| # taz.de -- LGBT und Corona in Georgien: Ausdruck äußerster Verzweiflung | |
| > In Tiflis steckt sich eine Trans-Frau in Brand. Vor allem in der jetzigen | |
| > Krise fühlen sie und Gleichgesinnte sich vom Staat alleingelassen. | |
| Bild: Die LGBT-Bewegung in Georgien muss zu äußersten Mitteln greifen. Hier A… | |
| Berlin taz | Selbstanzündung als ultimativer Hilfeschrei: Am Donnerstag | |
| abend hat sich eine [1][Trans-Frau] vor dem Rathaus der georgischen | |
| Hauptstadt Tiflis in Brand gesetzt. Zuvor hatte sich dort eine kleine | |
| Gruppe versammelt, um gegen die Untätigkeit der Regierung während der | |
| Corona-Pandemie zu demonstrieren. | |
| Da Polizeikräfte schnell einschritten, erlitt Madona Kiparoidze keine | |
| schweren Verletzungen. Nachdem sie kurzzeitig festgenommen worden war, | |
| wurde sie in ein Krankenhaus gebracht. | |
| „Ich bin eine Trans-Frau und habe mich angezündet, weil der georgische | |
| Staat sich nicht um mich kümmert“, rief sie nach ihrer Festnahme. „Wir | |
| können noch einmal mehr unsere Miete bezahlen. Was sollen wir denn machen“, | |
| sagte ein anderer Demonstrant gegenüber dem Fernsehsender Pirveli. | |
| Seit Mitte März herrscht in der Südkaukasusrepublik Georgien wegen Corona | |
| eine landesweite Ausgangssperre. Diese Maßnahme trifft vor allem | |
| Trans-Menschen besonders hart. Da sie ihre Geschlechteridentität nicht | |
| legal anerkennen lassen können, werden sie auf dem Arbeitsmarkt massiv | |
| diskriminiert und haben oft keinen Zugang zu Sozialdiensten. Die meisten | |
| von ihnen verdienen daher ihren Lebensunterhalt als SexarbeiterInnen. | |
| ## Extreme Bedingungen | |
| Aber auch ohne den Corona-Virus leben LGBT-Menschen in Georgien unter | |
| extremen Bedingungen. Denn aus weiten Teilen der Gesellschaft schlägt ihnen | |
| blanker Haß entgegen, den die einflussreiche Orthodoxe Kirche nach Kräften | |
| schürt. Prügeleien und schwere Zusammenstösse bei Homo-Paraden, so sie | |
| überhaupt stattfinden dürfen, sind der Normalzustand. Dabei marschieren | |
| häufig auch Popen in der ersten Reihe mit. | |
| Im vergangenen Januar wurde eine Trans-Frau, die in einem Tifliser | |
| Supermarkt arbeitet, während ihrer Nachtschicht von einem Mann angegriffen. | |
| Dieser hatte sie zuvor mit [2][transphoben Sprüchen] beleidigt. | |
| Laut einer Umfrage des Tifliser Instituts NDI/CRRC vom vergangenen | |
| September war fast die Hälfte der Befragten der Meinung, dass die Rechte | |
| von LGBT-Menschen keines besonderen Schutzes bedürfen. Lediglich bei den | |
| unter 35jährigen beginnt sich dieser Trend langsam umzukehren. | |
| Auch der Staat tut bislang wenig bis gar nichts für eine effektive | |
| Durchsetzung der Rechte dieser Minderheit. Zwar gibt es im Strafrecht seit | |
| mehreren Jahren einen besonderen Passus, der Diskriminierung aufgrund von | |
| sexueller Orientierung und Geschlechteridentität als „Straftat unter | |
| erschwerten Umständen“ klassifiziert und entsprechend härter sanktioniert. | |
| Doch in der Praxis wird diese Vorschrift kaum angewendet. | |
| ## Nichts zu essen | |
| „Von den LGBT-Menschen sind Trans-Personen die am stärksten marginalisierte | |
| Gruppe. Sie haben jetzt nichts zu essen und kein Dach mehr über dem Kopf. | |
| Doch der Staat ignoriert sie komplett und lässt ihnen überhaupt keine Hilfe | |
| zuteil werden“, sagt Tamara Pasmadse von der Nichtregierungorganistion | |
| „Bewegung für Gleichheit“, die sich für die Rechte der LGBT-Community | |
| einsetzt. | |
| Gemeinsam mit Gleichgesinnten und anderen Aktivisten versucht die Bewegung | |
| derzeit Gelder aufzutreiben, um die Betroffenen in der Corona-Krise so gut | |
| es geht zu unterstützen. „Eine andere Möglichkeit gibt es nicht“, sagt | |
| Pasmadse. „Denn auf den Staat zu hoffen, ist sinnlos.“ | |
| 1 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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