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# taz.de -- EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei: Geld gegen Geflüchtete
> Die EU dürfe sich nicht erpressen lassen, heißt es. Doch die Europäer
> bleiben bei ihrer Politik und versprechen Erdoğan Geld für dichte
> Grenzen.
Bild: Pazarkule an der türkisch-griechischen Grenze: Geflüchtete Warten auf e…
Istanbul taz | Erdoğan soll von der EU mehr Geld für die Versorgung
syrischer Flüchtlinge in der Türkei und für dringende humanitäre Maßnahmen
in den Flüchtlingscamps in der syrischen Provinz Idlib bekommen. Das
jedenfalls haben am Dienstag bei einer Videokonferenz Bundeskanzlerin
Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische
Premier Boris Johnson dem türkischen Präsidenten versprochen. Außerdem
sollen baldmöglichst die Gespräche über eine Erweiterung der Zollunion mit
der Türkei wiederaufgenommen werden.
Alle Teilnehmer der Videokonferenz bekräftigten, dass sie den
EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei vom Frühjahr 2016 aufrechterhalten und
ausbauen wollen. Außerdem ging es nach Auskunft aus Berlin und Paris auch
um grundsätzliche Fragen.
Erdoğan wurde aufgefordert, seine zukünftigen Beziehungen zur Nato und zur
EU zu klären, weil in den letzten Monaten Zweifel aufgekommen waren, ob die
Türkei noch zur Nato gehören will und ob sich Erdoğan weiterhin an die für
ein mit der EU assoziiertes Land geltenden Regeln hält.
An beidem waren große Zweifel aufgekommen, nachdem die [1][Türkei ein
russisches Raketenabwehrsystem gekauft hatte], das im Nato-Verbund nicht
einsetzbar ist. Darüber hinaus hat die Führung in Ankara mit ihrer
aggresiven Politik gegenüber Griechenland massiv gegen EU-Interessen
verstoßen, insbesondere im [2][Streit um das Gas im Mittelmeer] sowie mit
der [3][Aufforderung an Flüchtlinge, die griechische Grenze zu stürmen].
## Geld für die Türkei
Trotz dieser grundsätzlichen Fragen setzen die beiden größten EU-Länder
Deutschland und Frankreich und das in Sicherheitsfragen weiter eng mit der
EU verbundene Großbritannien Erdoğan gegenüber zunächst auf Appeasement.
Obwohl in Deutschland immer wieder gefordert wird, man dürfe sich von
Erdoğan nicht „erpressen“ lassen, verfolgen Merkel und Macron die gleiche
Strategie wie zuvor. In der Erwartung, dass die Türkei Flüchtlinge künftig
wieder daran hindert, die griechische oder bulgarische Grenze nach Europa
zu überwinden, versprachen sie eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung
der Türkei für die Versorgung der Flüchtlinge im Land. Außerdem sagten sie
mehr Geld für humanitäre Hilfe in Idlib zu.
Der von Erdoğan provozierte Ansturm von Flüchtlingen insbesondere auf die
griechische Grenze hat in Berlin und Paris offenbar zu der Überzeugung
geführt, dass man Erdoğan braucht, wenn die Grenze zu Europa dicht bleiben
soll.
## Idlib geht Europa etwas an
Erdoğan hat mit seiner Provokation auch erreicht, dass zumindest
Deutschland, Frankreich und Großbritannien akzeptieren, dass sie in Syrien
mehr tun müssen. Was genau, ist noch unklar, aber alle wissen, dass sich
Ankara nur dann an den Flüchtlingspakt halten wird, wenn mit europäischer
Unterstützung eine Möglichkeit geschaffen wird, dass die
Bürgerkriegsflüchtlinge in Idlib in Syrien bleiben und nicht in die Türkei
flüchten.
Um welche zusätzliche Summe für die Türkei es geht, blieb am Dienstag
unklar. Bislang hat die EU der Türkei zur Unterstützung der syrischen
Flüchtlinge 6 Milliarden Euro zugesagt, von denen 3,2 Milliarden ausgezahlt
und weitere 1,5 Milliarden für konkrete Projekte verplant sind.
Der türkische Präsident hat sich in der Vergangenheit immer wieder beklagt,
dass das zu wenig sei und das Geld zu schleppend ausgezahlt würde. Die
Türkei habe in den letzten Jahren mehr als 40 Milliarden Euro für die
Unterstützung der Flüchtlinge aufgebracht.
Erdoğan will deshalb, dass größere Summen schnell und direkt an den
türkischen Halbmond (das türkische Rote Kreuz) oder andere türkische
Hilfsorganisationen ausgezahlt werden, statt immer nur projektgebunden
bewilligt zu werden.
Wollen Merkel und Macron das zusätzliche Geld aber nicht aus den eigenen
Haushalten bezahlen, müssen sie erst einmal ihre Kollegen in der EU
überzeugen, zusätzliche Mittel zu bewilligen.
18 Mar 2020
## LINKS
[1] /Tuerkei-kauft-russisches-Waffensystem/!5600054
[2] /Erdgas-Pipeline-im-Mittelmeer/!5653300
[3] /Tuerkei-droht-mit-Gefluechteten-aus-Syrien/!5664083
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
Schwerpunkt Syrien
Recep Tayyip Erdoğan
Idlib
Europäische Union
Syrischer Bürgerkrieg
Schwerpunkt Flucht
Recep Tayyip Erdoğan
Minderjährige Geflüchtete
Griechenland
Schwerpunkt Flucht
EU-Türkei-Deal
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