturen gewesen war, | |
meint man vielleicht auch manchmal an diesem Wochenende Trommelmusik vom | |
Blücherplatz her zu hören. | |
1 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Detlef Kuhlbrodt | |
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