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# taz.de -- In der Schlange vom DriveThru: Ohne Auto ist man nackt
> Neue Lage, neue Sitten. Da bestellt eine ohne Auto im DriveThru. Ist das
> überhaupt erlaubt? Oder sogar notwendig wegen Corona?​
Bild: Zu Fuss zum McDrive, das haben schon andere probiert
Kürzlich in der Netflix-Playlist sah ich „Curb your Enthusiasm“.
Protagonist Larry David, der in der Serie sich selbst als Filmproduzenten
spielt, hat eine Autopanne. Während er auf den Abschleppdienst wartet,
bekommt er Hunger. Oder Langeweile. Jedenfalls treibt ihn eines der beiden
Gefühle zu einem McDonald's, dessen Schild er verheißungsvoll in der Nähe
leuchten sieht.
Nur noch der Schalter des DriveThru hat offen, also reiht Larry sich in die
Autoschlange ein. Vor ihm ein roter Honda, hinter ihm ein schwarzer Ford,
geht er brav immer zwei Schritte vor, wenn die anderen Autos wieder
anfahren, weil ein Fahrer am Schalter abgefertigt wurde. Als Larry endlich
zur Essensbestellung kommt, sagt man ihm dort, er müsse in einem Auto
sitzen, um bedient zu werden. Dies sei ein Drive Thru.
Larry beugt sich für seine Verhältnisse relativ schnell dieser abstrusen
Verordnung, ist die ganze Serie doch um die nervtötenden Komplikationen
gebaut, die nur deswegen entstehen, weil Larry nie locker lassen kann, wenn
er sich missverstanden oder ungerecht behandelt fühlt.
Er fragt die Fahrer der Autos hinter ihm, ob er sich dazu setzen kann, um
an sein Essen zu kommen. Keine leichte Aufgabe in einem Land, in dem
Paranoia die oft bevorzugte Kulturtechnik ist. Erst nach langem Erklären
und Bitten lässt ihn ein Fahrer auf seinem Beifahrersitz Platz nehmen.
Larry kann bestellen, alles wird gut.
## Es ist eine Schutzmaßnahme
Sie verstehen sicherlich, dass dies eine Versuchsanordnung ist, die man
einfach ausprobieren muss. Vor allem wenn man schon zu lange gelangweilt
auf der Couch gesessen hat. Würde ein DriveThru mich abweisen, wenn ich
mich autolos – in den Augen des ADAC also fast nackt – in die Autoschlange
einreihen würde, um meinen McFlurry zu bestellen?
Niemand kann von mir verlangen, dass ich mich zur Bestellung in einen
McDonald's begebe, [1][wo da doch die ganzen undisziplinierten jungen Leute
in meinem 2-Meter-Radius rumspringen]. Nein, es ist eine
verantwortungsvolle Schutzmaßnahme, wenn ich mich durch den DriveThru
schlängele. Nur ich mit meinem Körperpanzer.
Also fahre ich in die Wrangelstraße, hole Luft und stelle mich an. Hinter
einen silbernen Fiat. Nach einer Minute stellt sich ein schwarzer Ford
hinter mich. Toll, wie im Film. Die Leute in den Autos haben einen
Gesichtsausdruck, gezeichnet von Appetit und der Aussicht, diesen Appetit
bald gestillt zu bekommen. Wie Babys im Kinderwagen.
Ich winke dem Fahrer hinter mir freudig zu. Er zögert und lächelt dann
etwas angespannt, haben wir doch alle gerade etwas mehr Angst als üblich,
dass irgendwo irgendeiner ausflippt. Wir haben gelernt, seltsames Verhalten
unserer Mitmenschen unkommentiert stehen zu lassen.
Zudem könnte es immer sein, dass man die neueste Schutzverordnung noch
nicht mitbekommen hat, die Leute Dinge tun lässt, die man nicht versteht.
Bei Sodom und Gomorrha zwischen stinkenden Autos in der Schlange stehen.
Ich bin dran und ich bin etwas gerührt von meiner eigenen Nervosität.
Der junge Mitarbeiter sieht mich unsicher an. Er scheint zu überlegen, ob
es neue Regeln gibt, von denen ihm keiner was gesagt hat.
„Was darf’s sein?“
„Ein McFlurry, bitte. Mit äh, Cadbury.“
„Da bestellt eine ohne Auto im DriveThru“, höre ich ihn leise zu einem
Kollegen sagen. „Muss man das jetzt? Wegen Sicherheitsabstand?“
Ich gehe mit meinem Eis zurück auf die Couch. Vielleicht habe ich neue
Standards gesetzt. Aus reiner Langeweile.Vielleicht müsst ihr jetzt bald
alle durch den DriveThru gehen. Wie die Ein-Wagen-pro-Person-Maßnahme im
Supermarkt. Wer hat mit dem Quatsch eigentlich angefangen?
8 May 2020
## LINKS
[1] /Ueberwachung-von-Corona-Regeln/!5677198
## AUTOREN
Sarah Diehl
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