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# taz.de -- Deutschland lockert Grenzkontrollen: „Neugier wie vor 30 Jahren�…
> Deutschland kündigt an, Reisebeschränkungen zu lockern. Urlaubsreisen
> aber bleiben weiter tabu – auch für Trabifahrer.
Bild: Trabi von zwei Chemnitzern, die nach Österreich wollten, mit ihrem Vorha…
Berlin/ Garmisch-Partenkirchen taz | Der Ausflug über die Grenze dauerte
nur zehn Minuten. Nach vier Kilometern stoppte die österreichische
Grenzpolizei Ralf und Otti Lohr, die am Tag zuvor mit ihrem Trabi von
Chemnitz in Sachsen nach Garmisch-Partenkirchen in Bayern gefahren waren.
„Es ist ja nur die Neugier, wie vor 30 Jahren“, sagt Ralf Lohr hinter dem
Lenkrad, den linken Arm aus dem offenen Seitenfenster gelehnt.
Er findet es schade, dass die Österreicher sie nicht mal in den ersten Ort
hinter der Grenze lassen. Auf dem ersten Waldparkplatz in Tirol mussten sie
umdrehen. Touristen dürfen noch nicht rein, auch keine Pendler auf dem Weg
nach Füssen und ins Allgäu. Nur wer einen triftigen beruflichen Grund hat,
durfte am Mittwoch von Deutschland nach Österreich oder umgekehrt
einreisen. Seit gestern jedoch von 6 bis 20 Uhr und nicht mehr nur in
zweistündigen Zeitfenstern am Morgen und Abend. Früh um 8 Uhr am Mittwoch
hörte sich das bei dem deutschen Polizisten noch anders an. Durchfahren
nach Füssen? „Ja, das müsste schon möglich sein“, sagt der Polizist auf …
Frage einer staunenden Anwohnerin. Wie bitte? „Ja, das gilt seit heute.“
Das gilt [1][seit Horst Seehofers Bekanntgabe] nun erst ab Samstag, 16.
Mai.
Am Mittwochvormittag kündigte der Bundesinnenminister in Berlin die
schrittweise Rücknahme der Reisebeschränkungen an. Damit gab Seehofer auch
[2][dem Druck nach, der in den vergangenen Tagen immer größer geworden
war.] Pendler, Länderchefs, sogar die Mehrheit der Unionsabgeordneten im
Bundestag forderten angesichts sinkender Infektionszahlen ein Ende der
strengen Grenzkontrollen.
Die wichtigste Nachricht: Allmählich soll das freie Reisen nach Schengener
Abkommen wieder möglich werden. Die gegenseitigen Grenzkontrollen zwischen
Deutschland einerseits und Frankreich, Österreich und der Schweiz
andererseits sollen von diesem Samstag an gelockert werden. Statt
systemisch sollen Grenzbeamte nur noch stichprobenartig kontrollieren.
Auch sollen „möglichst alle Grenzübergangsstellen“ geöffnet werden, wie
Seehofer sagte. Bislang ist das Passieren nur an bestimmten Stellen
möglich. Zugleich soll ein größerer Personenkreis die Grenzen passieren
dürfen, so etwa unverheiratete Paare zum gegenseitigen Besuch. „Da möchte
ich, dass wir großzügiger agieren“, sagte Seehofer.
Die neuen Regelungen hat Berlin gemeinsam mit den Regierungen in Paris,
Wien und Bern beschlossen. Sie gelten zunächst bis einschließlich 15. Juni.
Sollte sich das Infektionsgeschehen bis dahin weiter positiv entwickeln,
sollen die Kontrollen danach ganz wegfallen. Dann könnte es ab Mitte Juni
wieder „freien Reiseverkehr“ geben, wie der Innenminister sagte. Die Grenze
zu Luxemburg soll bereits an diesem Samstag wieder vollständig durchlässig
werden – wie die deutschen Grenzen zu Belgien und den Niederlanden, wo es
bis heute keine Kontrollen gibt.
## Status kompliziert
Für Deutschlands nördlichste Grenze zu Dänemark bleibt es hingegen beim
Status quo der Kontrollen, auch wenn Seehofer hier ebenfalls Änderungen in
Aussicht stellte: „Wir sind prinzipiell bereit, Kontrollen zu beenden“.
