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# taz.de -- Corona-Dekret: Norditalien abgeriegelt: Italia? Chiuso.
> Sie machen Ernst: Italiens Ministerpräsident Conte verkündet in einer
> nächtlichen Pressekonferenz den Ausnahmezustand für Norditalien.
Bild: Auch die Tauben wundern sich: leere Piazza vor dem Mailänder Dom
Rom taz | Herrliches Frühlingswetter herrschte am Samstag in der Lombardei.
Und in Mailand war es eigentlich so wie immer, wenn die Sonne scheint. Die
Menschen flanierten, dicht an dicht, durch die Einkaufsstraßen, die Tische
der Kneipen an den Navigli, dem Ausgehviertel der Stadt, waren voll
besetzt. Ganz ähnliche Bilder gab es aus den Skigebieten im Norden der
Region, im Trentin oder Südtirol: Menschentrauben an den Skiliften,
Menschentrauben auch auf den Pisten und rund um die Skihütten.
Coronavirus? Keinen derer, die da unterwegs waren, schien das weiter zu
kümmern. Völlig in den Wind gesprochen waren offenkundig all die Appelle
des Zivilschutzes, der nationalen und der Regionalregierung, ja auch des
Staatspräsidenten Sergio Mattarella, die Bürger mögen doch bitte ihren
Lebensstil ändern, öffentliche Ansammlungen meiden, auf den Mindestabstand
von einem Meter zu anderen gehen.
Dabei sind die neuesten Zahlen dramatisch. Um mehr als 1.100 stieg die Zahl
der Infizierten von Freitag auf Samstag, die Gesamtfälle liegen bei 5.800,
233 Menschen erlagen bisher der Epidemie. Und mehr als dramatisch war der
Notruf, den am Samstag der Verband der Anästhestisten der Lombardei
absetzte. Die Intensivmedizin in der Region sei mit nunmehr fast 400
Corona-Patienten völlig überlastet, bei einem weiteren Anstieg der
Patientenzahlen drohe in den Krankenhäusern der Kollaps.
Allzu unbesorgte Bürger auf der einen Seite, auf der anderen Ärzte, die die
höchste Alarmstufe ausrufen: Auf diese Gemengelage reagierte die Regierung
unter Ministerpräsident Giuseppe Conte mit einem in der Nacht auf Sonntag
[1][verabschiedeten Dekret], das das öffentliche Leben in weiten Teilen
Norditaliens fast völlig, im Rest des Landes weitgehend zum Erliegen
bringen wird.
## Über 37,5 Grad
Zunächst einmal widmet sich das Dekret dem eigentlichen Notstandsgebiet,
aus dem rund 5.000 Infizierte kommen, der ganzen Lombardei sowie 14
weiteren Provinzen im Piemont, der Emilia Romagna, dem Veneto und den
Marken. 16 Millionen Menschen leben hier, und für sie gilt bis zum 3. April
ein rigoroses Regime. Jedwede Reise aus diesem Gebiet sei unbedingt zu
vermeiden, heißt es in der Verordnung, aber auch in seinem Inneren dürfe
man sich „nur aus nachgewiesen notwendigen Gründen zum Beispiel beruflicher
Art“ bewegen, erklärte Conte in seiner nächtlichen [2][Pressekonferenz].
Und jene Bürger, die bei sich Fieber über 37,5 Grad messen, sind „dringend
aufgefordert, zu Hause zu bleiben“, auch wenn sie an einer einfachen
Erkältung laborieren.
Wenigstens auf dem Papier sind damit die betroffenen Menschen praktisch
unter Hausarrest gestellt, dürfen sie nur noch zur Arbeit, zu Verwandten
oder zum Arzt. Und damit sie sich auch daran halten, macht die Regierung
alles dicht. Geschlossen werden Pubs, Diskotheken, Kinos, Theater, Museen.
Gyms und Schwimmbäder werden zugesperrt, alle öffentlichen Events wie
Tagungen, Kongresse oder Messen sind genauso untersagt wie
Sportveranstaltungen, „Zeremonien aller Art“, sprich Hochzeiten,
Kindstaufen, aber auch – das Dekret sagt es explizit – Trauergottesdienste.
„In diesen Gebieten können wir uns Personenansammlungen nicht mehr
erlauben“, erklärte Conte vor der Presse. Deshalb werden auch sämtliche
Skilifte in den betroffenen Zonen zugesperrt – Bilder wie vom Samstag mit
Tausenden fröhlichen Menschen auf den Pisten will die Regierung nicht mehr
sehen.
