# taz.de -- Wasserversorgung in Lateinamerika: Vorbild Costa Rica | |
> Millionen Menschen haben in Lateinamerika keinen Zugang zu Trinkwasser. | |
> In Costa Rica hat er nun allerdings Verfassungsrang. | |
Bild: Einwanderinnen aus Venezuela waschen sich in einem Zeltlager in Bogotá, … | |
BERLIN taz | Lateinamerika entwickelt sich laut Weltgesundheitsorganisation | |
zum neuen Schwerpunkt der Coronapandemie. Die Zahlen der Infizierten in | |
Brasilien und Mexiko steigen rasant, Zehntausende Tote sind zu beklagen. | |
Das kleine mittelamerikanische Land Costa Rica allerdings zeigt eine andere | |
Entwicklung. Am Montag meldeten die Gesundheitsbehörden 1.715 Infizierte, | |
12 Menschen sind bisher im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. | |
Einer von drei, vier Faktoren, die dafür sorgen, dass Costa Rica bislang | |
vergleichsweise gut durch die Pandemie kommt, ist die gute | |
Wasserversorgung. „Wir haben in den letzten Wochen weltweit erlebt, wie | |
wichtig ein funktionierendes Trinkwassersystem zur Eindämmung des | |
Coronavirus ist“, sagt Luis Bernardo Villalobos. Der ehemalige Dekan der | |
medizinischen Fakultät der öffentlichen Universität in San José hält die | |
flächendeckende Trinkwasserversorgung für einen wichtigen Trumpf des | |
Landes. „Wenn Hygiene zum A und O der Präventionsmaßnahmen wird, ist das | |
Recht auf Trinkwasser ein Kernfaktor“, so Villalobos. Seit Ende Mai besitzt | |
der Zugang zu sauberem Trinkwasser Verfassungsrang. | |
In Costa Rica sind rund 93 Prozent der Bevölkerung an die öffentliche | |
Trinkwasserversorgung angeschlossen, der Rest wird mit Tankwagen versorgt, | |
und das Netz wird kontinuierlich erweitert. Dafür wurden in den letzten | |
Jahren vier Jahren mehrere Millionen Euro ausgegeben. I[1][n Lateinamerika | |
ist das eher die Ausnahme] als die Regel. Nur Chile und Costa Rica können | |
ein flächendeckendes Trinkwassersystem vorweisen. | |
Anders als in Costa Rica, wo Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eine | |
öffentliche Dienstleistung ist, setzt Chile aber auf privatwirtschaftliche | |
Strukturen. Das sei teurer als in Costa Rica, so Villalobos. „Hier ist das | |
1961 gegründete Institut für Wasser und Abwasser (AyA) verantwortlich. Es | |
kontrolliert auch die Wasserqualität, so dass direkt vom Wasserhahn | |
getrunken werden kann“, sagt der Mediziner. | |
## Vorbild für die Nachbarstaaten | |
In Metropolen wie Bogotá, Lima oder Mexiko-Stadt ist das nicht ohne | |
Weiteres der Fall, weshalb das Beispiel des kleinen mittelamerikanischen | |
Landes mit etwas mehr als 5 Millionen Einwohnern regional für Aufsehen | |
sorgt. In El Salvador hat das kirchlich dominierte Wasserforum an die | |
Regierung appelliert, dem Beispiel Costa Ricas zu folgen und das | |
Menschenrecht auf den Zugang zu Trinkwasser ebenfalls umzusetzen. Davon ist | |
die Regierung in San Salvador weit entfernt. Mindestens 10 Prozent der 6,7 | |
Millionen Einwohner haben keinen [2][gesicherten Zugang zu Trinkwasser], | |
obwohl die Vereinten Nationen im Juli 2010 das Recht auf Wasser zum | |
Menschenrecht erklärt haben. Ein Schritt mit Symbolcharakter. | |
Doch in der Realität hat er in Lateinamerika wenig Folgen gezeitigt, wie | |
das kolumbianische Verfassungsgericht kürzlich rügte. Kolumbiens | |
progressive Verfassung von 1991 garantiert im Artikel 366 zwar den Zugang | |
zu Trinkwasser, aber die Realität sei unbefriedigend, beschieden die | |
Richter. Offiziellen Informationen zufolge haben 97,4 Prozent der | |
Bevölkerung Zugang zu Wasser, aber nur in knapp der Hälfte der 1.102 | |
Gemeinden sei das Wasser aus dem Hahn unbedenklich. Zudem fließt es nicht | |
nur in den trockenen Küstenregionen um Riohacha und Santa Marta nur | |
stundenweise aus dem Hahn und nicht rund um die Uhr. | |
Defizite, die typisch sind für viele Staaten Lateinamerikas. Das | |
kritisieren internationale Nichtregierungsorganisationen wie Friends of the | |
Earth, aber auch lokale Wasserbündnisse wie in El Salvador. | |
Auf die unbefriedigende Situation hat auch die UN-Organisation für | |
Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) Mitte April im Kontext der | |
Coronapandemie aufmerksam gemacht. Da hatte die Verfassungsänderung in | |
Costa Rica schon die erste Lesung im Parlament hinter sich. Für den | |
Gesundheitsexperten Villalobos kam sie genau zum richtigen Zeitpunkt: | |
„Mitten in der Pandemie hat unser Parlament ein Zeichen für einen | |
integralen Gesundheitsansatz gesetzt. Das Recht auf Wasser ist dabei ein | |
Kernelement“, lobt der Mediziner. | |
16 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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