Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Haufenweise Eremiten
> In Zeiten sozialer Distanzierung stellt sich die Frage: Was bedeutet
> eigentlich sozial? Selbst Einsiedler haben offenbar keine Antwort darauf.
Die Bedeutung der Redensart „Two is a company, three is a crowd“ hat in
diesen Wochen eine neue Nuance erfahren. Waren bislang vorwiegend zwei
Liebende gemeint, die einen Dritten loswerden wollen, dreht es sich nun
darum, dass man nur noch zu zweit rausgehen soll. Es geht um Social
Distancing, die Vermeidung bestimmter Sozialkontakte.
Denn auch Mail, WhatsApp, Skype und Co oder ein Telefonat stellen einen
sozialen Kontakt dar, wobei er mitunter zugleich un- oder asozial wirkt.
Mich störte die Bezeichnung im Coronakomplex von Anfang an. Kürzlich warf
sich Regula Venske vom PEN-Zentrum öffentlich in die Bresche, um darauf
hinzuweisen, wie missverständlich der deutsche Ausdruck sei. Das englische
„social“ bedeutet auch „gesellig“, sozial eher nicht. „Jetzt sind phy…
Distanz bzw. körperlicher Abstand geboten, ‚soziale Distanz‘ hingegen …
gerade nicht!“
Danach meldete der Linguist Anatol Stefanowitsch, dass auch der englische
Begriff „schon problematisch“ sei. Social Distancing sei immer verwendet
worden „in der Idee einer gesellschaftlichen Abgrenzung“. Plötzlich aber
habe die amerikanische Gesundheitsbehörde, als 2006 die Vogelgrippe
ausbrach, „angefangen, diesen Begriff … für den Rückzug in die eigenen vi…
Wände … für die körperliche Distanz“ zu benutzen.
## „Stadteremitinnen“ in Deutschland
Es stimmt natürlich, dass die Art, wie wir über Dinge sprechen, immer auch
die Art beeinflusst, wie wir darüber nachdenken. Ob wir zehnmal am Tag
„soziale Kontakte“ verhindern sollen oder „räumliche Nähe“, löst
unterschiedliche Bilder aus.
Jetzt brechen wir aber das Blockseminar ab und kümmern uns um praktische
Hilfe. Und wer wäre als Krisennanager ideal, um Tipps zu geben, wie wir
umgehen sollten mit den drakonischen Maßnahmen und dem Erliegen des
öffentlichen Lebens? Ein Eremit oder Einsiedler!
Dass es auch heute Eremiten auf der ganzen Welt und in unerschöpflicher
Mannigfaltigkeit gibt, das dachte ich mir. Dass man Internetseiten von und
für Eremiten installiert findet, kann einen ebenfalls nicht überraschen.
Und dass in Deutschland „Stadteremitinnen“ leben, klar. Aber ich lachte
doch wie seit Tagen nicht, als ich von dem Eremitentreffen hörte, das alle
drei Jahre stattfindet.
Im Jahre 2010 trafen zur Premiere „33 Eremitinnen und Eremiten“ aus sechs
europäischen Ländern, „um sich über Wüstenspiritualität und über das Ge…
auszutauschen und gegenseitig zu bestärken.“ Auch hier wären Details zu
skizzieren. Stattdessen flackert ein Werner-Cartoon des Comic-Zeichners
Brösel auf.
Werner sitzt hadernd am Schreibtisch, der Kopf ist leer, er ruft: „Komm zu
mir, mein Tiger, und stärke meine Gedanken!“ Der Tiger stellt sich hinter
Werner, legt ihm eine Tatze auf den Kopf: „Stärk, stärk, stärk …“ Wern…
sagt fröhlich danke, dem ich mich anschließe. Two is a company.
1 Apr 2020
## AUTOREN
Dietrich zur Nedden
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kontaktverbot
Einsiedler
Kolumne Die Wahrheit
Stahl
Wein
Schwerpunkt Coronavirus
Weltuntergang
Storytelling
Handy
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Mythen der Südstadt
Endlich haben die Kinos wieder auf. Aber der Film ist gar nicht das
Wichtigste. Sondern der Weg zum Kino und der Weg zurück. All die
Abschweifungen…
Die Wahrheit: Anmerkungen zum Tränenblech
Wenn der Blick ins Ungefähre schweift, stößt er mitunter auf stahlharte
Tatsachen – wie das Gelände gegenüber, auf dem Stahl produziert wird.
Die Wahrheit: Scheu und abgezweigelt
Ein harmloser Wein aus der Pfalz. Doch hinter der Weißweinsorte gibt es ein
Geschichte, die tief in die Nazi-Zeit führt.
Berlin im Zeichen von Corona: Meine Lieben, meine Lämmchen!
Zeiten wie diese sind eine gute Gelegenheit, sich nach neuen Formen des
Ausdrucks von Zuneigung, Freundschaft und Anteilnahme umzusehen.
Die Wahrheit: Mittagspause mit Weltuntergang
Drei Männer unterhalten sich. Über Rechtsextremismus und andere
Katastrophen. Doch wie geht man mit der Apokalypse um?
Die Wahrheit: Vorhölle des Storytellings
Das Gewäsch der Werberfuzzis färbt schon lange auf die ach so seriöse
Buchbranche ab. Jetzt sollen Geschichtenerzähler „Content-Creator“ werden.
Die Wahrheit: Fischsuppe für Giganten
Ein Displaybruch ist kein Beinbruch, und doch erfordert er den Gang zum
Telefonreparaturladen. Am Ende hilft aber nur höhere Physik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.