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# taz.de -- Pfarrer über Klimaproteste: „Raus aus den Komfortzonen“
> Thomas Zeitler ist Pfarrer und aktiv bei Extinction Rebellion. Wie das
> passt – und warum im Glauben Transformationsenergie liegt.
Bild: Aktivismus mit höheren Wesen: Prostet von Extinction Rebellion während …
taz: Herr Zeitler, Sie kommen gerade von einem Workshop der Klimaaktivisten
von Extinction Rebellion in Berlin, den Sie geleitet haben. Was hat die
Kirche mit der Klimakrise und Aktivismus zu tun?
Thomas Zeitler: Beide Kirchen – die evangelische Kirche, in der ich bin,
und auch die katholische – haben das Klimathema in den letzten 20, 30
Jahren immer hochgehalten. Jede Kirche hat einen Klimaschutzplan. Das Thema
fließt auch in Gottesdienste ein. Aber es gibt in Deutschland im Moment
keine starke Bewegung. Das war in den 80er Jahren anders, als es eine
Umweltbewegung in den Kirchen gab, in der ganz viele Leute aktiv waren.
In anderen Ländern ist das anders?
Ja, zum Beispiel in Großbritannien: Dort waren die christlichen
Klimagruppen, [1][„Christian Climate Action“], schon vor Extinction
Rebellion aktiv und haben das Thema mit gepusht. Sie haben die Bewegung mit
stark gemacht. Warum hier nicht auch, fragen wir uns. Wir schauen, ob wir
aktivistische Christ*innen finden und uns dann besser organisieren können.
Warum sind Sie ausgerechnet bei Extinction Rebellion aktiv?
Ich finde bei [2][Extinction Rebellion den zivilen Ungehorsam wichtig].
Weil er zeigt, dass es uns ernst ist. Dass wir wirklich aus unseren
Komfortzonen rausmüssen. Das machen sie derzeit besser als etwa Christians
for Future, die eher eine Unterstützungsgruppe für die Fridays for Future
ist. Mit FFF machen wir auch viel hier vor Ort. Aber ich bin selbst jetzt
nicht jugendlich und finde XR am klarsten, wenn es darum geht zu zeigen,
was eigentlich auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene möglich wäre.
Wie passt ziviler Ungehorsam zur Kirche? Ist die nicht eher traditionell
und konform?
Kirche ist immer beides gewesen: Christus hat die Händler aus dem Tempel
vertrieben, das war eine ungeheuerliche Aktion. Die frühen Christen waren
Kaiserkultverweigerer und Kriegskultverweigerer, das war auch ziviler
Ungehorsam. Das ist in die Kirche fest eingeschrieben. Und es gibt
natürlich auch Figuren wie Martin Luther King, Dorothy Day, die später neue
Formen von Ungehorsam vorgelebt haben, die auch in der Kirche gelebt und
respektiert werden. Parallel dazu entwickelte sich die Kirche aber
natürlich auch zum Staatsträger. An die kritischen Strömungen kann man
trotzdem jederzeit anknüpfen.
Trägt die Kirche dann nicht sogar eine gewisse Verantwortung, dass ein
solcher Aktivismus wieder mehr ins Zentrum des Glaubens rückt?
Genau! Ich weiß natürlich, wie der Apparat funktioniert. Es fällt
Kirchenleitungen schwer, sich radikal zu positionieren. Vielleicht sind es
die Basisgruppen, die sich zeigen müssen. Ich bin schon froh, dass wir eine
Kirchenleitung haben, die die Klimakrise ernst nimmt. Der Bischof
kritisiert ja auch die Klimapolitik der Bundesregierung. Aber Sie können
eine Bewegung nicht von oben erzeugen. Das ist dann unsere Rolle. Ich würde
mir mehr Stimmen innerhalb der Kirche wünschen, aber ich bin geduldig.
Was sollte die Kirche als Organisation und als Gemeinschaft in Sachen
Klimaschutz noch tun?
[3][Eine Aufgabe sowohl für die Organisation als auch für einzelne Christen
ist es, selber eine klimaneutrale Lebensweise einzuüben]. Das finde ich
wirklich wichtig. Es gibt viele Fastenaktionen, die Leuten Mut machen, den
Lebensstil zu ändern – vom Verzicht auf Fleisch bis dahin, nicht mehr
fliegen. Die Kirche ist ja ein wichtiger Multiplikator, sie erreicht viele
Leute und könnte diese dazu ermutigen, anders zu leben. Ein anderer Punkt
ist: Die Kirche sollte Seelsorge in dem Themenfeld betreiben. Denn die
[4][Klimakrise ist ja bei vielen Menschen verbunden mit Verzweiflung,
Depressionen, Burnout], einfach, weil die Situation so bedrohlich ist.
Kirche könnte der Ort sein, wo wir auf die Situation blicken, ohne die
Hoffnung zu verlieren.
Wie soll die Kirche in der Klimakrise zu einem Ort der Hoffnung werden?
Es ist eine große Herausforderung, zu entdecken, wo im Glauben die
Transformationsengergie liegt. Oft sind wir in der Kirche eher damit
unterwegs, dass wir die „Schöpfung bewahren“ müssen. Das ist
Umweltschutzlogik der 80er Jahre. Ich glaube, die greift im Moment nicht
mehr. Es geht um eine radikale Veränderung unserer Lebensweise. Bevor
Corona kam, hatten die Berliner am Karfreitag eine Klimaprozession geplant.
Das fand ich echt spannend, weil genau das Ostern, also Glauben, und das
Klimathema miteinander verbindet.
Heißt das, Kirche sollte politischer sein?
Kirche ist immer politisch. Wenn sie glaubt, sie sei unpolitisch, dann will
ich sehen, was sie ist. Da muss man sich nichts vormachen. Sie ist noch
immer eine einflussreiche Organisation. Entweder setzt sie sich
ausdrücklich für sinnvolle Ziele ein. Oder sie segnet den Status Quo ab –
und der ist im Moment eher gefährlich.
Kommen in der Klimakrise eher mehr Menschen zum Glauben oder verlässt er
sie?
Ich denke, wenn die Fragestellungen so in die Tiefe gehen, so existenziell
werden, dann werden die Menschen auf jeden Fall intensiver debattieren,
auch religiös. Ob jetzt mehr Leute in die Kirche oder zum Christentum
finden, ist zweitrangig. Aber wir alle fangen an, grundsätzlichere Fragen
zu stellen.
10 Apr 2020
## LINKS
[1] http://christian%20climate%20action
[2] /Proteste-gegen-Kohlekraftwerk/!5656199
[3] /Kirchen-rufen-zum-Klimafasten-auf/!5663444
[4] /Psychologin-ueber-Krisenangst/!5673664
## AUTOREN
Celine Weimar-Dittmar
## TAGS
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