# taz.de -- Studie zur Übertragung des Coronavirus: Wie gefährlich sind die E… | |
> Kitas und Schulen haben wegen der Coronakrise geschlossen. Ob sich das | |
> Virus unter Kindern überhaupt ausbreitet, wollen Forscher herausfinden. | |
Bild: Seit sechs Wochen sind Kinder starken Einschränkungen unterworfen. Muss … | |
BERLIN taz | Vor sechs Wochen wurden die Kitas und Schulen in Deutschland | |
wegen der [1][Coronakrise] flächendeckend geschlossen. Millionen Kinder und | |
Jugendliche sind seither sozial isoliert, von Freunden und Bildung | |
weitgehend abgeschnitten. Ein Beweis dafür, dass diese Einschränkungen | |
wirklich einen Nutzen haben, fehlt aber bisher: Die Annahme, dass Kinder | |
starke Virusüberträger seien und damit die Gesundheit anderer Menschen | |
gefährdeten, ist bislang epidemiologisch nicht belegt. | |
Diese Wissenslücke will die grün-schwarze Landesregierung in | |
Baden-Württemberg nun schließen. Sie hat eine Screening-Studie beauftragt, | |
die zwei zentrale Fragen beantworten soll: Wie häufig sind Kinder unter | |
zehn Jahren von Covid-19 betroffen? Und welche Rolle spielen sie bei der | |
Verbreitung des Virus? | |
Dazu werden Mediziner der vier baden-württembergischen Unikliniken | |
Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm in den nächsten zwei Wochen | |
insgesamt 2.000 Eltern-Kind-Paare, 500 an jedem Standort, darauf | |
untersuchen, ob sie aktuell infiziert sind oder die Krankheit unbemerkt | |
durchgemacht haben. In einigen Wochen könnten erste Ergebnisse vorliegen. | |
Das Land finanziert die 1,2 Millionen Euro teure Studie zu 100 Prozent, | |
sagte die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer der taz. | |
Bisher gibt es widersprüchliche Angaben zu der Frage, welche Rolle Kinder | |
in der Coronapandemie spielen. Daten aus China hatten nahegelegt, dass | |
jüngere Kinder aus dortigen Hochrisikogebieten zwar ähnlich häufig | |
infiziert waren wie Erwachsene, aber weitaus seltener erkrankten. Das würde | |
für die These sprechen, dass Kinder etwa für alte Menschen tatsächlich | |
gefährlich sind: Kinder hätten sich angesteckt, merkten dies selbst aber | |
gar nicht und gäben das Virus weiter. | |
## „China ist nicht Deutschland, aber Island auch nicht“ | |
Eine Studie aus Island kam andererseits zum Ergebnis, dass Kinder, die | |
jünger als zehn Jahre alt sind, offenbar sehr viel seltener infiziert sind | |
als Erwachsene. Würde das stimmen, dann ginge von Kindern weniger Gefahr | |
aus: Wer sich selbst nicht ansteckt, kann das Virus auch nicht an andere | |
weitergeben. | |
„China ist nicht Deutschland, aber Island eben auch nicht“, sagt der Leiter | |
der neuen deutschen Studie, Georg Hoffmann, Ärztlicher Direktor der Klinik | |
für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg. „Anderes | |
Klima, Eisbären drumherum“, er lacht ins Telefon, „Sie sehen schon, wir | |
müssen das selbst überprüfen.“ | |
Seit vergangenem Mittwoch nimmt Hoffmann in Heidelberg bei Eltern und | |
Kindern Abstriche aus dem Rachen, um festzustellen, ob sie akut infiziert | |
sind. Seine Medizinerkollegen in Freiburg, Tübingen und Ulm haben damit am | |
Montag begonnen. Außerdem untersuchen sie über Blutproben der | |
Studienteilnehmer, ob die Personen die Infektion bereits durchgemacht und | |
entsprechende Antikörper gebildet haben. Die Aussagekraft dieser Bluttests | |
war zwar unlängst im Zusammenhang mit der [2][Heinsberg-Studie der | |
Uniklinik Bonn] angezweifelt worden; in der aktuellen Studie werde aber | |
„eine Kombination mehrerer Tests eingesetzt und die Ergebnisse dadurch | |
validiert“, sagt der Leiter der Virologie am Uniklinikum Heidelberg, | |
Hans-Georg Kräusslich. | |
„Innerhalb einer Familie ist die Ansteckungsgefahr aufgrund der räumlichen | |
Nähe naturgemäß hoch“, erklärt Georg Hoffmann. Demnach wäre es logisch, | |
dass entweder alle infiziert sind – oder zumindest ähnlich häufig. „Sollt… | |
wir aber feststellen, dass Eltern infiziert sind oder die Infektion | |
durchgemacht haben, ihre Kinder aber zumeist nicht, dann könnten wir sagen: | |
Kinder stecken sich offenbar viel seltener an.“ Zugleich wäre damit klar: | |
Eine Gefahr stellen Kinder, anders als bislang angenommen, bei der | |
Ausbreitung des Virus eher nicht dar. | |
## Großer Andrang | |
Vor Probanden, sagt der Studienleiter, „können wir uns kaum retten“. Das | |
Interesse der Familien, endlich zu wissen, welche Rolle, ihre Kinder bei | |
der Übertragung spielen, sei immens. Rekrutiert wurden die Teilnehmer über | |
Aufrufe in der lokalen Presse, im Rundfunk und über die Internetseiten der | |
Universitätsklinika. | |
Dabei achten Hoffmann und sein Team streng darauf, dass pro Haushalt nur | |
ein Elternteil und ein Kind unter zehn Jahren getestet werden. So können | |
möglichst rasch möglichst viele voneinander unabhängige Haushalte | |
untersucht werden. Weitere Teilnahmevoraussetzung ist, dass in dem Haushalt | |
bislang keine Corona-Infektion bekannt gewesen ist. | |
Außerdem wollen die Forscher zwei Gruppen bilden, um sie anschließend | |
miteinander zu vergleichen: Familien, die ihre Kinder seit den Kita- und | |
Schulschließungen ausschließlich daheim betreut haben, und solche Familien, | |
deren Kinder in der Notbetreuung waren und folglich mehr Kontakte auch zu | |
fremden Kindern und Erwachsenen hatten. | |
Bis zum 7. Mai wollen die Wissenschaftler alle Proben genommen haben; | |
anschließend erfolgen Auswertung und Publikation. „So eine fröhliche | |
Stimmung habe ich selten erlebt“, erzählt der Arzt, „Blut abzunehmen, das | |
tut ja auch weh. Hier aber sagen mir selbst kleinste Kinder: Aber | |
vielleicht darf ich dann bald wieder in die Kita.“ | |
27 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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