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# taz.de -- Aufnahmestopp von Flüchtlingen: Eine Seuche als Vorwand
> Malta und Italien haben die Flüchtlingsrettung eingestellt, Berlin fühlt
> sich nicht zuständig. Es geht um Abschreckung.
Bild: Rettungsaktion der „Alan Kurdi“ am 6. April vor der libyschen Küste
Dass es die Fremden sind, die Krankheiten bringen, ist ein uraltes
rassistisches Stereotyp. Wie mächtig es noch ist, sieht man in diesen
Tagen. „Schaut auf die Außengrenzen. Dort zeigt sich, wer wir sind“, sagte
dazu der grüne EU-Abgeordnete Erik Marquardt. Es ist ein Bild, das man
lieber nicht im Spiegel sieht.
An Ostern, dem Fest, an dem Christen den Sieg des Lebens über den Tod
feiern, treiben Hunderte Menschen in Seenot auf dem Mittelmeer. Doch Malta
und Italien haben [1][Flüchtlingsrettung und -aufnahme wegen Corona
offiziell eingestellt]. Sie hätten durch die Seuchenbekämpfung keine
Kapazitäten mehr – weder für die Rettung noch für die Aufnahme womöglich
Infizierter, heißt es.
Andere Regierungen, etwa die deutsche, fühlen sich nicht zuständig. Die
Einzigen, die helfen, sind NGOs – wenn man sie lässt. Seit Karfreitag
warteten mindestens 250 Menschen auf eine Rettung, die auch zwei Tage
später nicht kam, obwohl ihre Positionsdaten bekannt waren.
Wer will, konnte ihnen dabei zuhören, konnte mitlesen, wie sie den eigenen
Tod näher rücken sahen. AktivistInnen der [2][Initiative Alarm Phone] haben
über Satellitentelefon den Kontakt gehalten und die Nachrichten der
Schiffbrüchigen gleichsam in Echtzeit ins Netz gestellt, um eine Reaktion
zu erzwingen. Das Erstaunlichste an diesen Dokumenten ist die Nüchternheit,
mit der die Menschen die eigene Lage schildern, die ihr sicheres Ende
bedeutet.
## Jede Mühe für Corona-Opfer
Ja, Italien und Malta haben gerade eigene Sorgen. Alle haben die jetzt. Und
ja, jeder Flüchtling der kommt, könnte mit Sars-CoV-2 infiziert sein. So
wie jeder andere auch. Aber nichts rechtfertigt den Tod durch Unterlassen.
Schon im Innern scheint Europa über die Krise die Solidarität abhanden zu
kommen. Nach außen bricht es so mit einem grundlegendem Element der
Zivilisation: dass Sterbenden geholfen wird.
Viele Regierungen und Behörden laufen in der Coronakrise zur Hochform auf.
Sie tun, wofür sie da sind, oft für ihre Verhältnisse rasend schnell, und
mobilisieren beeindruckende Ressourcen. Die Rettung potenzieller
Corona-Opfer ist ihnen jede Mühe wert. Die Rettung der Leben von
Flüchtlingen sollte es genauso sein – doch diese werden sich selbst
überlassen. Dabei sind die Küstenwachen vor Ort, und natürlich gibt es
Orte, an die man Ankommende bringen kann, selbst wenn einige infiziert sein
sollten. Auf Malta etwa werden Flüchtlinge ohnehin erst einmal interniert,
ob mit oder ohne Corona.
Es liegt weder an fehlenden Kapazitäten noch am Seuchenschutz. Der Grund,
weshalb nicht gerettet wird, ist der gleiche wie vor Corona: Abschreckung
jener, die man hier nicht haben will. Die Seuche ist dafür nur ein Vorwand.
13 Apr 2020
## LINKS
[1] /Keine-Rettung-im-Mittelmeer/!5677963
[2] /Flucht-aus-Libyen/!5660967
## AUTOREN
Christian Jakob
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