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# taz.de -- Corona in Bremer Pflegeheimen: Zwei Tote, viele Fragen
> Die ersten Corona-Toten in Bremen lebten in einem Pflegeheim. Weitere
> Bewohner*innen sind infiziert. Eine Ideallösung für Heime ist nicht in
> Sicht.
Bild: Im Pflegeheim schwierig: Selbst gestaltete Quarantäne
Bremen taz | In [1][Wolfsburg grassiert das Coronaviru]s aktuell in einem
Altenpflegeheim, etwa die Hälfte der Bewohner*innen ist infiziert, 15 von
ihnen sind bis Montagmorgen gestorben. Auch in Bremen sind zwei
Einrichtungen der Risikogruppe betroffen – mitbekommen hatte das die
Öffentlichkeit, weil der erste in Bremen am Coronavirus Verstorbene ein
76-jähriger Bewohner des Heims war. Mittlerweile ist ein [2][zweiter
90-jähriger Patient aus dem Heim gestorben].
Der zweite Verstorbene ist der Bewohner, bei dem Corona im Heim als erstes
diagnostiziert worden war. Bei diesem Index-Patienten war die Krankheit
schon am 16. März festgestellt worden. Danach waren neun weitere
Bewohner*innen positiv auf das Virus getestet worden. Er war bereits im
Krankenhaus untergebracht, bis zum Wochenende hieß es aber, sein Zustand
sei stabil.
Der erste Verstorbene dagegen soll laut Gesundheitsbehörde am 22. März,
einem Sonntag, erste leichte Symptome gezeigt haben – sechs Tage nach
Patient eins. Am Montag wurde er getestet, das positive Ergebnis lag dann
am Dienstag vor. In der Nacht war er ins Krankenhaus Bremen-Mitte gebracht
und dort sofort auf die Intensivstation gelegt worden. Am Mittwochmorgen
starb er dort an Herzstillstand.
Obwohl der 76-Jährige schwere Vorerkrankungen hatte, war er also weder beim
ersten Verdacht noch direkt nach dem positiven Testergebnis in die Klinik
verlegt worden. „Es war vorher medizinisch nicht angezeigt“, sagt Lukas
Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitssenatorin. Seine Symptome seien
schließlich nur leicht gewesen. „Bislang werden die betreut, die eine
Krankenhausbehandlung nötig haben.“ Die Entscheidung sei vom Personal vor
Ort gefällt worden – ob von Pflegenden oder Ärzt*innen lässt die
Gesundheitsbehörde indes unbeantwortet.
Dass künftig – solange es die Krankenhauskapazitäten zulassen – auch Fäl…
mit leichten Verläufen früher in die Klinik kommen, wenn sie unter
Vorerkrankungen leiden, sei im Bereich des Möglichen, so Fuhrmann auf
Nachfrage. Rolf Dembinski, Klinikleiter der Intensivmedizin am Klinikum
Bremen-Mitte, bleibt zurückhaltend: „So eine Empfehlung kann man
keinesfalls generell aussprechen“, so Dembinski. „Ob ein Patient stationär
im Krankenhaus aufgenommen werden muss, ist eine Einzelfallentscheidung.“
Dembinski hatte den ersten Verstorbenen behandelt und hält für
unwahrscheinlich, dass ihn eine frühere Einweisung gerettet hätte. „Wir
müssen vielmehr davon ausgehen, dass es sich um einen ungewöhnlich
schnellen, schicksalhaften Verlauf gehandelt hat“, so der Klinikleiter. Das
Leben in der Pflegeeinrichtung geht derweil weiter. Für die nachgewiesen
Infizierten wurde eine Isolierstation eingerichtet.
