# taz.de -- Union-Fanclub zur Fußballkrise: „Ich weiß: Wir kriegen es gebac… | |
> Der Verein Eiserner VIRUS hat nichts mit Corona zu tun. Er will den | |
> Zusammenhalt der Unioner stärken, sagt der Vorsitzende Sven Mühle – | |
> gerade jetzt. | |
Bild: „Im Vordergrund sollte jetzt die Gemeinschaft stehen“: Geschäftsstel… | |
taz: Herr Mühle, Eiserner V.I.R.U.S., das klingt nach Corona-Kalauer. | |
Sven Mühle: Der Name steht für Verein Infizierter Rot-weißer | |
Unions-Supporter. Unter den Fans kursiert ja schon lange der Spruch: Ich | |
bin mit dem Union-Virus infiziert. | |
Seit wann gibt es den Fan-Verein? | |
Schon seit dem 18. Juli 2001. Es war auch eine Reaktion auf den Hype nach | |
dem DFB-Pokalfinale 2001, das Union erreicht hatte [und dann allerdings 0:2 | |
gegen Schalke verlor, d. Red.]. Damals dachten sich ein paar Union-Fans, | |
man müsste das, was es an Vereinssupport gibt, ein bisschen sortieren. | |
Dahinter stand der Gedanke, auch Fans außerhalb der Fanklubs zu sammeln und | |
zu bündeln. Man kann sowohl bei V.I.R.U.S. als auch in einem anderen | |
Fanklub Mitglied sein. | |
Wie viele Mitglieder haben Sie denn? | |
Momentan rund 300. Uns ging es aber nie um möglichst viele Mitglieder, | |
sondern um möglichst viele aktive Menschen, die Aktionen für die | |
Allgemeinheit starten. | |
Innerhalb des Union-Kosmos? | |
Ja. Alles, was wir tun, machen wir grundsätzlich für alle Unioner. Wir | |
haben uns auch für die Rechtsform e. V. entschieden, damit in all unserem | |
Tun Verbindlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit herrschen. | |
Womit beschäftigt sich der Verein hauptsächlich? | |
In den Anfangsjahren haben wir viele Dinge gemacht, die inzwischen in | |
anderen Strukturen innerhalb oder außerhalb des Vereins weitergeführt | |
werden. Wir hatten regelmäßige Stammtische mit Aufsichtsratsmitgliedern | |
oder dem Präsidenten. Wir waren – und sind – vereinspolitisch aktiv und | |
vertreten Fanpolitik sowohl innerhalb des Vereins als auch bundes- und | |
europaweit. | |
Fühlen sie sich als Fans vom Club ernst genommen? | |
Ja. Wir haben in der Vergangenheit auch immer mal gesagt: Nee, so nicht! | |
Vor allem um 2003, als sich der Verein in einer schwierigen Lage befand, | |
hatten wir uns beim damaligen Präsidium nicht nur Freunde gemacht. Seit | |
vielen Jahren ist es aber nicht mehr nötig, auf die Barrikaden zu gehen. | |
Zum Glück. | |
Was hat sich mit [1][Unions Aufstieg] in die Erste Bundesliga 2019 für den | |
V.I.R.U.S. am stärksten geändert? | |
Wir organisieren seit 18 Jahren Auswärtsfahrten mit den Partyzügen. In | |
dieser Saison hatten wir gleich elf Fahrten geplant. Davon fanden sechs | |
statt, die nach Freiburg und Mainz waren von uns wegen zu geringer | |
Auslastung abgesagt worden. Die drei noch ausstehenden stehen in den | |
Sternen. | |
Glauben Sie, dass die noch stattfinden werden? | |
Ich sehe nicht, dass die Saison mit Zuschauern beendet wird. Das ist für | |
uns eine komplizierte Situation, weil wir darauf angewiesen sind, dass sich | |
unsere Veranstaltungen tragen. Bei V.I.R.U.S. arbeiten alle ehrenamtlich, | |
