# taz.de -- Kriminalisierung auf Malta: Exempel statuieren | |
> Der Öltanker El Hiblu wollte 108 aus Seenot Gerettete zurück nach Libyen | |
> bringen. Drei junge Männer wehrten sich. Jetzt droht ihnen lebenslange | |
> Haft. | |
Bild: Der Öltanker El Hiblu sollte 108 Flüchtlinge zurück nach Libyen bringe… | |
Berlin taz | Auf Malta droht drei jugendlichen Flüchtlingen lebenslange | |
Haft. Ihnen wird vorgeworfen, den Kapitän des [1][Öltankers „El Hiblu“] | |
dazu gezwungen zu haben, sie und 105 weitere Menschen nicht nach Libyen, | |
sondern nach Malta zu bringen. Italien und Malta hatten dies als | |
„Piraterie“ und „Terrorismus“ bezeichnet. | |
Am 25. März 2019 war ein Schlauchboot mit 108 Menschen von Gasr Garabulli | |
in Libyen abgelegt. Das Boot verlor nach einiger Zeit Luft, wurde jedoch | |
von einem Flugzeug der EU-Anti-Schlepper Mission Eunavfor Med entdeckt. | |
Deren Kommando wies den in der Nähe fahrenden Öltanker El Hiblu an, die | |
Menschen aufzunehmen. | |
Die El Hiblu war auf dem Weg nach Tripolis. Italienischen Medienberichten | |
zufolge soll die Besatzung des Marineflugzeugs die El Hiblu Crew weiter | |
angewiesen haben, sich mit der libyschen Küstenwache zu koordinieren und | |
die Menschen nach Libyen zu bringen. | |
Doch als die Geretteten bemerkten, dass sie wieder zurück fuhren, brachten | |
sie den Kapitän dazu, den Kurs zu ändern und Richtung Malta zu fahren. Wie | |
genau sie das geschafft haben, ist unklar. Ein Sprecher der libyschen | |
Küstenwache hatte behauptet, sie hätten die nur aus wenigen Männern | |
bestehende Crew mit Werkzeugen bedroht und so zur Umkehr gezwungen. | |
## Niemand verletzt, nichts beschädigt | |
„Niemand wurde dabei verletzt, nichts wurde beschädigt,“ heißt es in einer | |
am Freitag veröffentlichten [2][Erklärung] verschiedener | |
Seenotrettungs-Organisationen. „Sie sind weder Piraten noch Terroristen. | |
Sie sind einfach Menschen, die nach Hilfe und einem sicheren Ort gesucht | |
hatten.“ Es gehe „ganz klar darum, dass die Malteser ein Exempel statuieren | |
wollen.“ | |
Italien und Malta kündigten damals an, dem Schiff die Einfahrt in ihre | |
Gewässer zu verweigern. Als die El Hiblu 30 Seemeilen vor Malta lag, nahm | |
Maltas Militär Kontakt zu dem Kapitän auf. Dieser habe erklärt, keine | |
Kontrolle mehr über sein Schiff zu haben. | |
Er und die Mannschaft seien von den Migranten gezwungen worden, Kurs auf | |
Malta zu nehmen, gab das Militär später an. Ein maltesisches | |
Patrouillen-Schiff stoppte die El Hiblu. Eine Spezialeinheit der Marine | |
stürmte das Schiff, unterstützt von zwei Schnellbooten und einem | |
Hubschrauber. | |
Nach der Stürmung steuerte der Kapitän die El Hiblu in den Hafen von | |
Valletta. Die Polizei nahm dort drei der Schiffbrüchigen fest: Einen 15- | |
und einen 16-jähriger aus der Elfenbeinküste sowie einen 19-jährigen aus | |
Guinea. Die übrigen Flüchtlinge und Migranten kamen in ein Aufnahmelager | |
auf Malta. Italiens Innenminister Matteo Salvini sprach von einem | |
„Piratenakt“. | |
## Auf Kaution frei | |
Am 30. März 2019 wurden die drei laut Amnesty International wegen insgesamt | |
9 Straftatbeständen, darunter drei „terroristischen Aktivitäten“ angeklag… | |
unter anderem der „gewaltsamen Übernahme eines Handelsschiffs und | |
Einschüchterung“. Das Mindeststrafmaß hierfür liegt bei sieben, die | |
Höchststrafe bei 30 Jahren, in schweren Fällen lebenslang. | |
Die drei plädierten bei einer Vorverhandlung auf „nicht schuldig“ und kamen | |
in Untersuchungshaft. „Die drei gelten offenbar als die Rädelsführer, weil | |
sie während der Protestaktion übersetzt und zwischen Crew und | |
Schiffbrüchigen vermittelt hatten“, heißt es in dem Solidaritätsaufruf vom | |
Freitag. | |
Am 21. November kamen die drei auf freien Fuß. Der Stiftungsfonds zivile | |
Seenotrettung zahlte ihre Kaution. Die Freigelassenen müssten sich jetzt | |
täglich auf der Polizeiwache melden und mindestens 50 Meter Abstand zu | |
Hafen, Ufer und Flughafen von Malta halten. | |
Das UN-Büro für Menschenrechte in Malta forderte die Justiz auf, die | |
Hauptanklagepunkte fallen zu lassen. Der Sprecher des Verbandes Deutscher | |
Reeder, Christian Denso, sagte, er halte den Vorwurf der Piraterie für | |
verfehlt. Denn hier hätten Menschen ja nicht den Vorsatz gehabt, Schiffe zu | |
überfallen und auszurauben. | |
Auch Amnesty International erklärte, es betrachte die Vorwürfe als | |
„unangemessen“ und forderte die Staatsanwaltschaft auf, sie zu überdenken. | |
„Der Versuch zu verhindern, nach Libyen zurück geschickt zu werden, muss | |
als Notwehr und lebensrettender Akt gewertet werden“, sagt Jelka | |
Kretzschmar von der NGO Sea Watch. | |
27 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gekapertes-Schiff-mit-Fluechtlingen/!5581671 | |
[2] https://elhiblu3.info/ | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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