# taz.de -- Kostenlose Bücher zu Umweltthemen: Umsonst, aber nicht vergeblich | |
> Bei unserem Autor stapeln sich die Ökobücher bis zur Decke. In der | |
> Zu-verschenken-Kiste vor seiner Haustür gehen sie weg wie warme Semmeln. | |
Bild: Bücher zum mitnehmen | |
Berlin taz | Es gibt diese Momente, in denen ich mich als Freak fühle. Ich | |
sitze am Schreibtisch, blicke in mein Regal und frage mich: Ist es normal, | |
Bücher über „Intelligente Verschwendung“, den „African Energy Outlook�… | |
„Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft“ oder den „Streitfall | |
Klimawandel“ zu horten? | |
Hat man eine Schraube locker, wenn man 1.435 Seiten „Mitigation of Climate | |
Change“ sammelt und Angela Merkels Buch „Der Preis des Überlebens“ von 1… | |
neben vier Bänden Al Gore steht? Habe ich mich da auf eine einsame | |
Öko-Insel der Unseligen zurückgezogen? | |
Nein, habe ich nicht. Das weiß ich seit zwei Wochen. Da habe ich | |
aufgeräumt. Andere lernten in der Corona-Isolation Gitarre spielen oder die | |
Primzahlen bis 500 auswendig. | |
Ich beschloss, mein Bücherregel auszumisten. Und zog von den staubigen | |
Brettern kiloweise Werke, die die letzten Jahre als Treibgut des | |
Öko-Klima-Diskurses an meiner Küste gestrandet waren. Wichtiges, | |
Abseitiges, Halbseidenes. Über manches ist die Zeit hinweggegangen. Anderes | |
ist dummerweise so akut wie vor Jahren und Jahrzehnten. | |
## „Gaias Rache“ und „Plastic Planet“ im Sonderangebot | |
Aber wohin mit dem Stapel, der mir immerhin bis zum Kinn ging? Nun, ich | |
lebe in Berlin. Da stellt man schon mal gebrauchte Kühlschränke, | |
durchgesessene Sofas oder ausgebrannte Kleinwagen auf den Bürgersteig und | |
schreibt „Zum Mitnehmen“ dran. Das macht man gern nachts, damit niemand den | |
edlen Spender erkennt. | |
Einen Versuch war es wert. Scheu stellte ich am nächsten Nachmittag einen | |
Schuhkarton auf die grüne Bank, die in der Straße vor unserem Haus steht. | |
Im Angebot: Klassiker wie „Das Imperium der Rinder“, „Gaias Rache“, | |
„Klimafakten“, „Plastic Planet“ oder „Der geplünderte Planet“. | |
Als ich am nächsten Tag vorsichtig nachschaute, war ich platt: Alles weg. | |
Sogar den Schuhkarton hatte jemand brauchen können. Die Nachfrage war da. | |
Da sollte das Angebot nicht zurückbleiben. Zwei weitere Fuhren folgten. Ich | |
steigerte die Dosis, legte auch mal echt harten Tobak dazu: „Climate | |
Change, Justice and Sustainablilty“, „Livestock’s long shadow“, „Aler… | |
„Energiewende nach Fukushima“ und „George P. Mitchell and the Idea of | |
Sustainabilitiy“. | |
Alles weg. Nächste Runde: „Kraftwerk Küste“, „Hard Green“, „Navigat… | |
den Ressourcen der Zukunft“, „Half Earth“ oder „Gesunde Füße für Ihr… | |
– ratzfatz verschwunden. | |
## Berlin-Friedenau hat Interesse an Klimaschutz | |
Ich war begeistert. Mein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft wurde angenommen. | |
In meiner Nachbarschaft in Berlin-Friedenau gibt es also anscheinend ein | |
großes Interesse an der weltweiten Debatte um Klimaschutz, Nachhaltigkeit | |
und abseitige Ökothemen. Die Menschen hungern offenbar nach umfassenden | |
Darstellungen der Krisen, in denen wir uns befinden. | |
Unser Nachbar holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich vermute | |
mal, das stellt jemand für ein paar Euro alles auf Ebay“, sagte er. „Der | |
nimmt einfach alles, was so rumliegt, und bunkert es zu Hause.“ | |
Das war eine kalte Dusche für meine Begeisterung. Aber immerhin, dachte | |
ich. Auch dann muss es da draußen jenseits der Ökoblase von Friedenau einen | |
Markt für das Recycling der großen ökologischen Welterklärung geben. Es | |
gibt aber natürlich auch noch eine andere Möglichkeit, dachte ich dann in | |
einem Anfall von zynischem Realismus: Jemand sucht einfach nichtfossilen | |
Brennstoff für seinen Kamin. Irgendwie ja auch öko. | |
24 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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