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# taz.de -- Corona in Italien: Trauriger Weltrekord
> In Italien steigen die Zahlen der Infizierten und der am Virus
> Verstorbenen rasant. Doch es gibt Zweifel, ob die staatlich erhobenen
> Daten zuverlässig sind.
Bild: Wie viele Menschen haben sich wirklich in Italien infiziert? Intensivbett…
Rom taz | Erschütternd war die Zahl, die Italiens Zivilschutzchef Angelo
Borrelli am Mittwochabend bei seinem täglichen Pressebriefing mitteilte: An
nur einem Tag waren in Italien 475 Menschen der Coronaepidemie erlegen,
damit stieg die Gesamtzahl der Toten auf fast 3.000.
Es war nicht nur [1][die höchste Opferzahl] seit Ausbruch der Seuche, es
war zugleich ein trauriger Weltrekord: Nicht einmal China hatte, selbst auf
dem Höhepunkt der Epidemie, in nur 24 Stunden eine so hohe Zahl an Toten zu
beklagen.
Zugleich erklärte Borrelli, die Zahl der Neuinfizierten habe 2.648
betragen, damit haben sich nunmehr 35.713 Menschen in Italien mit
Sars-CoV-2 angesteckt. Italien ist damit das in Europa am stärksten und
weltweit am zweitstärksten betroffene Land. Vor allem aber droht es bei der
absoluten Anzahl der Toten nun noch vor China den ersten Platz einzunehmen.
Zudem weisen wenigstens die offiziellen Zahlen in Italien eine enorm hohe
Sterblichkeitsrate aus. National machen die Toten mittlerweile 8 Prozent
der Gesamtfälle aus, während diese in China bei 4 Prozent lag. Am
schlimmsten trifft es die beiden am stärksten betroffenen Regionen, [2][die
Lombardei,] wo der Anteil der Toten bei offiziell 11 Prozent liegt, und die
Emilia Romagna mit 10 Prozent.
## „Völlig verrückt“
Dies wirft vor allem die Frage nach der Zuverlässigkeit der staatlich
erhobenen Daten auf. Denn im Veneto, der östlich an die Lombardei
angrenzenden Nachbarregion, kommen auf 3.214 Infizierte nur 94 Verstorbene
und damit 2,9 Prozent. In der mittelitalienischen Toskana machen die Opfer
nur 1,65 Prozent, in Sizilien gar nur 1 Prozent aus.
„Völlig verrückt“ seien mittlerweile die Zahlen vor allem aus der
Lombardei, erklärt vor diesem Hintergrund der Biologe und Epidemieexperte
Enrico Bucci in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La
Repubblica. Vorne und hinten könnten die mitgeteilten Daten über die
Infizierten nicht stimmen, sie seien viel zu niedrig gegenüber dem
tatsächlichen Verlauf.
In der Tat werden in der Lombardei Abstriche nur bei Personen vorgenommen,
die schon klare Krankheitssymptome entwickelt haben. Vor allem unter jungen
Menschen entwickeln jedoch viele Infizierte gar keine oder nur geringe
Symptome. Gerade diese asymptomatischen Virusträger stellen jedoch für
andere das Hauptinfektionsrisiko dar.
Bucci zieht daraus den Schluss, dass als einzig belastbare Angabe die Zahl
der Toten bleibt. Sie wächst in diesen Tagen weiter an, lag am 13. März bei
250, am 15. März bei 368 und am 18. März bei 475.
## Kollektiver Hausarrest
Diese Zahl bildet jedoch nicht den aktuellen Epidemieverlauf ab, sondern –
darf man Bucci folgen – in etwa den von vor 14 Tagen. Dies heißt aber, dass
es gegenwärtig keine zuverlässige Datenbasis gibt, die sagen könnte, ob der
dem Land von der Regierung verordnete kollektive Hausarrest positive Folgen
zeitigt.
Denn mittlerweile gibt es wenigstens in der Provinz Bergamo – sie ist
innerhalb der Lombardei am härtesten getroffen – auch Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Todeszahlen.
Bergamos Bürgermeister Giorgio Gori beklagte in den vergangenen Tagen
wiederholt, dort würden viele alte Menschen, die keine Aufnahme mehr in den
Krankenhäusern fänden und dann in ihrer Wohnung oder in Altersheimen
sterben, gar nicht mehr als Corona-Tote registriert.
Gerade in der Lombardei ist das Gesundheitssystem schon am Limit, das etwa
in Bergamo bereits überschritten ist. Die Regierung reagiert jetzt mit der
Errichtung von drei Feldhospitälern durch die Armee.
Der Regionalpräsident der Lombardei, Attilio Fontana, fordert eine weitere
Verschärfung der den Bürgern auferlegten Einschränkungen. Die Regierung in
Rom denkt jetzt darüber nach, auch die bisher erlaubten sportlichen
Aktivitäten im Freien – joggen oder Rad fahren – ebenso wie schlichte
Erfrischungsspaziergänge generell zu untersagen.
19 Mar 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Michael Braun
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