# taz.de -- Prozess nach Gewalt auf AfD-Parteitag: Verfahren gegen Aktivist:inn… | |
> In Oldenburg wurde das Verfahren gegen vier Antifaschist:innen | |
> eingestellt. Sie sollen AfDler auf einem Parteitag verletzt haben. | |
Bild: Drinnen der Prozess, draußen die Demo: AfD-Gegner:innen vor dem ehemalig… | |
OLDENBURG taz | Ein altes, abgeschrabbeltes Feuerwehrauto mit | |
Zirkusequipment steht vor dem Oldenburger Amtsgericht, aus einem | |
Lautsprecher im Wagen kommt Musik. Dem Protestfahrzeug der Aktivist*innen | |
stehen 15 Mannschaftswagen der Polizei gegenüber. Hier, am Amtsgericht, | |
beginnt an diesem Mittwochmorgen der [1][Prozess gegen vier | |
Demonstrant:innen und Antifaschist:innen]. | |
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Körperverletzung gegen Mitglieder des | |
Oldenburger AfD-Parteitags im Oktober 2018 vor. Die Angeklagten Christian | |
K., Steffen M., Ronja O. und Ines R. hatten damals versucht, mit | |
AfD-Funktionär:innen zusammen durch eine Hintertür in die Weser-Ems-Halle | |
zu gelangen, um mit einer Theaterperformance gegen die AfD zu protestieren. | |
Dabei sollen sie gewalttätig eingedrungen sein und die AfD-Funktionär:innen | |
verletzt haben. | |
Die Angeklagten weisen den Vorwurf der Körperverletzung zurück und sprechen | |
stattdessen von einem gewalttätigen Angriff der AfD-Funktionär:innen auf | |
die Aktivist:innen. Als die vier sich zusammen mit zwei | |
AfD-Parteitagsgästen durch die Tür hätten schieben wollen, hätten die | |
AfDler sie angegriffen, sagt einer der Angeklagten aus. Ein Mann habe einem | |
der Aktivist:innen auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen und eine | |
Aktivistin gegen die Wand gedrückt. Eine andere Antifaschistin, die durch | |
die Tür ins Treppenhaus gelangt sei, sei dort von einem dritten Mann | |
festgehalten und auf die Treppe gedrückt worden. Die Situation sei beendet | |
worden, als die Polizei kam. | |
„Hier sitzen eindeutig die Falschen auf der Anklagebank“, sagt Ronja O. Das | |
Verfahren gegen die AfD-Mitglieder wurde im Juli 2019 eingestellt. Dagegen | |
haben die Anwälte der Antifaschist:innen Beschwerde eingelegt. Seitdem ruht | |
das Verfahren, die Staatsanwaltschaft habe zunächst die Hauptverhandlung | |
abwarten wollen, sagt die Rechtsanwältin eines Angeklagten. Ob es wieder | |
aufgenommen wird, ist offen. | |
Die vorsitzende Richterin Martina Sketta bittet zu Beginn der Verhandlung | |
um eine schnelle Durchführung ohne „unnötige Fragen und überflüssige | |
Anträge“ – dieser Wunsch wird erfüllt, noch vor der Mittagspause werden d… | |
vier Angeklagten unter Jubel von Unterstützer:innen draußen empfangen. | |
Gericht, Verteidiger:innen und Angeklagte haben sich darauf geeinigt, das | |
Verfahren gegen Auflagen einzustellen. Je nach Einkommen spenden die | |
Angeklagten zwischen 150 und 500 Euro an die Vereinigung der Verfolgten des | |
Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA), SeaWatch und an den | |
Verein Lückenlos e.V., der sich für Betroffene rechter Gewalt einsetzt. | |
Eine Verfahrenseinstellung sei kein Freispruch, erläutert ein | |
Gerichtssprecher. Eine Beweisaufnahme hätte aber absehbar nur eine geringe | |
Schuld ergeben. Mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens – endgültig | |
eingestellt wird erst, wenn das Geld an die Organisationen geflossen ist – | |
fällt auch das Anhören der Zeug:innen weg. | |
In einer Stellungnahme hatte der damalige Pressesprecher der AfD-Fraktion | |
im niedersächsischen Landtag, Benjamin Günther, geschrieben, die AfD-Ordner | |
seien mit „erheblicher Gewalteinwirkung regelrecht von hinten angesprungen, | |
gewürgt und getreten“ worden. Einer der involvierten Ordner trat in dem | |
Verfahren zunächst als Nebenkläger auf, nahm die Klage dann aber wieder | |
zurück. | |
Über die Einstellung des Verfahrens sei durchaus diskutiert worden, sagt | |
der Angeklagte Christian K. der taz später. Im Zweifelsfall wären die | |
Demonstrant:innen auch bereit gewesen, in die nächste Instanz zu gehen. | |
Auch wegen des finanziellen Risikos im Falle einer Niederlage hätten sie | |
sich jedoch entschieden, die relativ geringe Strafe anzunehmen. | |
Wegen des „besonderen öffentlichen Interesses“ und des Infektionsschutzes | |
war ein größerer Saal für die Verhandlung gewählt worden: im Alten Landtag, | |
also dem Landtag, in dem 1932 die NSDAP zum ersten Mal die absolute | |
Mehrheit bekam. In ihrer Prozesserklärung zitieren die Antifaschist:innen | |
deshalb den Historiker Andreas Wirsching: „Die AfD verkörpert einen | |
'Extremismus der Mitte’ und ähnelt damit der NSDAP“, liest Ronja O. vor. | |
Die Akustik im großen Saal ist miserabel, die Plätze sind rar: Nur vier | |
Pressevertreter:innen und zehn Besucher:innen sind zugelassen. Auch die taz | |
kommt nur über einen der Besucher:innenplätze in den Gerichtssaal, anderen | |
Pressevertreter:innen bleibt der Zutritt verwehrt. Ein Anwalt der | |
Angeklagten hatte beantragt, die Verhandlung in der Weser-Ems-Halle | |
durchzuführen, wo neben der Verhandlung gegen den Krankenpfleger Niels | |
Högel auch der betreffende Parteitag stattgefunden hatte. Darauf sei jedoch | |
nicht eingegangen worden, sagt die Angeklagte. | |
Nach dem Ende der Verhandlung kommt es mit zwei Jahren Verspätung doch noch | |
zu der Performance, die auf dem Parteitag nicht stattfinden konnte. Und die | |
Angeklagten verlesen eine Erklärung vor ihren Unterstützer:innen. Ronja O. | |
liest vor: „Man muss den Status quo dieser parlamentarischen Demokratie, in | |
der wir leben, nicht lieben, um die Demokratie gegen die Angriffe von | |
rechts zu verteidigen.“ | |
11 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
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