# taz.de -- Abgeordnetenhaus debattiert zu Corona: Gastronomie darf hoffen | |
> Die Opposition drängt, Beschränkungen zurückzufahren. Nach Merkel-Schalte | |
> spricht Berliner Regierungschef von Fahrplan für Restaurants ab 6. Mai. | |
Bild: Noch sitzt hier niemand: Café im Berliner Nikolaiviertel | |
Berlin taz/dpa | UPDATE 1.5. Berlins Regierender Bürgermeister Michael | |
Müller (SPD) hofft nach einer Schaltkonferenz von Bund und Ländern am | |
Donnerstagabend auf erste Öffnungsperspektiven für geschlossene Restaurants | |
und Hotels in der kommenden Woche. „Mir ist vor allem wichtig, dass wir uns | |
darauf verständigen konnten, dass für den Hotel- und Gastronomiebereich bis | |
zur nächsten Konferenz Rahmenbedingungen für mögliche Öffnungen erarbeitet | |
werden“, erklärte Müller am Abend nach der Schalte mit Kanzlerin Angela | |
Merkel (CDU) und den anderen Länderchefs. | |
Die nächste derartige Konferenz ist für kommenden Mittwoch (6. April) | |
geplant. „Ich erwarte, dass wir dann gemeinsam mit Bund und Ländern einen | |
Phasenplan beschließen können, damit sich dieser für Berlin so wichtige | |
Wirtschaftssektor entsprechend vorbereiten kann“, so Müller. „Diese | |
Forderung habe ich für Berlin auch deutlich formuliert. Es geht hier | |
schließlich auch um Arbeitsplätze.“ | |
Zuvor sprachen am Nachmittag bei der Parlamentssitzung am immer wieder | |
desinfizierten Rednerpult im Berliner Abgeordnetenhaus alle davon, dass man | |
mit dem Virus noch länger werde leben müssen – von der | |
SPD-Gesundheitssenatorin, die einen rationalen Umgang damit fordert, bis | |
hin zur AfD, die alle Corona-Einschränkungen aufheben will. Dieses | |
Mit-einem-Virus-leben kennt aber an diesem Vormittag im Abgeordnetenhaus | |
vor allem einer der Redner. „Ich weiß aus eigener Erfahrung: Es ist nicht | |
leicht, aber es geht“, hören die Parlamentarier von ihrem Kollegen Carsten | |
Schatz von der Linkspartei – [1][Schatz erfuhr schon 1991, dass er | |
HIV-positiv ist]. | |
Es ist auch eine Plenarsitzung, in der auch Abgeordnete der rot-rot-grünen | |
Koalition mehr Mitsprache in der Debatte über die Corona-Einschränkungen | |
fordern. „Es kann nicht sein, dass der Senat dauerhaft am Parlament vorbei | |
regiert“, kritisiert der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, | |
Thomas Isenberg. Sein Parteifreund Torsten Schneider, als parlamentarischer | |
Geschäftsführer eine zentrale Figur bei den Sozialdemokraten, hat | |
[2][jüngst schon im taz-Interview] mehr Transparenz angemahnt: „Wir sind | |
nun in einer Phase, in der die Bürger nachvollziehen wollen, warum das eine | |
so und das andere so entschieden wird.“ | |
Diese Haltung findet sich am Donnerstag fraktionsübergreifend wieder. Als | |
Konsequenz sollen die Fachausschüsse des Parlaments in den nächsten Wochen | |
die Corona-Rechtsverordnungen des Senats beraten. Möglich ist auch, dass | |
die Abgeordneten dazu eigene Experten anhören. | |
Dass die Opposition auf Lockerungen drängt, überrascht wenig – höchstens | |
bei der CDU, weil ja Kanzlerin Merkel vor einer Woche vor | |
„Öffnungsdebattenorgien“ warnte. Der christdemokratische Fraktionschef | |
Burkard Dregger drängt auf einen Infektionsschutzplan für Hotellerie und | |
Gastronomie – „es geht um die zehntausend wirtschaftliche Existenzen in | |
Berlin“, sagte Dregger. Aus seiner Sicht haben Lockerungen keine allgemeine | |
