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# taz.de -- Buchhändler:innen nutzen Instagram: „Social Media rettet uns jet…
> Buchhandlungen müssen sich etwas einfallen lassen, um die Corona-Zeit so
> unbeschadet wie möglich zu überstehen. Da helfen Internet und Instagram.
Bild: Präsent in sozialen Medien: Schaufenster von Buchhandlungen
Viele Buchhandlungen [1][fürchten derzeit um ihre Existenz]. Wer sich aber
umhört unter Buchhändler:innen, kann auch Überraschungen erleben. Es sei
wie kurz vor Weihnachten, im Moment gebe es einen Run auf Bücher. So
zumindest sagen es, entgegen dem allgemein eher krisenhaften Trend im
Buchgeschäft, Mitarbeitende von Buchhandlungen, die für diesen Text
interviewt wurden.
Sie sind allesamt sehr präsent in den sozialen Medien. Klar scheint also zu
sein: Je länger der Corona-Shutdown anhält, desto wichtiger ist eine gute
Onlinepräsenz. Vor allem Instagram ist dabei ein relevantes Tool.
Besser zu spät als nie, lautet dabei der wichtigste Rat, den
Buchhändler:innen mit gut laufenden Kanälen ihren Kolleg:innen geben. Und
der zweite Rat ist, auch auf Instagram als beratende Personen aufzutreten.
Denn genau darin besteht die Chance: den User:innen das Gefühl zu
vermitteln, sie befänden sich via Smartphone in der Buchhandlung.
Was in weniger krisenhaften Zeiten ein sympathischer Extraservice ist, kann
jetzt für das Fortbestehen unabhängiger Buchhandlungen essenziell werden.
Denn wo kaufen diejenigen ein, die verstanden haben, dass von
Onlinebestellungen bei Amazon aus vielerlei Gründen abzuraten ist, aber
keine Stammbuchhandlung haben? [2][Im Zweifel in der Buchhandlung,] die sie
bereits aus dem Internet kennen.
## Durch Posts auf Bücher aufmerksam werden
Einer, der Instagram genau kennt, ist [3][Florian Valerius], Deutschlands
Vorzeige-„Bookstagrammer“. Seinen Account @literarischernerd haben fast
19.000 Menschen abonniert, die seine sehr persönlichen Empfehlungen
schätzen: Regelmäßig kommen Menschen in die Trierer Buchhandlung Stephanus
Bücher, in der er arbeitet, zeigen ein Foto von ihm und fragen nach dem
abgebildeten Buch.
Bereits seit Jahren kämpft Valerius dafür, dass seine Kolleg:innen im
Buchhandel die Bedeutung des Internets begreifen. „Beim Onlineversand
denken alle an Amazon. Vielen Kund:innen ist nicht einmal bewusst, dass die
meisten Buchhandlungen Websites mit Warenkorb haben – weil das nie
kommuniziert wurde.“
Instagram hält er für ein gutes Medium, um Hemmschwellen abzubauen. „Der
Buchhandel muss nahbar, menschlich sein“, sagt er. „Dafür sind
Social-Media-Kanäle großartig, weil man einen persönlichen Kontakt per Du
pflegen, das Team und die Buchhandlung zeigen kann.“
Buchhandlung zeigen ist das Stichwort: Maria-Christina Piwowarski,
Buchhändlerin bei [4][Ocelot in Berlin-Mitte], muss ihr telefonisches
Interview verschieben, da sie noch damit beschäftigt ist, einen virtuellen
Rundgang durch den Laden auf Instagram zu posten. „Ich bekomme im
Sekundentakt Nachrichten“, sagt sie kurz darauf. „Die Leute schreiben, wie
sehr sie sich freuen, weil es ihnen das Gefühl gibt, vor Ort zu sein.“
Piwowarski bezeichnet Social Media als „erweitertes Schaufenster, das über
den regionalen Bereich hinausgeht“. Sie findet deutliche Worte. „Das rettet
uns jetzt. Auch viele, die nicht zu unserer Laufkundschaft gehören, nutzen
unseren Shop, weil sie uns kennen und unterstützen wollen.“
Ähnliches erlebt die Nürnberger Buchhandlung Jakob, für die Lilly Ludwig
und Lisa Neher unter @bookupwithjakob posten. Es gibt sogar internationale
Bestellungen, von der Schweiz bis nach Schweden. „Das sind nicht nur
Stammkund:innen dabei, sondern auch viele neue“, sagt Ludwig, „und von
denen kommen viele über Instagram.“
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Instagram jetzt genutzt werden
kann. Valerius etwa gibt gemeinsam mit der Autorin Mareike Fallwickl
während des Lockdown jeden Montag per Livevideo Buchtipps auf dem
offiziellen Kanal von Hugendubel, die er als Vorbild in Sachen
Instagram-Pflege sieht: „Sie haben ein durchdachtes Konzept, wissen, wie
sie ihr Zielpublikum ansprechen, und haben ihren Feed in den
Hugendubel-Farben gehalten.“
In Hamburg-Eimsbüttel zeigt man sich als Reaktion auf Corona kreativ. Die
[5][Buchhandlung Lüders] entwarf kurzerhand ein „Survival Kit“. „Die
Kund:innen geben uns ihre Preisvorstellung und, wenn sie möchten,
Anhaltspunkte, was sie gerne lesen. Wir stellen dann Boxen für sie
zusammen“, erläutert Inhaberin Ragna Lüders. Beworben wird das Kit vor
allem auf Instagram, ein Medium, das kaum eine Buchhandlung so gekonnt
nutzt wie Lüders.
