# taz.de -- Karneval der Kulturen in Berlin: Kreuzberg in Berlinerbunt | |
> Der Straßenumzug des Karnevals der Kulturen ist immer ein Spektakel – und | |
> nur Folklore? Nicht für alle. Vier Gruppen sagen, was sie politisch | |
> bewegt. | |
Bild: Gut drauf: Pfingstsonntag beim Karneval der Kulturen | |
Gegen zehn Uhr morgens ist die Yorckstraße an diesem Pfingstsonntag noch | |
fast leer. Hier und da stehen Menschen mit gelben Westen und Funkgeräten – | |
oder meist sitzen sie am Bordsteinrand. In die breite Allee in Kreuzberg | |
trudeln in unregelmäßigen Abständen mal größere, mal kleinere Gruppen ein. | |
Zu den Organisatoren in Gelb gesellen sich allerhand Menschen aus | |
unterschiedlichsten Nationen in teils farbenfrohen Kostümen. Die Szenerie | |
der Straße ändert sich. In diesen Stunden wird die Straße immer bunter: | |
berlinerbunt! Denn von hier aus startet der Umzug zum Karneval der | |
Kulturen. Aber wie viel Politik steckt noch hinter der Fassade des Kommerz? | |
## Nepal ein Gesicht geben | |
Ein wenig abgelegen in einer Seitenstraße hat die Umzugsgruppe Nepal Jatra | |
ihren Platz, an dem der noch einsame Umzugswagen steht. Pratik Dhakal ist | |
seit der Entstehung vor sieben Jahren mit dabei und erklärt, wie es zu der | |
Gründung kam. „Wir leben in Berlin und wussten, dass es jedes Jahr den | |
Karneval der Kulturen gibt. Wir haben uns ein paarmal den Karneval | |
angeguckt und fanden: Da gibt es keine Gruppe aus Nepal“ erinnert sich der | |
Wahlberliner, der 2008 zugezogen ist, „wir kennen ganz viele Nepalesen in | |
Berlin und dann haben wir uns zu einer Gruppe zusammengeschlossen.“ | |
Er ist mittlerweile schon ein alter Hase im Organisieren. Zur Kritik der | |
Kommerzialisierung des Karnevals hat Dhakal eine klare Meinung: „Wir machen | |
das alle als Freiwillige, ohne Belohnung. Die Tänzer üben zwei Monate lang | |
und die Musiker auch. Die Leute, die den Wagen bemalt haben, machen das | |
seit einem Monat und keiner wurde dafür bezahlt. Wir sehen das gar nicht.“ | |
Die Finanzierung gestalte sich jedes Mal schwierig, „Wir müssen eigentlich | |
jedes Jahr betteln, dass wir ein bisschen Geld zusammenkriegen, um die | |
Veranstaltung hier auf die Beine zu kriegen. Wir kommerzialisieren nichts.“ | |
## Eine Idee aus Tübingen | |
Alireza Rismanchian ist mit seiner Gruppe FolkBär dieses Jahr zum ersten | |
Mal beim Umzug dabei. Mit ihrem Stellplatz sind sie beim Aufbau mittendrin | |
im Trubel. Die Musikanten aus verschiedensten Ländern mit bunten | |
Schaumstoffhüten haben laut Rismanchian eine klare Nachricht mitgebracht: | |
„Die Message, die wir ausstrahlen wollen, ist, dass man sich durch Musik | |
verbinden kann.“ | |
Das würde man bereits bei den Treffen der Gruppen merken, so Rismanchian. | |
„Am Anfang, wenn sie kommen, wissen die Menschen teilweise nicht, wie die | |
anderen heißen, aber werden durch die Musik unglaublich tief verbunden. Und | |
auf dieser Basis, dass man sich mag, weil man zusammen musiziert, fängt | |
danach die Konversation an: Wie heißt du eigentlich, woher kommst du?“ | |
Die Idee der Gruppe, Folkloremusiker aus aller Welt zusammenzuführen, | |
entstand bereits vor sechs Jahren. „Das Grundkonzept kommt aus Tübingen“, | |
erklärt Rismanchian. „Die Gruppe heißt Folklang und ist mittlerweile ein | |
Orchester aus 80 bis 100 Leuten aus 20 Ländern.“ Als Rismanchian mit drei | |
seiner Kollegen nach Berlin kam, hat ihm das „wahnsinnig gefehlt“. Darum | |
haben sie eine Gruppe nach diesem Vorbild auch in Berlin gegründet. | |
## Tanz für eine bessere Welt | |
„Wir haben eine ganz eigene Facette von Darbietung“, erklärt Stella Caric, | |
die einen schwarzen Balken ins Gesicht geschminkt hat. „Und dieses Jahr | |
haben wir das Thema Solidarität und Verbundenheit.“ Die Gruppe #was bewegt | |
dich ist eine Tanzgruppe, die schon letztes Jahr mit einer politischen | |
Choreografie auffiel, mit der sie die Verschmutzung der Meere anprangerte. | |
„Über unsere Bewegung wird man sehen, dass Dinge und Menschen | |
aneinanderhängen. Und gleichzeitig ist es aber auch total schön, sich | |
innerhalb dieses Netzes zu binden und zu merken, wie viel Stabilität, | |
Sicherheit und Ruhe es einem geben kann.“ | |
Aber neben dem politischen Anliegen hat Stella auch eine ganz persönliche | |
Motivation. Sie findet es „ehrlich gesagt viel cooler, beim Karneval | |
mitzumachen, als ihm zuzugucken, weil das irgendwie viel mehr Leben hat. | |
Ich freue mich, davon Teil zu sein und darin aufzugehen.“ | |
## Lokal, politisch und laut | |
Gitarre, Verstärker und ein fahrendes Schlagzeug. Mit seinen Drumsticks in | |
der Hand erklärt Ulrich Schweizer, Initiator der Gruppe | |
savemauerpark/Volt12: „Wir sind ja jedes Jahr dabei und es ist einfach | |
wichtig, Musik in der Öffentlichkeit zu machen.“ Dabei geht es ihm vor | |
allem um den Mauerpark, der nicht nur am Sonntag mit seinem wöchentlichen | |
Flohmarkt zur Touristenattraktion wird, sondern auch unter der Woche | |
Musikern als Treffpunkt dient. | |
Aufgrund von Beschwerden der Anwohner wurde das Musizieren in der | |
Grünanlage bereits deutlich eingeschränkt. „Unser Anliegen war, dass man | |
weiterhin Musik spielen kann. Als wir den Umzug angemeldet haben, da war es | |
überhaupt nicht klar, ob noch Musik gespielt werden darf.“ | |
Auf dem Umzug hingegen nutzt Schweizer jede Minute, um seine Leidenschaft | |
auszuleben. Selbst am Hermannplatz, an dem die erschöpften Tänzer und | |
Musiker den Heimweg antreten, steht er mit seiner Band in einer | |
Seitenstraße und rockt weiter. Solange man ihn lässt. | |
10 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Tobias Kannler | |
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