| # taz.de -- Berliner Museen machen auf: Schau mal, die Aura! | |
| > Immer mehr Türen werden aufgemacht, und so kann man zumindest in manchen | |
| > Berliner Museen erneut das Besondere sehen: Da ist ja wieder die Kunst. | |
| Bild: Popbuntes Versprechen | |
| Wie sie einen schon anschaut, irgendwie leicht von oben herab lächelnd. So | |
| verführerisch, diese Marilyn Monroe. Da will man ihr doch gleich | |
| zuzwinkern. Sie genauer in den Blick nehmen. | |
| Und das darf man jetzt ja auch wieder, diese direkte Zwiesprache mit der | |
| Kunst suchen. Dort, wo sie ihr schönstes Zuhause hat, in den Berliner | |
| Museen. | |
| Im Kulturforum ist so seit Dienstag die von Andy Warhol grell auf Pop | |
| geschminkte Marilyn Monroe zu sehen mit den knallgelben Haaren. Die | |
| Lidschatten: zwei Wogen Türkis. Der Mund: ein roter Klecks. Das Bild der | |
| Schauspielerin mit farblichen Ausrufezeichen, was in der frisch eröffneten | |
| „Pop on Paper“-Schau aus dem Bestand des Kupferstichkabinetts mit weiteren | |
| Warhol-Marilyns noch bunt weiter durchgespielt wird in der zehnteiligen | |
| Serie. | |
| Mit Arbeiten von Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg oder James Rosenquist | |
| gibt es neben Warhol weitere Pioniere und Großmeister der Pop-Art zu sehen, | |
| mit Sigmar Polke und Maria Lassnig geht es von der US-amerikanischen | |
| Druckgrafik auch nach Europa, von den sechziger Jahren des vergangenen | |
| Jahrhunderts kommt man bis in die Gegenwart mit dieser Schau. | |
| Und wenn man sich an dem Pop und den Farben satt gesehen hat (oder wenn man | |
| zur ersten Wiederannäherung an die Kunst lieber etwas weiter zurück will in | |
| der Kunstgeschichte), kann man gleich nebenan dem Raffael seine Aufwartung | |
| machen und sich das in der Gemäldegalerie eingerichtete Treffen seiner | |
| Madonnenbilder begucken – eine zum 500. Todestag Raffaels in diesem Jahr | |
| eingerichtete und wegen Corona lange unbeachtet und siech liegende Schau. | |
| Jetzt mag man vielleicht einwenden, dass die Kunst doch gar nie wirklich | |
| weg war und Raffaels Madonnen genauso wie Warhols Monroes immer präsent | |
| blieben, wenn man nur wollte. Weil man die Kunst ja in Reproduktionen zu | |
| sich nach Hause kommen lassen kann (und im Netz sowieso). Aber es ist halt | |
| was ganz anderes, wenn man selbst zur Kunst geht, ins Museum, das als | |
| besonders herausgehobener Ort schon ein Auraraum ist, der gleich noch die | |
| dort ausgestellte Kunst mit Aura aufpumpt. | |
| ## Etwas zart Streichelndes, Besonderes | |
| Die Aura also. In der griechischen Mythologie ist sie die Göttin der | |
| Morgenbrise. Man darf sich etwas Leichtes vorstellen unter ihr. Etwas zart | |
| Streichelndes, Besonderes, das sich gar nicht so genau fassen lässt und das | |
| man trotzdem nicht allein den Esoterikern überlassen sollte. Auch wenn die | |
| Aura verkümmern mag „im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des | |
| Kunstwerks“, wie es Walter Benjamin in seinem berühmten Aufsatz | |
| festgestellt hat. | |
| Und wenn man jetzt so manches in den Museen wieder schauen kann, „normal“ | |
| ist da noch lange nichts. Große Ausstellungen, die eigentlich gerade | |
| eröffnet werden sollten, wie „Dekadenz und dunkle Träume“ über den | |
| belgischen Symbolismus in der Alten Nationalgalerie, müssen verschoben | |
| werden, längst noch nicht alle Häuser der Staatlichen Museen Berlin haben | |
| geöffnet. | |
| Bei dem eingetrübten Geschäftsgang scheint die Besonderheit Aura, wenn sie | |
| für die Betrachtenden wirklich gelten soll, dann sogar mal wirklich | |
| abmessbar. Weil man mit dem Besonderen doch allein sein will für sich und | |
| muss in diesen Social-Distancing-Zeiten. Damit sich also niemand in den | |
| jeweiligen Auraraum reindrängelt, muss sie eben bis auf weiteres eineinhalb | |
| Meter messen, die Aura. Mindestens. | |
| 16 May 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Mauch | |
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