Doch will Kopenhagen derartige Schritte zunächst mit dem schwedischen
Nachbarn abstimmen. Der Innenminister erwartet hier „in den nächsten Tagen“
Klarheit. Bleibt Deutschlands östliche Grenze zu Polen und Tschechien. Hier
gibt es auf deutscher Seite keine Kontrollen, aber von der jeweils anderen.
Warschau und Prag wollen daran zunächst festhalten.
Als weitere Lockerung empfahl Seehofer am Mittwoch ein Auslaufen der
[3][bislang geltenden Quarantänebestimmungen]. Bislang muss sich jeder, der
aus einem europäischen Nachbarland einreist, für zwei Wochen in Quarantäne
begeben. „Wir empfehlen, diese ab 16. Mai abzuschaffen“, sagte Seehofer.
Adressat sind hier die Länder, die diese Empfehlung umsetzen müssen.
Wenig ändert sich in Hinblick auf die nach wie vor stark von der Pandemie
betroffenen Regionen. So unterliegen Flüge von und nach Spanien und Italien
weiterhin strengen Kontrollen. Auf Empfehlung der EU-Kommission gelten
zudem weiterhin die strikten Ein- und Ausreisebestimmungen für das
EU-Ausland. Einreisende aus Staaten wie den USA oder Russland müssen
weiterhin in die zweiwöchige Quarantäne.
„Wir haben einen ausbalancierten Weg gefunden“, sagte Seehofer über die
neuen Regelungen: einerseits, durch weiterhin bestehende Beschränkungen das
Infektionsgeschehen zu kontrollieren, andererseits eine Perspektive für
die Zeit nach Mitte Juni zu geben. Auch die Kanzlerin hatte jüngst erklärt,
dass die Reisebeschränkungen nicht „bis Ultimo“ bestehen sollten. Was
Seehofer jedoch auch klarmachte: Trotz der weniger strikten Grenzkontrollen
sollten Urlaubsreisen weiter tabu bleiben. Er bezog sich dabei auf die bis
Mitte Juni geltende weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Sollten
die Infektionszahlen wieder steigen, könnten die Lockerungen wieder rasch
passé sein.
Der Opposition gehen die neuen Regelungen nicht weit genug. Franziska
Brantner von den Grünen forderte „Konzepte für lokale Lockdowns, um gezielt
zu reagieren, wenn die Infektionszahlen lokal wieder steigen“. Andernfalls
sei die Versuchung groß, jedes Mal neu die Grenzen zu schließen, sagte sie.
Konstantin Kuhle von der FDP verlangte, ähnliche Übereinkünfte wie mit
Frankreich auch mit Polen und Tschechien zu schließen.
Ralf und Otti Lohr bleiben nun in Garmisch-Partenkirchen. 1990 führte ihre
erste Reise in die Gegend, wegen der Berge. Verlobt haben sie sich damals
dort, dann ein Jahr später im Erzgebirge geheiratet, und 30 Jahre später
wollten sie mal sehen „ob es vielleicht wieder die Möglichkeit gibt, was
ausfindig zu machen“. 30-mal sind sie schon mit dem zum Camper ausgebauten
Trabi nach Kroatien gefahren oder waren auch im spanischen Galizien.
„Es kribbelt ein bisschen – wie damals“, sagte Lohr, bevor er durch die
rot-weiß gestreifte Metallabsperrung von Deutschland nach Österreich fuhr.
Nur mussten sie dann eben doch schnell wieder zurückkehren. Er und Otti
wissen, dass sie auch aussehen wie 1989, als die deutsch-deutsche Grenze
sich öffnete und die Ostdeutschen in den Westen fuhren. Im Trabi. „Die
ganze Zeit erinnert uns an 1989 kurz vor dem Mauerfall“, sagt Lohr. „Uns
werden die Grundrechte genommen.“ Demonstriert haben sie deswegen auch
schon. „Wir haben Respekt vor den Obrigkeiten, aber wir lassen uns nichts
vormachen.“
13 May 2020
## LINKS
[1] /Seehofers-Entscheidung-in-Coronakrise/!5685575
[2] /-Corona-News-vom-9-Mai-/!5683725
[3] /Corona-Einreiseregeln-in-Europa/!5684698
## AUTOREN
Daniel Godeck
Ulrike Fokken
## TAGS
Horst Seehofer
Schengen-Raum
Grenzkontrollen
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