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# taz.de -- Prozess um Toepffer-Biografie: Opas Briefe dürfen zitiert werden
> Die Enkelin des Hamburger NS-Schulsenators Oscar Toepffer wehrt sich vor
> Gericht gegen eine Kurzbiografie über ihren verstorbenen Großvater.
Bild: Ihm werden persönlich keine Verbrechen vorgeworfen: Oscar Toepffer
Hamburg taz | Die Enkelin von Oscar Toepffer, der in der NS-Zeit Leiter des
Rechtsamtes und Schulsenator in Hamburg war, klagt gegen eine
Kurz-Biografie über ihren Großvater. Es geht um die Frage, ob der Autor
Familienbriefe zitieren darf, aber auch, ob das postmortale
Persönlichkeitsrecht des NSDAP-Mitglieds durch den Aufsatz verletzt wird.
Diese Meinung teilte das Gericht nicht. Am Ende könnte ein Vergleich
stehen.
Zeitweise wurde der Ton ruppig im holzgetäfelten Saal des Hamburger
Landgerichts. „Haustürgeschäfte“ warf der Anwalt Joachim Sachs dem
Buchautor, dem ehemaligen Grünen-Bürgerschaftsmitglied und Lehrer
Hans-Peter de Lorent, vor. Der erwiderte, er habe sich „nicht unter
falschem Namen eingeschlichen, sondern ich bin von der Familie eingeladen
worden, in dem Wissen, dass ich Biografien schreibe“.
Der Streit dreht sich um eine Sammlung von Briefen, die de Lorent von
einigen – inzwischen verstorbenen – Mitgliedern der Familie erhalten und
für seine Buchreihe unter dem Titel „Täterprofile“ verwendet hat. Doch
dieses Material sei nie für eine Veröffentlichung gedacht gewesen, glaubt
die Toepffer-Enkelin und Anwältin Christel Sachs, die sich gemeinsam mit
ihrem Mann selbst vertrat. Nur zur Ansicht habe de Lorent das Material
bekommen, „nie und nimmer hat meine Mutter einer Veröffentlichung
zugestimmt!“ Der Autor widersprach: „Sie wollte aufräumen mit der
Vergangenheit ihres Vaters.“
Die Briefe zeigen, wie sich die Einstellung Oscar Toepffers und seiner Frau
Gretchen im Lauf des Krieges von Begeisterung zu Zweifel ändern. So schrieb
Toepffer im Mai 1940 aus Frankreich: „Das Ganze ist mehr ein
Pfingstausflug als Krieg. Dazu herrliches Wetter. Und wir leben
vortrefflich mit erbeutetem Burgunder und Kaffee und guten holländischen
Zigarren.“
Gretchen Toepffer jubelte 1939 über eine militärische Auszeichnung: „Die
ganze Familie freut sich über den Vati, der jetzt die Spange trägt.“ Erst
ab 1941 sinkt die Begeisterung: „Die Tränen können einem kommen, wenn man
an all die Jungen denkt, die im Osten gefallen sind“, schreibt Gretchen
Toepffer. 1942 kritisierte Oscar erstmals eine Führerrede: „Was ich gehört
habe, hat mir nicht recht gefallen.“
Bei seinen Treffen mit den Nachfahren habe er nicht sagen können, wie
ausführlich er die Texte zitieren wollte – dass er dies vorhatte, sei aber
klar gewesen, so de Lorent. „Wenn mir zwei erwachsene Personen Material zur
Verfügung stellen, musste ich meiner Meinung nach nicht nach weiteren
Familienmitgliedern forschen. In Familien, die vernünftig miteinander
umgehen, zirkulieren solche Informationen.“
Seit den 1980er-Jahren befasst sich de Lorent mit dem Bildungswesen der
Hansestadt während der NS-Zeit. Seit seiner Pensionierung hat er drei Bände
über die Verantwortlichen im Senat, in der Schulverwaltung und in den
Schulen geschrieben. Die Reihe ist bei der Landeszentrale für politische
Bildung erschienen, darum saß die Stadt als Mitbeklagte vor Gericht.
Der Aufsatz über Oscar Toepffer findet sich in Band 2, der 2018 erschien.
Toepffer habe – so fasste de Lorent vor Gericht zusammen – persönlich keine
Untaten begangen, aber „wer in einer NS-Regierung Verantwortung trägt, hat
eine Belastung, kann als Täter oder Mittäter gesehen werden“.
Unter anderem habe Toepffer Albert Henze befördert, der die sogenannte
„Swingjugend“ in Hamburg verfolgte und einige der jungen Frauen und Männer
ins KZ schickte. Als Senator habe Toepffer „Verantwortung für seine
Mitarbeiter“, so de Lorent. Dabei sei Toepffer selbst „durchaus nicht
unsympathisch“ gewesen. Auch sei er erst 1937 auf Druck in die NSDAP
eingetreten. „Alles, was ihn entlastet, habe ich dargestellt“, sagte der
Autor auf den Vorwurf von Joachim Sachs, Toepffer solle „an den Pranger
gestellt“ werden. Christel Sachs störte sich bereits an dem Titel
„Täterprofile“ – mit diesem Verweis auf strafbare Taten werde das
postmortale Persönlichkeitsrecht verletzt.
Richter Thorsten Held schloss sich dieser Meinung nicht an. Dafür bräuchte
es eine „grobe Verzerrung des Lebensbildes“ – die sah das Gericht nicht
gegeben. Klar sei, dass es um einen „erweiterten Täterbegriff“ gehe.
Dagegen befand Held, dass einige der Briefe urheberrechtlich geschützt sein
könnten. Nach Beratungen beider Seiten steht nun ein möglicher Vergleich im
Raum: De Lorent könnte wörtliche Zitate durch Beschreibungen und indirekte
Rede ersetzen. Den Inhalt würde das nicht schmälern, sagte der Autor.
Ob für die Klägerin der Zweck erreicht sei, den Großvater zu schützen, wage
er zu bezweifeln: „Durch dieses Verfahren ist Oscar Toepffer viel bekannter
geworden.“
19 Jun 2020
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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