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# taz.de -- Türkische Gasbohrungen vor Zypern: Ankara trotzt EU-Sanktionen
> Die EU-Außenminister haben wegen Probebohrungen vor Zypern Strafmaßnahmen
> gegen die Türkei beschlossen. Die Regierung will trotzdem weiter bohren.
Bild: Unbeeindruckt von den EU-Sanktionen: Türkisches Bohrschiff vor Zypern su…
Berlin taz | Die Türkei hat sich unbeeindruckt von Sanktionen der
Europäischen Union im Gas-Streit um die Insel Zypern gezeigt. Das
Außenministerium in Ankara erklärte am Dienstag, die Entscheidung der
EU-Außenminister werde nichts an der Entschlossenheit der Türkei ändern,
ihre Erkundungsbohrungen fortzusetzen. Das klingt nach einer Eskalation,
auch wenn keine Seite kein Interesse an militärischen Auseinandersetzungen
zwischen Zypern und der Türkei hat.
Die EU hatte am Montag Strafmaßnahmen gegen die Türkei beschlossen. Unter
anderem werden Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen ausgesetzt und
EU-Gelder für die Türkei gekürzt. Zudem forderten die Außenminister die
EU-Kommission auf, mögliche Finanzsanktionen zu erarbeiten. Dabei geht es
gegen Personen, die an den aus Sicht der EU illegalen Bohrungen beteiligt
sind. Die Europäische Investment Bank wurde aufgefordert, die Konditionen
für Finanzhilfen an Ankara zu überprüfen.
Die Europäische Union zeigt mit den Sanktionen ihre Solidarität gegenüber
dem EU-Mitglied Zypern. Dort und in Brüssel wird die Auffassung vertreten,
dass sich die Gasvorkommen um die Insel im Besitz der griechisch
dominierten Republik Zypern befinden.
Schon seit Jahren streiten sich Ankara und Nikosia um die Gasvorkommen.
Dabei kam es mehrfach [1][zum Einsatz türkischer Kriegsschiffe], um von
Zypern autorisierte Probebohrungen durch internationale Konzerne zu
behindern. Zuletzt hatten zwei von Kriegsschiffen eskortierte
Explorationsschiffe aus der Türkei an der West- und Ostküste Zyperns nach
Erdgas gebohrt.
## Türkei ist isoliert
Zyperns Position wird durch das UN-Seerechtsabkommen von 1992 gestützt. Es
erlaubt die Einrichtung von ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) zur
Ausbeutung von Meeresschätzen, die weit über die übliche 12-Meilen-Zone
hinausgehen, in der die Anrainerstaaten ihre volle Souveränität ausüben.
Die AWZ kann sich bis auf 200 Seemeilen jenseits der Küsten ausdehnen.
Ankara ist diesem Seerechtsabkommen nicht beigetreten, weil es aus
türkischer Sicht die eigenen Interessen aufgrund der Nähe zu den
griechischen Inseln in der Ägäis und zur Republik Zypern zu stark
einschränkt. Die türkische Regierung spricht Zypern die Einrichtung einer
eigenen Wirtschaftszone mit dem Argument ab, diese Regelung gelte nicht für
Inseln. Entsprechend erklärte die Türkei auch alle Vereinbarungen zwischen
Zypern und internationalen Konzernen zur Erkundung der Gasvorkommen für
nichtig. Das Land hat stattdessen der staatlichen türkischen Gesellschaft
Turkish Petroleum Lizenzen für Bohrungen erteilt.
Die Türkei steht mit ihrer Position in der Region isoliert da. Zypern,
Israel, Ägypten und weitere Anrainer haben sich auf die Grenzen ihrer
Wirtschaftszonen verständigt und bereiten die gemeinsame Ausbeutung im
„Gas-Forum östliches Mittelmeer“ vor.
Es geht um viel Geld: Allein das vor der Südküste Zyperns liegenden Gasfeld
„Aphrodite“ könnte förderungswürdige 4,1 Billionen Kubikmeter Gas
enthalten. Zypern verspricht sich davon Einnahmen in Höhe von mehr als 8
Milliarden Euro. „Aphrodite“ ist nur eins von drei nahe der Insel
entdeckten Gasfeldern. Allerdings wurde die Rechnung ohne Berücksichtigung
der internationalen Bemühungen gemacht, aus Klimaschutzgründen langfristig
aus dem CO2 ausstoßenden Gasverbrauch auszusteigen. Auch der Export des
Gases ist bisher nicht geklärt, untersucht wird der Bau einer Pipeline vom
Ostmittelmeerraum nach Europa.
## Langer politischer Konflikt
Doch bei dem Streit zwischen der Türkei und Zypern geht es nicht nur um
Gas. Ankara besteht bei der Aufteilung der erhofften Gewinne aus dem
Gasgeschäft auf einer Beteiligung der türkischen Zyprioten, die im Norden
der Insel leben. Die Türkei unterhält keinerlei Beziehungen zu der
Regierung in Nikosia, stattdessen hat das Land die „Türkische Republik
Nordzypern“ anerkannt – als einziger Staat der Welt
Die Teilung ist Ergebnis einer [2][Militärintervention im Jahr 1974], als
die Türkei in Reaktion den Putsch der griechischen Junta gegen die
Regierung Makarios nutzte, um den Nordteil Zyperns zu besetzen. Jahrzehnte
währende Gespräche zur Wiedervereinigung der beiden Inselteile blieben
bisher erfolglos und liegen seit 2017 auf Eis. Die Türkei hat in Nordzypern
mehrere zehntausend Soldaten stationiert.
Die Regierung in Nikosia vertritt die Auffassung, dass die Zyperntürken
[3][erst nach einer Einigung] an den Gewinnen beteiligt werden. Das lehnen
diese unisono mit der Türkei ab. Die Probebohrungen begründet Ankara auch
damit, dass die zyperntürkische Bevölkerung ein Anrecht auf die
Rohstoffvorkommen in der Region habe. Am Sonntag hatte der Präsident
Nordzyperns, Mustafa Akıncı, die Bildung eines gemeinsamen Komitees aus
Insel-Griechen und -Türken vorgeschlagen, um zu einer Übereinkunft zu
kommen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass die zyperngriechische
Seite einer solchen Lösung zustimmt, weil dies nach ihrer Ansicht einer
indirekten Anerkennung Nordzypern gleichkäme.
16 Jul 2019
## LINKS
[1] /Streit-um-Gasfunde-unter-dem-Mittelmeer/!5481204
[2] /Strassburger-Menschenrechtsurteil/!5042443
[3] /Kommentar-Zypern-Verhandlungen/!5374083
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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