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# taz.de -- Regierung plant Immunitätsnachweis: Ein Ausweis der Immunität
> Bürger, die keine Infektionsgefahr darstellen, sollen das künftig amtlich
> bestätigt bekommen. Eine Anwendung für Covid-19 ist aber fraglich.
Bild: „Alles irreal“: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Freiburg taz | Künftig sollen Bürger durch eine „Immunitätsdokumentation“
belegen können, dass von ihnen keine Infektionsgefahr ausgeht. Das
Bundeskabinett hat am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf
beschlossen. Die Regelung soll für alle Arten von Krankheiten gelten, nicht
nur für den Covid-19-Virus. Es ist eher fraglich, ob die Regelung schon
anwendbar ist, da die Immunität von Covid-19-Genesenen noch nicht
wissenschaftlich gesichert ist. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach
deshalb von einer „vorsorglichen“ Regelung.
Über diesen „Immunitätsausweis“ wird seit einigen Wochen diskutiert.
Bürger, die von einer Covid-19-Infektion genesen sind, sollen dies durch
ein Dokument oder eine Chipkarte nachweisen können. Es wird angenommen oder
zumindest unterstellt, dass nach einer überstandenen Infektion eine
Immunität gegen Covid-19 eintritt. Nach Daten der Johns-Hopkins-Universität
gelten derzeit in Deutschland 126.900 Personen als „genesen“. Die
tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen.
Je mehr Genesene es gibt, umso mehr stellt sich die Frage, ob die
allgemeinen Corona-Restriktionen auch für sie gelten. Müssen sie noch
Abstand einhalten und Mundschutz tragen? Warum soll ein genesener Gastwirt
nicht mit genesenem Personal genesene Gäste bewirten dürfen? Genesene
könnten sogar die Justiz anrufen und Ausnahmen für sich verlangen. Dafür
könnte das stets geltende Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel
sprechen, wonach staatliche Eingriffe geeignet, angemessen und eben auch
„erforderlich“ sein müssen.
Die Bundesregierung hat die Diskussion aufgegriffen und will rechtliche
Grundlagen schaffen. Konkret geht es um zwei Änderungen des
Infektionsschutzgesetzes, die in einem größeren Gesetzespaket – dem Zweiten
Corona-Schnellgesetz – enthalten sind. Über das Gesetz soll der Bundestag
bereits am kommenden Donnerstag erstmals beraten. Eine Woche später, am 14.
Mai, soll es beschlossen werden und Mitte Juni in Kraft treten. Dann sollen
in Paragraf 22 die Regeln über den Impfausweis ergänzt werden durch eine
„Immunitätsdokumentation“.
Enthalten soll sie den Namen der Krankheit, das Datum der Feststellung der
Immunität und ihre voraussichtliche Dauer sowie die Testmethode und den
Namen des Arztes, der die Immunität festgestellt hat.
Außerdem soll in Paragraf 28 eine „Klarstellung“ vorgenommen werden. Bei
der Anordnung von Schutzmaßnahmen soll „berücksichtigt“ werden, ob jemand
eine Krankheit „wegen eines Impfschutzes oder einer bestehenden Immunität
nicht oder nicht mehr übertragen kann“. Es geht hier sowohl um individuelle
Maßnahmen (wie die Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten), aber
auch um generelle Einschränkungen (wie die Schließung aller Gaststätten).
## Ausweis ohne Automatismus
Es ist also ausdrücklich kein Automatismus vorgesehen, wonach Personen mit
einem Immunitätsausweis stets von Maßnahmen ausgenommen werden müssen. Laut
Gesetz sind Ausnahmen auch nur dann möglich, wenn der Zweck der Maßnahme
dadurch nicht gefährdet würde.
In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ein Beispiel genannt: „zunächst
völlige Absperrung eines Ortes; wenn dies gelungen und die Lage
beherrschbarer geworden ist, Wiederzulassung nachweislich nicht
ansteckungsfähiger Personen“. Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
versuchte allerdings den Eindruck zu vermeiden, dass hier etwas völlig
Neues geplant sei. „Schon heute kann die Immunität gegen
Infektionskrankheiten im Impfausweis festgehalten werden“, sagte er.
Vor allem aber betonte Spahn, dass es „noch keine abschließenden
wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, ob nach einer durchgemachten
Sars-CoV-2-Infektion eine entsprechende Immunität vorhanden ist“. Derzeit
sei das „alles irreal“, betonte Spahn.
## Die WHO warnt vor der Einführung
Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat aus diesem Grund vor der
verfrühten Einführung von Immunitätsausweisen gewarnt. Und das ist nicht
die einzige Hürde für solche Ausweise. Die Antikörpertests, mit denen
festgestellt werden soll, ob jemand in der Vergangenheit, ohne es sicher zu
wissen, an Covid-19 erkrankt war, sind bisher wohl zu unzuverlässig. So
schlagen manche Tests zum Beispiel auch dann an, wenn jemand an einem
anderen geläufigen Coronavirus erkrankt war.
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte in diesem
Zusammenhang vor einem Immunitätsausweis. Gesundheitsdaten dürften „nicht
zu Diskriminierungen führen“.
Auch in anderen Ländern wird über den Immunitätsnachweis diskutiert. In
Chile stellte Präsident Sebastián Piñera schon am 9. April einen Vorschlag
zur Einführung eines Immunitätsausweises vor. Gesundheitsminister Jaime
Manalich sagte, von einer Covid-19-Erkrankung Genesene seien immun gegen
eine Neuinfektion und könnten das Virus nicht mehr übertragen. Sie würden
„von allen Formen der Quarantäne oder sonstiger Beschränkungen befreit
werden, insbesondere, weil sie helfen können, wo sie keine Gefahr
darstellen“.
Nach scharfer Kritik der Weltgesundheitsorganisation WHO, eine solche
Maßnahme wiege die Betroffenen in falscher Sicherheit, relativierte die
chilenische Regierung die Bedeutung des Dokuments. Es gehe keineswegs um
einen Immunitätsausweis, sagte eine Unterstaatssekretärin des
Gesundheitsministeriums am vergangenen Wochenende.
Dennoch hielt die Regierung an der Einführung des Ausweises fest: Auch wenn
nicht gesichert sei, ob Genesene dauerhaft gegen das Virus immun seien, sei
doch klar, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Personengruppe, sich erneut
zu infizieren, deutlich geringer sei.
Mitarbeit: Bernd Pickert
1 May 2020
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
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Datenschutz
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