Und so müssen auch die Espressobars und Restaurants um 18 Uhr schließen.
Über Tag müssen sie sicherstellen, dass die Gäste sich nicht zu nah kommen.
Wer den Meter Mindestabstand nicht bei der Kundschaft durchsetzt, hat die
sofortige Schließung seines Lokals zu gewärtigen.
## Die Lichter gehen aus
Das sind noch nicht Verhältnisse wie in Wuhan. Der Norden wird nicht zur
hermetisch abgeriegelten roten Zone, zu einer tieforangenen jedoch wohl.
Straßensperren sind nicht in Sicht, doch in der Lombardei und den
angrenzenden Provinzen gehen die Lichter aus, wenigstens ihre Freizeit
sollen die Menschen fortan zu Hause verbringen.
Und das Gros der verordneten Maßnahmen gilt auch für den Rest Italiens. Mit
zwei Ausnahmen. Dort werden keine Mobilitätsverbote ausgesprochen, und dort
dürfen die Restaurants auch am Abend öffnen. Sonst aber gilt ebenfalls:
Italien hat geschlossen. So machte schon am Sonntag die erst vor wenigen
Tagen eröffnete große Raffael-Ausstellung dicht.
Es liege nun an den Ordnungskräften, zur Not aber auch am Militär, vorneweg
im Norden die Einhaltung der neuen rigorosen Bestimmungen zu kontrollieren,
lässt die Regierung wissen. Völlig unklar ist aber bisher im Detail, wie
effektiv das Reiseverbot aus dem beziehungsweise in den Norden überwacht
werden soll. Den Bürgern ist es untersagt, zum Beispiel von Rom oder
Bologna nach Mailand zu reisen („außer zur Rückkehr an den eigenen
Wohnort“, verfügt das Dekret), doch wer immer möchte, kann weiterhin
Tickets für die Hochgeschwindigkeitszüge Richtung Mailand buchen.
## Letzte Flucht aus Mailand
Dass sich hieran etwas ändern könnte, befürchteten wohl jene hunderte
Menschen, die am späten Samstagabend den letzten Nacht-Intercity stürmten,
der aus Mailand Richtung Süditalien abfuhr. Und das wiederum ist die Sorge
der südlichen Regionen: dass sich jetzt Tausende von Norden aus aufmachen,
um an ihre Heimatorte zurückzukehren, gelegentlich auch mit dem Coronavirus
im Gepäck. Noch werden dort wenige Dutzend Infizierte gezählt, doch den
Experten graust bei der Vorstellung von Ansteckungszahlen, wie sie in der
Lombardei vorliegen: Das Gesundheitswesen in Süditalien ist weit miserabler
aufgestellt und wäre kaum in der Lage, hunderte Intensivpatienten zu
versorgen.
Und so ordnete der Präsident der Region Apulien, Vittorio Emiliano, gleich
nach der Verabschiedung des Dekrets der Regierung Conte an, wer immer aus
den nördlichen Notstandsregionen nach Apulien komme, müsse sich für 14 Tage
in häusliche Quarantäne begeben und sei zudem verpflichtet, seine Ankunft
den Gesundheitsbehörden mitzuteilen. Mit den Worten „bringt bloß nicht die
lombardische Epidemie in euer Apulien mit!“, versuchte er potenzielle
Heimkehrer von ihrem Vorhaben abzubringen.
Doch dass die Seuche mitnichten bloß „lombardisch“ ist, zeigten am
Wochenende zwei prominente Fälle aus der Politik. Am Samstag teilte Nicola
Zingaretti, Gouverneur des Latium, in dem auch Rom liegt, und zugleich
nationaler Vorsitzender der Partito Democratico, die an Contes Regierung
beteiligt ist, mit, er habe sich infiziert. Und nur einen Tag später kam
die gleiche Nachricht von Alberto Cirio, Präsident der Region Piemont im
Nordwesten. Beide befinden sich nun in häuslicher Quarantäne, genauso wie
die dutzenden Personen, mit denen sie engeren Kontakt hatten.
8 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.tageszeitung.it/2020/03/05/das-conte-dekret/
[2] http://www.governo.it/it/media/dichiarazioni-alla-stampa-del-presidente-con…
## AUTOREN
Michael Braun
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