| # taz.de -- Marketingexperte über Tourismus in Südtirol: „Es herrscht groß… | |
| > Kein Tourismus wegen Corona: Die Familienbetriebe im Südtiroler | |
| > Hotelgewerbe stehen vor großen Herausforderungen, sagt Erwin Hinteregger. | |
| Bild: Einsam auf der Seiser Alm | |
| taz am wochenende: Seit Wochen hält Covid-19 Südtirol in Atem. Welche | |
| Auswirkungen hat das Virus auf den Tourismus im Land? | |
| Erwin Hinteregger: Das Coronavirus hat ein verheerendes Ausmaß angenommen. | |
| Es sind alle wirtschaftlichen Sektoren betroffen, aber der Tourismus mit | |
| Sicherheit am meisten. Zum Schutz aller haben wir mit den | |
| Tourismusorganisationen frühzeitig, noch bevor die restriktiven Maßnahmen | |
| der italienischen Regierung angekündigt wurden, die gemeinsame Entscheidung | |
| getroffen, alle Skigebiete und Beherbergungsbetriebe Südtirols zu | |
| schließen. Obwohl die Saison noch nicht zu Ende war. Es ist schön, dass | |
| alle an einem Strang ziehen. Aber bricht der Tourismus im Land weg, ist das | |
| eine Katastrophe. | |
| Was wäre unter normalen Umständen jetzt los im Land? | |
| Was in Südtirol einzigartig ist im Vergleich zu Urlaubsgebieten nördlich | |
| der Alpen: Wir haben top Bedingungen. Aktuell sind die Schneeverhältnisse | |
| sehr gut, parallel dazu waren in dieser Woche schon 20 Grad im Meraner Raum | |
| angekündigt. Die Frühjahrssaison könnte starten, viele Betriebe waren | |
| bereits ausgebucht, und die Wintersaison wäre sicherlich noch bis in den | |
| April gegangen. Das ist ein doppelter Schlag. Letztes Jahr hatten wir im | |
| März etwa 500.000 Ankünfte, dieses Jahr ist Südtirol seit 10 Tagen | |
| geschlossen. Die Schulden und Investitionen bleiben natürlich. | |
| Das heißt, der finanzielle Schaden wird gewaltig sein? | |
| Sicherlich. Auch wenn man es noch nicht genau einschätzen kann. Ich frage | |
| mich: Dauert es noch Wochen, bis wir wieder in die Normalität zurückkehren | |
| können? Oder Monate? Diese Unsicherheit wird erst mal bleiben und das ist | |
| schwer zu ertragen. | |
| Wie gehen die Hoteliers mit diesem Schlag um? | |
| Es herrscht große Sorge. Jeder steht nun vor massiven Herausforderungen. In | |
| nur wenigen Wochen ist die Welt komplett umgekippt. Wir haben schon einige | |
| Naturkatastrophen erlebt. Gerade letztes Jahr gab es einen großen Sturm, | |
| der am Karersee viel verwüstet hat. Aber dass so was wie das Coronavirus | |
| kommt, hat sich keiner vorgestellt. Jeder muss sich zurzeit tagtäglich neu | |
| auf das Thema einstellen. Hinzu kommt eine große Ungewissheit bezüglich der | |
| Mitarbeiter, die man nicht mehr lang – oder gar nicht – einstellen kann. | |
| Die fragen sich auch, wie sie weitermachen sollen. Wann der Betrieb wieder | |
| öffnen kann. Wie lange es dauert, bis man wieder stabil ist. | |
| In Südtirol gibt es große, aber auch kleine familiengeführte Pensionen. Wer | |
| leidet am meisten unter der Krise? | |
| Im Endeffekt leiden alle gleich. Denn es geht auch um die eigene Gesundheit | |
| und die der Familien und Mitarbeiter. Viele Betriebe haben Schulden auf | |
| sich genommen, um den Betrieb umzubauen. Wenn es monatelang keine Einkünfte | |
| gibt, bedeutet das nicht nur großen Stress für den Betrieb, sondern auch | |
| für die Familien. Wir sind sehr kleinteilig strukturiert, bestehen fast | |
| ausschließlich aus Familienbetrieben. Das hat Vorteile. Doch in dieser | |
| Situation ist es schwer, wenn kleine Pensionen keine Liquidität aufweisen. | |
| Für sie ist es auch emotional belastend. | |
| Trifft die Krise ein Land, in dem Tourismus der Wirtschaftsmotor ist, | |
| heftiger als andere? | |
| In Europa haben die Länder gesamtwirtschaftlich sicherlich alle Einbußen. | |
| Doch wenn in Südtirol der Tourismus wegbricht, hätte das katastrophale | |
| Ausmaße. Auch, weil er mit der Landwirtschaft und dem Handel verzahnt ist. | |
| Wir haben die Südtiroler Äpfel, den Wein, den Speck, lokale Milchprodukte | |
| und viele, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten. Das alles leidet mit. Es | |
| ist wie ein Dominoeffekt, in dem alle im gleichen System stecken. | |
| IDM ist unter anderem für das Marketing Südtirols verantwortlich. Welche | |
| Pläne haben Sie, um die Tourismusbranche wieder anzukurbeln? | |
| Es braucht auf jeden Fall ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm. Wir | |
| arbeiten an verschiedenen Programmen, um gerüstet zu sein, sobald die Krise | |
| vorbei ist. Zum Beispiel unsere lokalen Landwirtschaftsprodukte weiterhin | |
| liefern zu können sowie sicherzustellen, dass unsere Kleinbetriebe | |
| finanziell liquide und in der Lage sind, einen Tag nach der Krise wieder zu | |
| öffnen. Wir bleiben ständig in Kontakt mit touristischen Partnern im | |
| Ausland. Und vor allem mit dem Gast, der in Südtirol sehr loyal ist und | |
| unser Land wie seine zweite Heimat sieht. Das klassische Marketing haben | |
| wir zurzeit aber aufs Minimale heruntergefahren. | |
| Südtirol hat durchaus seine Probleme – Stichwort Overtourism. Kann aus | |
| dieser Notsituation eine Chance entstehen? | |
| Ich glaube, diese Krise wird uns alle verändern. Man sieht auf einmal, wie | |
| labil die Welt ist, wie schnell sich so eine Krankheit ausbreitet. Schon | |
| vorher hatten wir uns zum Ziel gesetzt, Südtirol zum beliebtesten | |
| nachhaltigen Lebensraum zu machen. Uns ist es wichtig, sozial, ökonomisch | |
| und ökologisch im Gleichgewicht zu sein. Da gibt es gewiss einige | |
| Herausforderungen, so auch die Tatsache, dass einige Hotspots zu Stoßzeiten | |
| im Jahr überlaufen sind. Daran arbeiten wir, denn wir wollen unsere Zukunft | |
| selbst gestalten können. | |
| 31 Mar 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Dunja Smaoui | |
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