# taz.de -- Digitale Gorillaprojekte in Ruanda: Virtuelles Afrika | |
> Ruanda bietet Besuche bei den Gorillas in Virtual Reality an. So will die | |
> Regierung dafür sorgen, dass Umweltprojekte für Touristen attraktiv | |
> bleiben. | |
Bild: Wegen Corona nur noch virtuell zu sehen: Berggorilla in Ruanda | |
Ein Silberrücken stampft aus dem Gebüsch auf eine Lichtung. Ihm folgen drei | |
junge Gorillaäffchen. Sie spielen und kullern sich im Gras, fiepen und | |
machen Lärm. Da stürmt der gewaltige Silberrücken auf sie zu, um sie zur | |
Ruhe zu mahnen. Sie trollen sich davon. Durch eine Bewegung mit der | |
Computermaus lässt sich die Kamera drehen und zoomen: Da sieht man weiter | |
rechts den gewaltigen Vatergorilla zwischen den Sträuchern sitzen und | |
genüsslich Eukalyptusblätter fressen. Als er mit seiner gewaltigen Pranke | |
ausholt, um weitere Blätter abzureißen, und dabei der Kamera sehr nahe | |
kommt, zuckt man automatisch zurück. „Ist es nicht unglaublich?“, steht | |
unter dem Video geschrieben. „Es ist, als wäre man selbst bei den | |
Gorillas.“ | |
Das kleine Land Ruanda im Herzen Afrikas, berühmt für seinen Bestand der | |
seltenen und vom Aussterben bedrohten Berggorillas, hat sich zu Zeiten der | |
Coronakrise und der internationalen Reisebeschränkungen etwas ganz | |
Besonderes einfallen lassen: Gorillabesuche per Virtual Reality online. | |
„Die globale Tourismusindustrie wurde von der Covid-19-Krise schwer | |
getroffen und wir sind traurig, dass wir derzeit keine Besucher empfangen | |
können, die unser schönes Land besichtigen können“, so Belise Kariza, Chef | |
der Tourismusabteilung in Ruandas Investmentbehörde (RDB). „Es ist jedoch | |
im Interesse aller, dass wir sicher und zu Hause bleiben, während wir | |
zusammen mit unseren Partnern daran arbeiten, einen auf Immersion | |
beruhenden Inhalt anzubieten, wie diesen Gorilla-Virtual-Reality-Film.“ | |
Der [1][fünfminütige Film,] der auch ohne Virtual-Reality-Brille abrufbar | |
ist, wurde am 22. April anlässlich des 50. Internationalen Tags der Erde | |
online gestellt. Der Tag der Erde wurde 1970 auf Initiative der UN-Agentur | |
für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco), die zahlreiche Nationalparks | |
weltweit zum Weltkulturerbe erklärt hat, zum ersten Mal begangen und soll | |
auf das Problem der Umweltzerstörung aufmerksam machen. | |
## Ruanda will Tourismus | |
Dieses Jahr fielen die Feierlichkeiten in die Coronapandemie und konnten | |
aufgrund der Ausgangs- und Reisebeschränkungen in den meisten Ländern nicht | |
durchgeführt werden. So riefen die Akteure auf, digitale Events online | |
anzubieten. Ruandas Beitrag war die Online-Gorillasafari: „Wir hoffen, dass | |
die Leute von ihrem komfortablen Zuhause aus die virtuelle Erfahrung | |
genießen, durch den Dschungel zu marschieren und mit den freundlichen | |
Giganten im Vulkannationalpark zu interagieren“, so Kariza. | |
Noch ist die Onlinesafari kostenlos und mehr ein Testlauf denn ein reales | |
Marketinginstrument. Der berühmte Kruger-Nationalpark probiert diese | |
Onlinesafari-Methoden bereits seit 2019 als Marketing-Strategie aus und | |
bietet die Filmchen auf Youtube an. Afrikas Behörden sehen darin nun | |
Chancen, solche Onlineangebote auch in Zukunft einzuführen. Die Coronakrise | |
beschleunigt nun die Umsetzung dieser Ideen. | |
Der Grund ist auch ein finanzieller: Ruandas Bruttosozialprodukt | |
erwirtschaftet bis zu 15 Prozent des gesamten Budgets aus der | |
Tourismusbranche. Das kleine Land, das nicht über viele Ressourcen verfügt, | |
hat sich auf den Dienstleistungssektor als Entwicklungsmotor konzentriert. | |
Von Hotels über Safariunternehmen bis hin zum stetigen Ausbau der | |
Nationalparks versucht Ruanda, internationale und vor allem gut betuchte | |
Touristen anzulocken. Erst im Februar hat Ruandas Präsident Paul Kagame | |
hoch oben in den Vulkanbergen das teuerste Luxushotel des Landes eröffnet. | |
Superreiche können dort nach der Gorillasafari für über 10.000 Dollar pro | |
Person übernachten. | |
Im Jahr 2018 investierte Ruandas Investmentbehörde, die auch für den | |
Tourismus zuständig ist, dafür 40 Millionen Dollar in einen Deal mit dem | |
weltweit berühmten englischen Fußballverein Arsenal als Strategie, | |
Touristen anzuwerben. Die Einkünfte aus dem Sektor sollen langfristig dafür | |
sorgen, das kleine Land im Herzen Afrikas von internationalen Hilfsgeldern | |
unabhängig zu machen. | |
## Besuch bei den Berggorillas | |
Die Ruander haben in den vergangenen Jahren gewaltig investiert: in Hotels, | |