Der Verstorbene selbst hatte die ersten Symptome sechs Tage nach dem
positiven Testergebnis von Patient eins. Bis dahin war er auf der normalen
Station untergebracht – obwohl er zu den direkten Kontaktpersonen des
ersten Erkrankten gehört hatte. Dass weitere Bewohner*innen infiziert sind
und sich infizieren werden, ist auch in Bremen nicht ausgeschlossen, auch
wenn man von Wolfsburger Verhältnissen weit entfernt ist.
Laut Behörde wird die Gesundheit aller Heim-Bewohner*innen täglich durchs
Amt überprüft. Das weitere Vorgehen müsse im Laufe der Pandemie entwickelt
und angepasst werden: Ursprünglich hatte man die Heime auf Pläne des
Robert-Koch-Instituts von 2005 und 2013 verwiesen, die sich allgemein auf
Atemwegserkrankungen beziehen und auch bei einer normalen Grippewelle
Anwendung finden.
In der Praxis ergreift man mittlerweile strengere Maßnahmen: Es gilt nicht
nur das Besuchsverbot der Allgemeinverfügung, sondern das gesamte Heim
steht unter Quarantäne: Alle, also auch Bewohner*innen ohne Symptome,
bleiben auf ihren Zimmern, wo sie versorgt werden.
Die Ideallösung für Pflegeheime gibt es dabei nach Ansicht von Expert*innen
nicht. Wenn auch für bisher nicht betroffene Heime vorsorglich ähnliche
Isolationsregeln gelten würden, würde das die Risikogruppe wohl effektiver
vor dem Virus schützen – aber dabei große Probleme mit sich bringen. Die
Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA)
warnt davor, die Rechte von Heimbewohner*innen über Gebühr einzuschränken.
Zumal Demenzkrank[3][e hätten Probleme, nachzuvollziehen, warum kein Besuch
mehr käme.] „Das Ziel, mehr Schutz und Sicherheit für die Bewohner zu
erreichen, kann sich dadurch ins Gegenteil verkehren: Isolation,
Vernachlässigung oder fehlende Mobilität aufgrund der Schutzmaßnahmen
werden gravierende Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit
haben“, heißt es in einem Positionspapier der BIVA.
## Heime sind weitgehend unkontrolliert
Auch Reinhard Leopold, Vorsitzender der Bremer
Angehörigen-Selbsthilfegruppe Heim-Mitwirkung und Regionalbeauftragter der
BIVA, sieht in den Schutzmaßnahmen selbst eine Gefahr: „Sämtliche soziale
Kontakte werden aufgegeben, es gibt keine Beschäftigungsangebote mehr. Die
psychischen Schäden, die das hervorrufen kann, bleiben völlig
unberücksichtigt.“
Erschwerend komme hinzu, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen
momentan nicht zu Kontrollbesuchen in die Heime kommen. Die Wohn- und
Betreuungsaufsicht hat laut Sozialbehörde nach wie vor [4][keine freien
Kapazitäten für anlasslose Regelkontrollen]. Sie kommt wie bisher weiterhin
in die Heime, sofern es Beschwerden gibt. Da die Angehörigen die Lage vor
Ort aber nicht mehr sehen können, sind die Kontrollmöglichkeiten de facto
stark eingeschränkt.
Eine Lösung für das Problem der infizierten Heime kennt auch Leopold nicht.
Um Infektionen besser vorzubeugen,z schlägt er aber regelmäßige Tests des
Personals vor: „Die Pflegenden sind die ersten, die den Virus in die Heime
tragen können. Hier ließe sich die Gefahr sinnvoll verkleinern.“ Und
tatsächlich: Neben den beiden Einrichtungen mit kranken Bewohner*innen ist
mittlerweile in einem dritten Heim der Coronavirus festgestellt werden –
bei einer Pflegekraft.
3 Apr 2020
## LINKS
[1] /Pflegeheim-beklagt-zwoelf-Corona-Tote/!5675040
[2] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.332679…
[3] /Besuchssperren-wegen-Corona/!5669259
[4] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-kaum-kontrollen-in…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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Schwerpunkt Coronavirus
Bremen
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