# taz.de -- Reichensteuer für Corona: Corona-Vermögensteuer bitte! | |
> Dauerhaftes Homestaying nimmt sogar den richesten Rich People Sahne vom | |
> Kuchen. Andere verticken Zeug auf Ebay. | |
Bild: Da kann man schon mal rot sehen: das coronabedingt verwaiste Areal an der… | |
Die Show-Off-Menschen am anderen Spreeufer, deren auf die Stadt | |
herabblickender Wohnturm uns seit Wochen per LED-Band zur Disziplin | |
ermahnte – #Stay at Home –, sind durch mit Corona. Sie lassen wieder wie eh | |
und je die Worte „Living Levels“ rund um die Krone ihrer strahlend weißen | |
Exklusivimmobilie laufen, den ganzen Abend, die ganze Nacht. | |
Der Projektentwickler, der seinen „Erwerbern“ auf der Website noch ein | |
„gesundes, friedliches und ertragreiches Jahr“ wünscht, sieht nun offenbar | |
doch die Bilanz gefährdet. Dauerhaftes Homestaying nimmt sogar den | |
richesten Rich People einen Schlag Sahne vom Kuchen. | |
Der Regierende Müller übrigens nutzte die sagenhafte Kulisse, um von den | |
Living Levels herunter seinen TV-Silvestergruß zu sprechen. Ich finde das | |
unmoralisch, ist das Hochhaus doch ein Schlag ins Gesicht der im gültigen | |
Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“ im Jahr 2008 formulierten | |
Minimalforderungen: Mindestabstand für Neubauten zum Ufer von 50 Metern, | |
keine Hochhäuser über eine Traufhöhe von 22 Metern. | |
Ich würde diese tausend Plateaus der gelebten Nichtebenheit nur betreten, | |
um die LED-Botschaft da oben zu hacken: Grundeinkommen jetzt! | |
Corona-Vermögensteuer bitte! Veggie-Week in allen Schulkantinen! Parkplätze | |
zu Urban Gardening! Europa together! Welt united! Ach, mir fiele noch mehr | |
ein. | |
Auch uns [1][reicht es mit der wochenlangen häuslichen Zermürbung]. Wir | |
wollen ein paar Tage am Stück im noch kurz vor Ende 2019 ergatterten | |
Bungalow am Oberuckersee verbringen. Die Hütte ist noch nicht eingerichtet, | |
wir wühlen uns durch Ebay-Kleinanzeigen. Finden alles, was wir brauchen. | |
Bekommen innerstädtische Ausflugsziele und flüchtige Sozialkontakte frei | |
Haus. Bei manchen Inserenten fürchtet man, dass sie aus purer Not ihre | |
letzte Pfanne für fünf Euro verticken, viele misten im Homeoffice wohl | |
einfach mal aus. | |
## Die Matratze ist zu laut | |
In Neukölln verkauft ein erst vor Kurzem zusammengezogenes bilinguales Paar | |
die noch fast neue Matratze. Sie sei „zu laut“. Was müssen die jungen | |
Menschen dem Kaltschaum angetan haben! In einem Haus am Kotti stellt mir | |
ein Familienvater, nachdem ich mit einem fürchterlich klapprigen Aufzug | |
weit nach oben gefahren bin, Töpfe auf die Fußmatte, die er in eine, wie | |
die Kinder finden, „sehr schöne“, türkisch beschriftete Plastiktüte gepa… | |
hat. | |
In der Nicht-Gegend zwischen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz händigt | |
mir ein Student mit blonden Pudellocken und angedeutetem Moustache eine | |
Bratpfanne, einen Fön und eine Teekanne aus – man habe Zeit zum Aufräumen, | |
Uni ohne Präsenzpflicht sei schnell gemacht. | |
Weil ich zu faul bin zum Handeln, kriege ich noch zwei Flaschen Sterni | |
obendrauf, was mich ewig jugendlich von meinen Tagen im AZ Wuppertal faseln | |
lässt. Der Student will lieber wissen, woher ich meinen schicken | |
Fjällräven-Rucksack habe, und ich empfehle Wildhood, den „Concept-Store mit | |
den schönen Dingen fürs Draußen-Sein“, den zwei Kita-Bekannte betreiben. | |
Draußen in den Kiefern neben dem Hüttchen lärmen brütende Fischreiher. Die | |
Nachbarin im Bungalow rechts, eine Norma-Kassiererin aus Prenzlau, schenkt | |
den Kindern verspätete Osterhasen und erzählt ihnen, dass die Reiher | |
tellergroße Kotfladen auf Autoscheiben fallen lassen. Die Nachbarin zwei | |
weiter flieht seit sieben Wochen mit Tochter, Schwester und Enkelin die | |
Hellersdorfer Enge und überlässt uns ein Elektroöfchen für die Nacht. | |
Am Abend zeigt der MDR „Die Legende von Paul und Paula“. Bei der | |
rauschhaften Großgruppen-Hochzeitsszene in der Rummelsburger Bucht heule | |
ich wie ein Schlosshund. | |
4 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Alltag-in-Corona-Zeiten/!5674666 | |
## AUTOREN | |
Kirsten Riesselmann | |
## TAGS | |
Kolumne Berlin viral | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Vermögenssteuer | |
Alltag | |
Kolumne Berlin viral | |
Kolumne Berlin viral | |
Kolumne Berlin viral | |
Kolumne Berlin viral | |
Kolumne Berlin viral | |
Kolumne Berlin viral | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gemeinschaft in Coronazeiten: Die Großeltern als Zaungäste | |
Man lernt dazu, unter den Bedingungen von Corona. Spielstraßen sichern, | |
Bäume bewässern, so entstehen neue Gemeinschaftsgefühle in | |
Berlin-Kreuzberg. | |
Virtuelle Konzertbesuche: Herbert von Karajan weist den Weg | |
Die digitale Concert Hall der Berliner Philharmonie zeigt auch Filmdokus. | |
Da kann man sich anschauen, wie Herbert von Karajan glorifiziert wird. | |
In der Schlange vom DriveThru: Ohne Auto ist man nackt | |
Neue Lage, neue Sitten. Da bestellt eine ohne Auto im DriveThru. Ist das | |
überhaupt erlaubt? Oder sogar notwendig wegen Corona? | |
Leben in Corona-Zeiten: Eine absurde Lotterie | |
Gesunde Menschen erkennt man daran, dass sie nicht viel über die | |
Ungleichheit der Corona-Betroffenheit nachdenken. Oder sind das | |
Soziopathen? | |
Begrüßen und Kiffen in Corona-Zeiten: Der Beitrag der DDR zur Einheit | |
Als Kind hat man es gehasst, im alten Westberlin war es verpönt. Nun steht | |
es auf dem Corona-Index: Händeschütteln soll man bleiben lassen. | |
Alltag in Corona-Zeiten: Schön haben wollen’s die Menschen | |
Ob Hipstereltern mit Fashion-Mundschutz für die Kleinen, ob freshe Kids mit | |
Wein: Alle versuchen sich einzurichten. | |
Zunehmender Corona-Disziplinverlust: Keiner hält sich an Einsfünfzig | |
Wir stehen immer später auf, die Kinder gehen immer später ins Bett. Den | |
U-40-Jährigen in Berlin ist die Lust am Abstandhalten abhanden gekommen. |