Straßen, Nationalparks. Derzeit wird ein neuer internationaler Flughafen | |
gebaut, der modernste in Afrika. Die halbstaatliche Fluggesellschaft | |
Rwandair fliegt mittlerweile nicht nur alle größeren Hauptstädte Afrikas | |
an, sondern auch Brüssel, London und bald auch New York. In Ruandas | |
Hauptstadt Kigali überragt das drittgrößte Konferenzzentrum des Kontinents | |
die Hausdächer – übrigens von deutschen Architekten entworfen. Jetzt geht | |
es darum, Kunden anzulocken, um die Hotelbetten auch vollzukriegen. | |
Aushängeschild Ruandas ist der mögliche Besuch bei den weltweit | |
einzigartigen Berggorillas, die nur hoch oben in den Virunga-Vulkanbergen | |
im Dreiländereck zwischen Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik | |
Kongo zu Hause sind. Die Gesamtpopulation beläuft sich auf schätzungsweise | |
rund 1.000 Tiere. Im Jahr 1980 waren es nur rund 250. Seither steigt die | |
Zahl der bedrohten Tiere aufgrund drastischer Schutzmaßnahmen fast | |
kontinuierlich wieder an. 2011 kam es zum letzten großen Massaker an | |
Berggorillas auf der ugandischen Seite der Bergkette, im | |
Bwindi-Nationalpark. | |
Ruanda beherbergt derzeit rund 480 Berggorillas, die jedoch zwischen den | |
drei Ländern regelmäßig hin- und herwandern. In Kriegszeiten im Ostkongo | |
retteten sich in der Regel Gorillafamilien nach Ruanda oder Uganda. Jüngst | |
ist eine Gruppe, die sich seit Oktober 2019 in Uganda aufgehalten hat, | |
wieder nach Ruanda zurückmigriert. | |
Nicht alle Gorillafamilien sind durch jahrelange Arbeit von Wildhütern der | |
nationalen Parkverwaltung und Biologen an Menschen gewöhnt. In Ruanda sind | |
nur sieben Gruppen „habituiert“, also an Menschen gewöhnt. Laut | |
internationalen Bestimmungen dürfen stets nur acht Besucher täglich je eine | |
Stunde mit den seltenen Tieren verbringen, um sie nicht zu sehr zu stören | |
und das Risiko von Infektionen zwischen Tier und Mensch niedrig zu halten. | |
Das begrenzt die Zahl der Besucher auf 56 pro Tag in Ruanda. Ein Ticket | |
kostet pro Person 1.500 US-Dollar. In den Nachbarländern sind die Gebühren | |
deutlich geringer. | |
Aufgrund der Ansteckungsgefahr des Coronavirus von Menschen auf Gorillas | |
haben die Nationalparks in den drei Ländern bereits Ende März Touristen | |
jeglichen Zutritt untersagt. Seit Mitte März sind zudem der internationale | |
Flughafen in Ruandas Hauptstadt und alle Landesgrenzen für Reisende | |
geschlossen. Dies bedeutet nun enorme Verluste für Ruandas Wirtschaft. | |
Um solche Einbrüche durch Pandemien oder andere internationale | |
Reisebeschränkungen in Zukunft abzufangen, bieten virtuelle Safaris eine | |
Möglichkeit, auch online Gebühren zu verlangen. Programmiert wurde die | |
Software von dem örtlichen Start-up-Unternehmen AOS, das seine Dienste | |
nicht nur der Regierung, sondern auch den Banken und der Tourismusbranche | |
anbietet. Virtual Reality gilt bei AOS als die neue Idee. „Wir glauben, | |
dass dies die Industrie ankurbeln wird und die Erfahrungen für die Nutzer | |
auf eine ganz neue Stufe heben wird.“ | |
30 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://TheEllenFund.org/getvr | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Ruanda | |
Tiere | |
Regenwald | |
Menschenaffen | |
Afrika | |
Nationalparks | |
Ruanda-Völkermordprozess | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Begegnung mit Wildtieren: Heia Safari | |
Auf den Spuren von Dickhäutern und Dickköpfen in der afrikanischen | |
Savannah. Und ein Hippo, direkt vor der eigenen Haustür. | |
Wald der Zukunft: Tanz der Glühwürmchen | |
Der Nationalpark Thayatal ist der kleinste in Österreich und der | |
versteckteste. Hier wird nicht nur bewahrt, sondern auch experimentiert. | |
Ruandas berühmter Regimekritiker in Haft: Kampf um die Deutungshoheit | |
Der Spielfilm „Hotel Ruanda“ machte aus Paul Rusesabagina international | |
einen Helden. Jetzt sitzt er hinter Gittern. | |
Lagebericht aus Ruanda: Ohne Bargeld unterwegs | |
Ruanda hat seine Sicherheitsmaßnahmen in der Coronakrise straff | |
organisiert. Kontaktlose Seifenspender und Bezahlen via App sind beliebt. | |
Ruandas Völkermord-Financier in Haft: Aus für Félicien Kabuga | |
Auf der Liste weltweit gesuchter Täter des Völkermordes in Ruanda stand | |
Félicien Kabuga ganz oben. Jetzt wurde der 84-Jährige nahe Paris | |
geschnappt. | |
Güterverkehr in Ostafrika: Corona auf dem Beifahrersitz | |
Vor allem Lkw-Fahrer aus Tansania und Kenia schleppen das Virus in die | |
Nachbarländer Uganda und Ruanda ein. Neue Tests sollen helfen. |