| # taz.de -- Netflix-Serie „Freud“: Mit Schmiss und Narbengesichtern | |
| > Die erste österreichische Netflix-Produktion beschäftigt sich mit dem | |
| > jungen Sigmund Freud. Das Zusehen ist, nun ja, eine Freud. | |
| Bild: Freuds Visage: makellos und bärtig | |
| Die Filmförderung muss man sich wohl als mitunter ziemlich freudlose | |
| Angelegenheit vorstellen. Sie soll keine Filme mehr unterstützen, in denen | |
| geraucht wird, verlangen etwa die Drogenbeauftrage der Bundesregierung und | |
| die Deutsche Krebshilfe. Und 2018 sah sich das British Film Institute doch | |
| tatsächlich zu der Erklärung veranlasst, solche Filme nicht länger fördern | |
| zu können, in denen Bösewichte mit entstellenden Gesichtsnarben eine Rolle | |
| spielten. Um die Menschen zu integrieren, deren Gesichter wegen | |
| irgendwelcher Male keiner gängigen Schönheitsnorm entsprächen. | |
| Man mag sich gar nicht ausmalen, was es bedeuten würde, sollten die | |
| Filmförderer anderer Länder dem Beispiel folgen. Typen wie Brian De Palmas | |
| „Scarface“ Tony Montana wären endgültig (Film-)Geschichte. Und war der | |
| Umstand, dass Joaquin Phoenix als jüngste „Joker“-Reinkarnation ganz ohne | |
| Säureunfall auskommen musste, etwa schon die Konsequenz des „Scarxit“? | |
| [1][Die neue Serie „Freud“] – die allererste österreichische Netflix-Ser… | |
| des [2][„4 Blocks“-Regisseurs Marvin Kren] – lässt (uns unverbesserliche | |
| Narben-Fetischisten unter den Filmfreunden) aufatmen. Denn was sehen wir: | |
| makellos die Gesichtshaut der Helden – soweit sie unter der zeittypischen | |
| Bartmode sichtbar wird. Es ist nämlich das Jahr 1886. Besagte Helden sind | |
| der junge, sich noch arg tapsig für die [3][Hypnose begeisternde Sigmund | |
| Freud] und der von einem famosen Georg Friedrich mal mit, mal ohne | |
| Pickelhaube verkörperte Inspektor Kiss – der Freud bei der Aufdeckung einer | |
| mörderischen Verschwörung mehr als nur ein bisschen die Schau stiehlt. | |
| Aber egal, uns interessieren in diesem Zusammenhang ihre Antipoden. Und die | |
| könnten tatsächlich die Renaissance einer etwas aus der Mode gekommenen | |
| Sonderform der Narbengesichtigkeit einläuten. Selbst wer in den 1990er | |
| Jahren in Heidelberg, einer Hochburg der Burschenschaften studiert hat – | |
| der hat so einen veritablen Schmiss, also die in einer studentischen Mensur | |
| davongetragenen charakteristische Narbe auf der Wange, im Hörsaal eher | |
| selten mal zu Gesicht bekommen. | |
| In „Freud“ nun tragen sowohl Freuds antisemitischer und auch sonst sehr | |
| unsympathischer Ärztekollege Leopold von Schönfeld als auch der k.u.k. | |
| Offizier Georg von Lichtenberg, dem der Veteran Kiss ein traumatisches | |
| Kriegserlebnis verdankt, Hauptverdächtige in Sachen Mord und | |
| Kindesentführung alle beide, so einen Schmiss. Man erlebt sogar mit, wie | |
| von Lichtenberg einen anderen mit gleich zwei Schmissen verunstaltet. Es | |
| ist eine, nun ja: Freud! | |
| 23 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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