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# taz.de -- Maskenpflicht in Deutschland: Und das Volk näht
> Erst sinnlos, nun Pflicht? Wenn einzelne staatliche Maßnahmen Misstrauen
> erwecken, wird es auch schwieriger, Vernünftiges umzusetzen.
Bild: Statt Krawatte trägt Mann heute einen Mundschutz
Es hat sich als ungesund erwiesen, bei der Explosion einer Atombombe in der
Nähe zu sein. Aber Schutz ist mit einfachen Mitteln möglich, zumindest
glaubte das die US-Zivilverteidungsbehörde in den 1950er Jahren. „Duck and
cover“, Deckung suchen und sich zudecken. Mit einem Tuch oder auch einer
Zeitung: Das empfahl das Amt seinerzeit [1][in einem Lehrfilm] für Kinder.
Vergangene Zeiten. Auf so einen Quatsch fielen wir nicht mehr herein. Wir
informieren uns gründlich, sofern uns das Basteln hübscher, handgefertigter
Masken die Zeit dafür lässt. So stylisch sehen manche übrigens aus!
Vielleicht landen einige Modelle einmal im Museum of Modern Art.
Vorläufig landen sie aber erst einmal auf Gesichtern von Leuten, die damit
– so die derzeitige Lesart – ihre Mitmenschen vor Ansteckung schützen
wollen. Es hat schon viele Positionen zum Thema gegeben. „Masken waren erst
unnötig, dann waren sie Virenschleudern, dann waren sie eine
Höflichkeitsgeste, dann waren sie ein dringendes Gebot, und heute gibt es
eine Maskenpflicht“, [2][fasste Christian Lindner im Bundestag die
Entwicklung zusammen]. Es passiert ihm nicht oft, aber damit traf der
FDP-Vorsitzende ins Schwarze.
## Nichts gegen lebenslanges Lernen
Nun ist nichts gegen lebenslanges Lernen zu sagen, und selbstverständlich
ist es auch Wissenschaftlern erlaubt, ihre Meinung zu ändern. Aber es wäre
erfreulich, wenn sie die Öffentlichkeit an ihrem Erkenntnisprozess
teilnehmen ließen. Zumal für mich als Laiin nur schwer nachvollziehbar ist,
welche bahnbrechend neuen Einsichten ausgerechnet im Zusammenhang mit ein
wenig Stoff dazu geführt haben, dass fast die gesamte Zunft einen
Kurswechsel um 180 Grad vollzogen hat.
Fast. Unbeirrt hält Weltärztepräsident [3][Frank Ulrich Montgomery] an
seiner kritischen Haltung zur Maskenpflicht fest. Bei unsachgemäßem
Gebrauch könnten Masken sogar gefährlich sein. Tatsächlich wirksame
Schutzmasken müssten medizinischem Personal und Gefährdeten vorbehalten
bleiben. Eine Pflicht, Tücher oder Schals zu tragen, sei „lächerlich“.
Stunden könnte ich dem Mann zuhören. Ich bin ihm so dankbar. Mag ja sein,
dass ich mich irre und dass es mir eines Tages peinlich ist, das
geschrieben zu haben. Aber ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass es
sich bei der Maskenpflicht um eine bizarre Form der Beschäftigungstherapie
handelt. Gepaart, vielleicht, mit einer Ergebenheitsadresse an die
Regierenden.
So lange ich mit meiner Skepsis fast alleine bin, ist es ziemlich egal,
welche Meinung ich vertrete. Aber wenn sich Misstrauen gegen einzelne
staatliche Maßnahmen erst einmal Bahn bricht, wird es zunehmend schwierig
werden, auch sinnvolle Entscheidungen durchzusetzen. Das könnte dann
tatsächlich Leben gefährden. Macht wird ja nicht nur ausgeübt, sondern
immer auch verliehen.
Wie werde ich mich nun künftig verhalten? Brav. Natürlich. So wenig
überzeugt ich von der Maskenpflicht bin, binde ich mir dennoch einen Fetzen
um, wenn ich zum Einkaufen gehe. Weil ich keine Lust habe, mich anpöbeln zu
lassen, ganz einfach. Da unterwerfe ich mich lieber dem sozialen Druck.
Das hätte ich von mir nicht gedacht.
Während ich diesen Text schreibe, verfolge ich mit einem Auge die
Berichterstattung auf n-tv. Unten am Bildschirmrand, dort, wo normalerweise
aktuelle Meldungen zu lesen sind, steht plötzlich eine strenge Ermahnung:
Tragen Sie eine Mund-Nasen-Bedeckung! Ein Nachrichtensender hält es für
geboten, sein Publikum zu erziehen. Auch eine bemerkenswerte Entwicklung.
Kannte man bisher in demokratischen Staaten eher nicht.
25 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=IKqXu-5jw60
[2] /Regierungserklaerung-zur-Coronakrise/!5680709
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Hq6CCi71wag
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kolumne Macht
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Frank-Walter Steinmeier
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