Laxheit im Umgang mit dem Virus zur Folge – „wenn wir verlässliche | |
Perspektiven schaffen, dann erhöhen wir die Bereitschaft zum Durchhalten. | |
## Perspektive für Gastronomie | |
Eher als das überrascht an diesem Morgen, dass auch Regierungschef Michael | |
Müller (SPD) Lockerungsübungen nicht gänzlich ablehnt. Er bekommt nur den | |
Anfang der Debatte im Plenarsaal mit, weil er mittags zur Videokonferenz | |
mit der Kanzlerin und den anderen Ministerpräsidenten muss. Der Deutschen | |
Presse-Agentur, die ihn kurz vorher abfängt, sagt er aber fast wortgleich | |
mit Dregger: “„Auch wenn es zu früh ist, einen konkreten Zeitraum zu | |
nennen, müssen wir aber zum Beispiel der Gastronomie und der Hotellerie | |
eine Perspektive geben.“ Konkret sieht er bei wärmeren Temperaturen | |
„flexible Möglichkeiten“ in der Außengastronomie. | |
Der FDP-Gesundheitspolitiker Florian Kluckert hält noch viel mehr für | |
möglich: Wenn nun die Lufthansa mit neuer Maskenpflicht keine Mittelsitze | |
in ihren – derzeit aber nicht ausgelasteten – Flügen frei halten wolle, | |
„warum geht das nicht auch im Theater?“ Ob bei der aus seiner Sicht | |
verspäteten Maskenpflicht in Bus und Bahn oder bei der Vorbereitung der | |
Abiturprüfungen, an vielen Stellen sieht Kluckert Versäumnisse: „Der Senat | |
hat die Krise nicht gemeistert, er hat sie auch nicht gemanagt, ich würde | |
sagen, er hat sie verschlafen“. | |
Die Grünen-Abgeordnete Catherina Pieroth-Manelli forderte, in einem | |
Expertenrat verschiedene Fachleute anzuhören, nicht nur Mediziner, sondern | |
beispielsweise auch Soziologen und Psychologen. In diese Richtung hatte den | |
Senat in der vorangegangenen Plenarsitzung [3][Anfang April schon die | |
AfD-Abgeordnete Kristin Brinker gedrängt], allerdings mit anderer | |
Schwerpunktsetzung: „Lassen Sie sich von einem Expertengremium beraten, das | |
nicht nur aus Virologen und Medizinern besteht, sondern auch aus Ökonomen, | |
Finanzwissenschaftlern, Zukunftsforschern.“ | |
Gesundheitssenatorin Kalayci greift als Schlussrednerin die Kritik kaum auf | |
und berichtet den Parlamentariern stattdessen, dass das | |
Corona-Notfall-Krankenhaus auf dem Messegelände nach vier Wochen Aufbauzeit | |
fertig sei. Vorerst soll es dort 500 Betten mit hundert Beatmungsgeräten | |
geben, Platz sei bei Bedarf für 1000. | |
## Kalayci: „Keine Entwarnung“ | |
Nachdem Berlin am Dienstag erst als letztes der 16 Bundesländer eine | |
Maskenpflicht beim Einkaufen beschloss, drängt es Kalayci merklich | |
klarzumachen, dass Berlin bei der Corona-Bekämpfung alles andere als hinten | |
dran war. „Wir haben die ITB (Internationale Tourismus-Börse, d. taz) | |
abgesagt, obwohl wir noch keinen einzigen Fall hatten“, erinnert Kalayci an | |
die anfangs vielfach kritisierte Entscheidung Ende Februar. Aktuell kommen | |
nach ihren Zahlen in Berlin aktuell 155 Corona-Fälle auf 100.000 Einwohner, | |
bundesweit sind es 188, in Brandenburg 114. „Es gibt keine Entwarnung“, | |
sagt Kalayci – wenn man nicht aufpasse, sei man wieder am Anfang der | |
Eindämmung. | |
30 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Archiv-Suche/!450644&s=schatz+carsten+antje&SuchRahmen=Print/ | |
[2] /Mitspracherecht-der-Parlamente/!5678728&s=torsten+schneider/ | |
[3] https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/protokoll/plen18-057-pp.pdf | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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