## Sie steckt viel Herzblut rein
Die Fotos kunstvoll zu inszenieren bedeutet hohen Aufwand. „Für einen Post
benötige ich bis zu einer Stunde.“ Zeit, die Lüders gerne investiert. „Ich
möchte, dass die Menschen glücklicher aus der Buchhandlung gehen, als sie
reingekommen sind. Ein ähnliches Gefühl versuche ich, auf Instagram zu
vermitteln.“
Allerdings: „Ich stecke da genauso viel Herzblut rein wie in meinen Job als
Buchhändlerin. Die Intention, Instagram nur deswegen zu betreiben, um
Kund:innen zu gewinnen, kann ich mir schwer vorstellen.“
Neher und Ludwig posten unterdessen Buchempfehlungen auf IGTV, der
App-eigenen Videoplattform. „Beratung macht die kleinen Buchhandlungen
aus“, erläutert Ludwig. „Wir wollen jetzt bewusst von nur Foto und Text
weg, weil da das Persönliche verloren geht, anders als im Video“, ergänzt
ihre Kollegin.
## Damit die Leute zu Hause bleiben
Auch das Team des Ocelot lädt jeden Tag ein IGTV-Video hoch. „Wir
versuchen, Inspiration für den Einkauf im Webshop zu bieten, damit die
Leute zu Hause bleiben“, erläutert Piwowarski. Die Berliner Buchhandlung
hat nach wie vor geöffnet – allerdings mit einem Vorbau aus den
umfunktionierten Tischen des Cafébereichs, damit die Menschen im Eingang
bleiben.
Und wie startet man mit einem Instagram-Account? Alle fünf
Buchhändler:innen empfehlen, das einfach zu machen. „Ich hatte keine
Technikkenntnisse, als ich anfing. Das war alles learning by doing“,
erinnert sich Valerius.
Maria-Christina Piwowarski sieht das ähnlich. „Das ist keine OP am offenen
Herzen. Das Risiko ist sehr gering, es kostet nichts und nach ein paar
Posts hören die Hände auf zu zittern.“
## Zeigt euer Gesicht
Nicht perfekt zu sein, ist sogar eher ein Vorteil. „Wir stellen uns beim
Dreh vor, die Kamera wäre ein Kunde“, sagen die Nürnbergerinnen Ludwig und
Neher. „Unsere Follower:innen schätzen die Authentizität.“ Für Ragna Lü…
ist das ebenfalls wichtig. „Man muss ehrlich über die Bücher sprechen und
nicht einfach nur sagen: Das ist toll, um es zu verkaufen.“ Und sie rät,
Personen zu zeigen.
Das sieht Valerius auch so: „Zeigt euer Gesicht, präsentiert euch als
Buchhändler:innen!“ Piwowarski hat ähnliche Tipps parat. „Zu Beginn sollte
man die einzelnen Mitarbeiter:inen vorstellen, was sie lesen und
begeistert, um aus der Anonymität rauszukommen.“
Loslegen lautet also die Devise. Spätestens in der Corona-Krise wird sich
zeigen, wie [6][resilient der hiesige Buchhandel] ist. Oder, um es mit den
Worten von Lilly Ludwig zu sagen: „Das ist die historische Chance dieser
Misere – ein stärkeres Bewusstsein zu schaffen und Wertschätzung dafür zu
bekommen, was Buchhändler:innen alles leisten.“
3 Apr 2020
## LINKS
[1] /Verlegerin-ueber-Corona-Krise/!5670533
[2] /Literatur-in-der-Corona-Krise/!5671156
[3] https://www.stephanus.de/team/florian-valerius
[4] https://www.instagram.com/ocelotberlin/?hl=de
[5] https://buchhandlunglueders.de/
[6] /Berliner-Kultur-im-Corona-Exil/!5674392
## AUTOREN
Isabella Caldart
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