es gibt auch keine Sponsoren. Wir haben finanzielle Verluste. Aber auch das | |
Stuttgarter Zugunternehmen, mit dem wir seit 16 Jahren kooperieren, kämpft | |
ums Überleben. Weil es immer fair zu uns war, wollen wir ihm helfen. | |
Deshalb bieten wir unseren Fans eine Gutscheinlösung für künftige Fahrten | |
oder eine Spendenmöglichkeit. Außerdem haben wir eine virtuelle | |
V.I.R.U.S.-Zugfahrt für 30 Euro gestartet, um damit Hilfsaktionen für in | |
Bedrängnis geratene Unioner und soziale Projekte zu unterstützen. | |
Sind solche Hilfsaktionen wichtiger als eine Debatte über Geisterspiele | |
oder einen Saisonabbruch? | |
Ich bin Fußballfan, und ich bin Vorsitzender eines Vereins. Letzteres heißt | |
für mich: soziale Verantwortung für Mitmenschen, ganz simpel. Man kann sich | |
über Geisterspiele streiten. Aber im Vordergrund sollte jetzt die | |
Gemeinschaft stehen. Jeder, der mehr hat oder etwas kann, sollte die | |
unterstützen, die nicht wissen, wie sie die nächsten Monate über Runden | |
kommen. | |
Union hat schon etliche Krisen überstanden. Haben Sie trotzdem Angst, dass | |
der Verein in Existenznot geraten könnte? | |
Als älterer Fan weiß man, dass wir es irgendwie gebacken kriegen, selbst | |
wenn es ganz schlimm kommt. 2004 haben wir mit nichts in der Hand 1,4 | |
Millionen Euro als Bürgschaft für die Regionalliga-Lizenz zusammenbekommen, | |
unter anderem mit Aktionen wie „Bluten für Union“. Heute ist die Situation | |
eine andere. Aber auch jetzt müssen wir uns auf die eigene Stärke besinnen | |
und eben was Kreatives tun. | |
Was könnte und sollte sich durch die jetzige Krise für den Profifußball | |
ändern? | |
Ich denke, er wird sich gar nicht ändern. Ich würde mir wünschen, dass er | |
sich wieder hin zum Vereinssport entwickelt. Also, man hat einen | |
Fußballverein, zu dem Menschen kommen, die ihn geil finden und sich sagen: | |
Ich unterstütze euch, aber ich quatsche euch nicht rein. Für mich kann es | |
nicht sein, dass Sportvereine Kapitalgesellschaften mit Anteilseignern | |
sind. | |
Ausgerechnet diese Entwicklung könnte sich als Folge der Krise verstärken, | |
wenn finanzstarken Investoren als vermeintlichen Stabilitätsankern die Tore | |
geöffnet werden. | |
Sponsoren, die Fußball als Werbeplattform sehen, finde ich in Ordnung, wir | |
leben nun mal im Kapitalismus. Investoren, die ihr Geld reinschießen und | |
niemanden mitbestimmen lassen wollen, halte ich für den falschen Weg. Das | |
amerikanische System, eine Mannschaft für irgendeinen Ort zu kaufen, wie es | |
ja bei RB Leipzig gemacht wurde, sollte nicht unsere Zukunft sein. | |
Das [2][Stadtderby gegen Hertha] fiel ja der Krise zum Opfer. Interessiert | |
Sie eigentlich, wie man beim Lokalrivalen mit der Lage klarkommt? | |
Ich denke nicht speziell an Hertha, da fallen mir grundsätzlich erst mal | |
andere Vereine ein. Aber kein Verein hat es verdient, jetzt vor die Hunde | |
zu gehen. | |
Nicht mal RB Leipzig? | |
Über die müssen wir uns am allerwenigsten Gedanken machen. | |
28 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Gunnar Leue | |
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