# taz.de -- Probleme durch Wegfall von Schulessen: Arme Kinder, arme Köche | |
> Für tausende Hamburger Kinder fällt derzeit das kostenlose Schulessen | |
> weg. Darunter leiden Familien und Schulcaterer sind existentiell bedroht. | |
Bild: Für einige Kinder die Gelegenheit, richtig satt zu werden: Das Essen in … | |
Hamburg taz | Seit zwei Wochen sind Schulen und Kitas dicht. Das bringt | |
manche Familie vor das Problem, wie sie ihre Kinder satt bekommt. „Ich | |
bekomme Anrufe von Eltern, die merken, dass jetzt der Einkauf schwerer zu | |
meistern ist“, sagt Sozialarbeiterin Janine Henke von Lenzsiedlung e. V. | |
Weil die kostenlosen Mahlzeiten in Schule und Kitas wegfallen, müssten die | |
Familien mehr kaufen. „Und günstige Nudeln sind oft ausverkauft.“ | |
Henke berät viele Mütter und Väter, die von Hartz IV leben. Der Regelsatz | |
für Vorschulkinder sieht 2,92 Euro am Tag für Essen vor, der für | |
Schulkinder 4,14 Euro. „Davon ist es nicht möglich, sich vielfältig und | |
gesund zu ernähren“, sagt Henke. „Dabei ist es gerade wichtig, das | |
Immunsystem zu stärken“. | |
Auch andere Sozialarbeiter berichten von Alleinerziehenden, die ihre Kinder | |
nicht satt bekommen. Eine Mutter bekam vom Jugendamt die Erlaubnis, bei der | |
Tafel anzurufen. Doch auch deren Lieferungen sind eingeschränkt. | |
Auf der anderen Seite haben Schulcaterer, die bisher die Schulen mit Essen | |
versorgten, nichts zu tun. „Es sieht düster aus“, sagt Okan Saiti von | |
„Mammas Canteen“, der mit seinen 275 Mitarbeitern normalerweise 70 Schulen | |
versorgt. „Von 15.000 täglichen Mahlzeiten sind wir runter auf 100. Das ist | |
ein kompletter Zusammenbruch“, sagt er. In der Notbetreuung seien nur zwei, | |
drei Kinder pro Schule. | |
## Kurzarbeit in Ferien nicht möglich | |
Die in der Initiative Hamburger Caterer (IHC) vereinten Betriebe, die erst | |
[1][im Winter um höhere Essenspreise stritten], sehen sich nun in ihrer | |
Existenz bedroht. „Wir müssen unseren Mitarbeitern kündigen, wenn es bis | |
zum 2. April keine Lösung gibt“, sagt Petra Lafferentz vom Träger | |
„Alraune“. Denn die Caterer müssten ganzjährig Löhne zahlen, können aber | |
nur in der Schulzeit Einnahmen erzielen. Sollten sie sich mit Kurzarbeit in | |
die Sommerferien retten, wäre eine erneute Kurzarbeit in der einnahmelosen | |
Ferienzeit nicht möglich. Und aufgrund der beschränkten Reichweite helfe | |
auch weder der Hamburger Rettungsschirm noch der des Bundes. | |
„Essen to go wäre eine Möglichkeit“, sagt Okan Saiti. Es habe die Idee | |
gegeben, in der Schule zu kochen und das Essen in Tüten an Familien | |
auszugeben. Es gebe dafür Anfragen von Eltern und sogar von | |
Familienrichtern, die Kinder abgesichert sehen wollen. Doch von | |
Behördenseite gebe es dafür in der jetzigen Lage keine Zustimmung. | |
Das Geld aus dem „Bildungs- und Teilhabepaket“ (BuT) für benachteiligte | |
Kinder, von dem ein Drittel aller Mahlzeiten bezahlt wurde, wird derzeit | |
nicht genutzt. Die IHC hatte der Behörde vorgeschlagen, eine Pauschale zu | |
zahlen, damit die Kochfirmen über die Runden kommen bis die Schulen wieder | |
öffnen. Im Bereich der Kita-Caterer zeichnet sich gerade eine Lösung ab. | |
„Was nicht sein darf, ist, dass der Staat hier Geld einspart“, sagt | |
Lafferentz. „Wir würden gerne Essen liefern, wenn man uns lässt.“ | |
Die Frage, ob es denn möglich sei, dass die Schulcaterer die Kinder über | |
Lunchpakete mit Essen versorgen, wird von der Hamburger Sozialbehörde | |
verneint – mit einem pädagogischen Argument. Es würde sich nicht mehr um | |
eine „gemeinschaftliche Mittagsverpflegung“ handeln, argumentiert Sprecher | |
Martin Helfrich. Sprich: Fürs Alleine-Essen sei das Geld nicht da. | |
Sozialarbeiterin Janine Henke hat jetzt über ein Dutzend Eltern beraten, | |
beim Jobcenter einen Antrag auf „Mehrbedarf“ wegen einer besonderen Lage zu | |
stellen. Politisch unterstützt dies auch die Linkspartei-Sozialpolitikerin | |
Carola Ensslen. Jetzt, wo die Schulmahlzeiten wegfallen, läge hier ein | |
„Mehrbedarf aufgrund außergewöhnlicher Härte nach Paragraf 21, Absatz 6 SGB | |
II“, vor. | |
## Jobcenter sieht keinen Fall für Mehrdarf | |
Jobcenter-Leiter Dirk Heyden winkt ab. Aktuell würden mehrere Anträge auf | |
„Corona-Zuschuss“ gestellt, auch für Lebensmittel. Doch ein solcher sei �… | |
Sozialschutzpaket nicht vorgesehen“. Der Bedarf für Essen sei im Regelsatz | |
enthalten, ergänzt Helfrich. Sollte der nicht reichen, könnten die Menschen | |
Darlehen erhalten. | |
Die Grünen-Bundeschefin Annalena Baerbock sieht das anders. Wie der | |
aktuelle Spiegel berichtet, votierte sie in Beratungen mit der | |
Bundesregierung für einen „befristeten Zuschlag“ von mindestens 60 Euro im | |
Monat, also etwa 3 Euro pro Schultag, damit die Leute mehr Lebensmittel | |
kaufen können. Auf die Frage, warum das nicht berücksichtigt wurde, sagt | |
ein Sprecher von Familienministerin Franziska Giffey: „Wir haben diese | |
Fragen auf dem Schirm.“ Allerdings habe man dies innerhalb der | |
Bundesregierung „noch nicht abschließend klären können“. | |
Der Sprecher der Schulbehörde, Peter Albrecht, erklärt, es gebe mehrere | |
Vertragspartner, neben den Caterern auch Busunternehmen und | |
Volkshochschul-Dozenten. Man habe hohes Interesse, die Kooperation mit | |
allen „fortzusetzen“. | |
31 Mar 2020 | |
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[1] /Preisstreit-ums-Schulessen/!5664677 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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