# taz.de -- Erdgas-Pipeline im Mittelmeer: Rohre mit politischer Sprengkraft | |
> Griechenland, Zypern und Israel treiben den Bau der Eastmed-Pipeline | |
> voran, die Erdgas in die EU bringen soll. Die Türkei stellt sich dagegen. | |
Bild: Israels Premier Netanjahu besiegelt mit dem griechischen Kollegen Mitsota… | |
BERLIN taz | Fast 2.000 Kilometer lang soll sie sein und bis zu drei | |
Kilometer tief im Mittelmeer verlaufen: die geplante Pipeline „Eastmed“, | |
die israelisches Erdgas aus dem östlichen Mittelmeerraum direkt in die EU | |
bringen soll. | |
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Zyperns Präsident Nikos | |
Anastasiades reisten extra nach Athen, um das gemeinsame Megaprojekt am | |
Donnerstag in einer feierlichen Zeremonie mit dem griechischen | |
Regierungschef Kyriakos Mitsotakis zu besiegeln. | |
Über die Eastmed-Pipeline soll Israel den Plänen zufolge bereits ab 2025 | |
Erdgas nach Europa liefern. Die Rohre sollen von den Offshore-Anlagen | |
westlich der israelischen Küste über Zypern und Kreta zum griechischen | |
Festland und schließlich über die geplante Poseidon-Pipeline bis nach | |
Italien reichen. Auch südosteuropäische Staaten wie Bulgarien sollen von | |
den Erdgas-Lieferungen profitieren. Die Kosten könnten sich auf mehr als 6 | |
Milliarden Euro belaufen. | |
Das Brisante an dem ehrgeizigen Plan: Die Eastmed-Pipeline würde [1][direkt | |
durch eine umstrittene „exklusive Wirtschaftszone“] verlaufen, die die | |
Türkei im November zusammen mit ihrem neuen libyschen Partner, der | |
Sarradsch-Regierung in Tripolis, abgesteckt hat. Dem Abkommen zufolge fällt | |
etwa das Seegebiet östlich von Kreta unter türkische Kontrolle. Damit tritt | |
die geopolitische Dimension des von der EU und auch den USA unterstützten | |
Riesenprojekts im östlichen Mittelmeer voll zutage. | |
## Zerstritten in der Zypern-Frage | |
Während Griechenland, Zypern, Israel und auch Ägypten energiepolitisch | |
weitgehend an einem Strang ziehen, stellt sich die türkische Führung unter | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Plänen der Allianz entschieden entgegen. | |
In der schwachen, aber international anerkannten [2][libyschen Regierung | |
von Fajis al-Sarradsch hat Erdoğan einen Verbündeten gefunden], der die | |
Verhandlungsposition Ankaras stärkt. | |
Die Hauptkontrahenten des Konflikts sind die Türkei und Griechenland, die | |
in der Zypern-Frage ohnehin heillos zerstritten sind. Die Regierung in | |
Athen sieht in dem Eastmed-Projekt nun offenbar ein wirksames Mittel, um | |
den türkischen Explorationsplänen im östlichen Mittelmeer sowie der jüngst | |
vorangetriebenen Annäherung zwischen Ankara und Tripolis etwas | |
entgegenzusetzen. | |
Die Türkei werde Projekte dieser Art im östlichen Mittelmeer ohne ihre | |
Beteiligung und Einwilligung nicht erlauben, heißt es immer wieder aus | |
Ankara. Die Türkei beansprucht einen Teil der Gasvorkommen östlich von | |
Kreta sowie vor Zypern für sich und sieht sich im Recht, Ressourcen in | |
bestimmten Gebieten des Mittelmeers zu erforschen und auszubeuten, auf die | |
sie aus Sicht Israels, Griechenlands, Zyperns und Ägyptens keinen Anspruch | |
hat. | |
Unter anderem diese vier Staaten hatten im vergangenen Januar das | |
sogenannte „Gas-Forum Östliches Mittelmeer“ gegründet, mit dem die | |
Zusammenarbeit in der Region vertieft werden soll. Die Türkei allerdings | |
ist nicht beteiligt. Dass es hier vor allem um eine strategische Allianz in | |
der Krisenregion geht, zeigte ein Vierertreffen Netanjahus mit dem | |
zyprischen Präsidenten und dem griechischen Regierungschef in Jerusalem im | |
vergangenen März, bei dem auch US-Außenminister Mike Pompeo anwesend war. | |
## USA und EU unterstützen die Pipeline | |
Ziel der Gespräche war es, das Eastmed-Projekt voranzutreiben und die | |
Allianz der „drei demokratischen Staaten am östlichen Mittelmeer“ zu | |
stärken, wie es immer wieder heißt. Kommende Woche wird Pompeo erneut im | |
Mittelmeerraum erwartet – diesmal in Zypern selbst. Auch die EU unterstützt | |
das Eastmed-Projekt, das die Energie-Abhängigkeit der Europäer von Russland | |
mindern würde. | |
Auffällig ist, dass Italien an der Zeremonie anlässlich des | |
Eastmed-Abkommens in Athen am Donnerstag nicht teilnehmen wollte. Die | |
Regierung in Rom beschränkte sich darauf, in einem Schreiben ihre | |
Unterstützung zum Ausdruck zu bringen, wie griechische Medien am Dienstag | |
[3][berichteten]. Im Mai hatte Ministerpräsident Giuseppe Conte die | |
geplante Poseidon-Pipeline – die letzte Etappe im Eastmed-Projekt – | |
abgelehnt. Italien müsste die Unterwasser-Pipeline, die Griechenland und | |
Italien miteinander verbinden soll, in Eigenregie bauen. | |
3 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Griechen-und-Tuerken-im-Erdgas-Streit/!5648129 | |
[2] /Machtkampf-im-Nahen-Osten/!5648495 | |
[3] http://www.ekathimerini.com/248018/article/ekathimerini/news/italy-fully-ba… | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
## TAGS | |
Erdgas | |
Zypern | |
Türkei | |
Griechenland | |
Türkei | |
Türkei | |
Zypern | |
Türkei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Machtkampf in Libyen: Erdoğan schickt jetzt Soldaten | |
Die Türkei beginnt, Truppen nach Libyen zu senden, um im Streit um eine | |
Gas-Pipeline Einfluss zu sichern. Das letzte Wort hat aber Russland. | |
Machtkampf im Nahen Osten: Erdoğans nächste Front | |
Türkeis Präsident will Truppen nach Libyen entsenden. Es geht um einen | |
Kompromiss mit Russlands Staatschef Putin – auch in Syrien. | |
Griechen und Türken im Erdgas-Streit: Athen droht mit der Marine | |
Die Türkei plant Erdgas-Bohrungen in einer mit Libyen vereinbarten | |
Wirtschaftszone im Mittelmeer. Griechenland droht sich militärisch zu | |
wehren. | |
Türkische Gasbohrungen vor Zypern: Ankara trotzt EU-Sanktionen | |
Die EU-Außenminister haben wegen Probebohrungen vor Zypern Strafmaßnahmen | |
gegen die Türkei beschlossen. Die Regierung will trotzdem weiter bohren. |